Nach EURO 2025: Frauenfußball kein Männerfußball 2.0
28. Juli 2025
Ausverkaufte Stadien, beste Stimmung, Rekordquoten im Fernsehen: Die Europameisterschaft 2025 in der Schweiz hat erneut bewiesen, dass der Frauenfußball in Deutschland boomt. Während über 10.000 deutsche Fans die Nationalmannschaft im Halbfinale gegen Spanien im Stadion in Zürich unterstützten, saßen weitere gut 14 Millionen vor den Fernsehgeräten und fieberten mit - ein Marktanteil von 57,6 Prozent. Doch trotz dieser Begeisterung besteht immer noch eine deutliche Diskrepanz in der Anerkennung und Wertschätzung zwischen Frauen-und Männerfußball. Diese Kluft ist nicht nur im Profisport sichtbar, sondern zieht sich durch viele Bereiche des Fußballs.
Gemeinsamer Plan mit dem DFB
Mehr Talente, mehr Wachstum, mehr Professionalität - die Formel für eine erfolgreiche Zukunft scheint relativ simpel. In der Realität muss der Frauenfußball in Deutschland allerdings seit Jahren um bessere Bedingungen kämpfen. Zwischenzeitlich wurde sogar eine Abspaltung der Frauen-Bundesliga vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) diskutiert, um eigene Strategien entwickeln zu können. Mittlerweile aber haben sich der Verband und die Klubs auf einen gemeinsamen Fahrplan geeinigt, um den Frauenfußball voranzubringen. Spitzenvereine wie der FC Bayern München, der VfL Wolfsburg und Eintracht Frankfurt, die zuvor offen mit einer Abspaltung gedroht hatten, begrüßten den Schritt.
Trotzdem werden weiterhin viele der Frauen-Teams in Deutschland von den Männerabteilungen querfinanziert, weil sie nicht kostendeckend arbeiten. Auch die Trainingsbedingungen sind oft nicht mit denen der Männer zu vergleichen. Besonders in der Talentförderung hinkt der Frauenfußball hinterher. "Im Juniorenbereich ist der deutsche Fußball da viel, viel weiter als im Juniorinnenbereich", sagte Bundestrainer Christian Wück.
Professionelle Strukturen schaffen
Im Fußball der Frauen gibt es bisher kein Mindestgehalt. Zwar verdienen die Fußballerinnen laut Angaben der ARD-Sportschau im Schnitt 4500 Euro brutto monatlich, die Gehälter einiger Top-Spielerinnen treiben diese Zahl jedoch künstlich hoch. Die Sportökonomin Jessica Stommel sagte dem ZDF: "Man muss im Hinterkopf behalten, dass lange nicht alle Spielerinnen professionelle Verträge haben. In der aktuellen Saison verdienen 62 Prozent aller Bundesliga-Spielerinnen weniger als 3000 Euro brutto monatlich. Die müssen die Woche nebenbei arbeiten." Zum Vergleich: In der Bundesliga der Männer lag das Jahresdurchschnittsgehalt im vergangenen Jahr zwischen 1,5 und zwei Millionen Euro, das macht zwischen 125.000 und 166.000 Euro brutto im Monat.
Janina Minge, die Deutschland nach der Verletzung von Giulia Gwinn bei der EM als Kapitänin auf den Platz geführt hatte, war bis 2024 neben ihrem Engagement beim Bundesligisten SC Freiburg als Polizistin aktiv.
Giovanna Hoffmann, die Angreiferin von RB Leipzig, die beim grandiosen EM-Viertelfinalsieg gegen Frankreich in der Startelf stand und glänzte, studierte von 2016 bis 2021 neben ihrer Fußballkariere Jura. "Jetzt fehlt mir noch das Referendariat. Das ist jetzt leider mit Fußball nicht möglich, deshalb habe ich gerade eine Pause eingelegt", sagte Hoffmann am Rande der EM in der Schweiz. Zu ihrer Zeit beim SC Freiburg (2020 bis 2024) arbeitete sie teilweise nebenher am Lehrstuhl für Strafrecht an der Freiburger Universität.
