Mexikos Regierung ist sicher: Drogenboss Guzmán hatte bei seiner Flucht aus dem Gefängnis Helfer unter dem Sicherheitspersonal. Hochrangige Beamte wurden entlassen.
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Bei seinem spektakulären Ausbruch müsse Drogenbaron Joaquín "El Chapo" Guzmán Helfer innerhalb des Gefängnisses gehabt haben, sagte der mexikanische Innenminister Miguel Ángel Osorio Chong. Anders lasse sich die Flucht nicht erklären. Als erste Konsequenz entließ die Regierung mehrere Sicherheitsbeamte, unter ihnen sind der Gefängnisdirektor und der Leiter der Strafvollzugsbehörde.
Justizvertreter verhörten gleichzeitig rund 30 Mitarbeiter der Haftanstalt, die zum Zeitpunkt der Flucht anwesend waren. Auch alle Besucher der vergangenen 16 Monate würden überprüft, hieß es. "Alle sind verdächtig", wurden Sicherheitskreise zitiert.
"Beschämender Fehler"
Versäumnisse seitens der Regierung schloss Osorio Chong aus. Die Haftanstalt entspreche internationalen Standards. Ein Großteil des Gebäudes werde mit Videokameras überwacht, zudem habe "El Chapo" (Der Kleine) eine elektronische Fessel getragen. Trotz der höchsten Sicherheitsstufe sei dem Gangster die Flucht geglückt. "Dieser Fehler beschämt uns alle", erklärte der Innenminister.
Guzmán war am Samstag durch einen heimlich gegrabenen Tunnel (das Artikelbild zeigt den Ausgang) aus dem Gefängnis im zentral gelegenen Bundesstaat México entkommen. Der unterirdische Gang begann in Guzmáns Zellendusche und ist nach Angaben der Behörden 1,5 Kilometer lang, rund 1,70 Meter hoch, 80 Zentimeter breit und verfügt über eine Luftzufuhr sowie Beleuchtung. Mit einem Motorrad, das auf Schienen fuhr, wurde während des Baus die Erde aus dem Tunnel abtransportiert.
Schon der zweite Ausbruch
"El Chapo" ist der Chef des mächtigen Sinaloa-Kartells und gilt als der weltweit einflussreichste Drogenboss. Auf sein Konto gehen Tausende Morde. Ihm werden beste Kontakte in höchste mexikanische Sicherheitskreise nachgesagt. Erst im Februar 2014 wurde er nach 13 Jahren auf der Flucht in einem Hotel in einem mexikanischen Küstenort aufgespürt und festgenommen. Der Drogengangster war im Jahr 2001 bereits ein erstes Mal aus dem Gefängnis ausgebrochen. Damals gelang ihm die Flucht, indem er sich in einem Wäschewagen versteckte.
Interpol eingeschaltet
Polizei und Streitkräfte suchen in ganz Mexiko mit Hochdruck nach dem Flüchtigen. Über die internationale Polizeibehörde Interpol wurde Guzmán weltweit zur Fahndung ausgeschrieben. Für Hinweise, die zu seiner Ergreifung führen, setzte die Generalstaatsanwaltschaft eine Belohnung in Höhe von 60 Millionen Pesos (3,4 Millionen Euro) aus.
Spektakuläre Gefängnisausbrüche
Trotz hoher Mauern, Stahlgittern und Wachpersonal: Seit es Gefängnisse gibt, gelingt Häftlingen die Flucht in die Freiheit, wie zuletzt einem Verbrecher in Frankreich. Ein Überblick über die legendärsten Ausbrüche.
Bild: imago/