Ein im Männerfußball undenkbares Szenario, das nach Ansicht von Bianca Rech, der Direktorin Frauenfußball beim FC Bayern, auch im Frauenfußball unannehmbar ist, soll er professioneller werden: "Dazu bedarf es eines Mindestgrundgehalts, damit Spielerinnen nicht nebenbei noch 40 Stunden arbeiten müssen."
Ungleiche Prämien bei gleicher Leistung
Für einen Sieg bei der EM in der Schweiz hätte der DFB an jede Spielerin des DFB-Teams 120.000 Euro gezahlt. Nach der Niederlage gegen Spanien im Halbfinale geht jede Spielerin mit 65.000 Euro nach Hause. Obwohl die Gesamtprämie für die Frauen-EM 2025 gegenüber dem Turnier 2022 in England von gut zwei Millionen auf über fünf Millionen Euro anstieg, stehen auch hier die Männer deutlich über den Frauen. Für einen Gewinn der EM 2024 in Deutschland hatte der DFB 400.000 Euro pro Spieler ausgelobt. Von Equal Pay kann also weiterhin keine Rede sein. Aber ist das überhaupt der Anspruch?
"Ich kann es nicht mehr hören", sagte beispielsweise die ehemalige DFB-Kapitänin Alexandra Popp im kicker-Podcast "Verboten gut": "Natürlich braucht es mehr Geld für die Entwicklung des Frauenfußballs. Aber ich glaube, es gibt wenige Spielerinnen, die ganz klar betonen, dass sie genauso viel Geld wollen wie die Männer. Ich kenne in Deutschland niemanden, der das gesagt hat. Wenn ich ehrlich bin, will ich gar nicht so viel Geld. Das nimmt bei den Männern völlig überhand."
Abgrenzung vom Männerfußball als Chance
Dass der Frauenfußball nach besserer Bezahlung und professionelleren Strukturen strebt, dürfe nicht bedeuten, dass man blind den Strukturen der Männer folge, führte Popp im Podcast "Locker Room Talk" aus. "Da geht es nur noch um Gelder und nicht mehr um den eigentlichen Sport, der uns alle erfüllt."
Nationalspielerin Laura Freigang sieht den Männerfußball ebenfalls eher als abschreckendes Beispiel: "Ich finde es eigentlich schön, dass der Frauenfußball noch so eine eigene Welt ist", sagte Freigang dem Magazin "Vogue Germany": "In den Stadien ist es familienfreundlicher, es ist ein anderes Publikum. Ich würde mir das gerne bewahren. Ich will mit dem Frauenfußball auf keinen Fall dahin, wo der Männerfußball jetzt ist."
Frauenfußball bricht Rekorde
Die Frauen-EM in der Schweiz war in Sachen Resonanz ein voller Erfolg. Mit mehr als 657.000 verkauften Tickets wurde ein neuer Zuschauer-Rekord aufgestellt. Die EM 2022 in England hatten knapp 575.000 Fans in den Stadien verfolgt.
Zuletzt gab es auch eine neue Rekord-Ablösesumme im Frauenfußball: Die 20 Jahre alte Kanadierin Olivia Smith wechselte für 1,16 Million Euro innerhalb der englischen Women's Super League vom FC Liverpool zum FC Arsenal. Auf den ersten Blick ein enormer Betrag, verglichen mit den horrenden Ablösesummen im Männerfußball allerdings geradezu nichtig. Alleine die beiden teuersten Bundesliga-Transfers zur neuen Saison generierten zusammen über 200 Millionen Euro: Laut dem Internetportal "Transfermarkt" bezahlte der FC Liverpool 125 Millionen Euro an Bayer 04 Leverkusen für den deutschen Nationalspieler Florian Wirtz und 95 Millionen Euro an Eintracht Frankfurt für den französischen Stürmer Hugo Ekitiké.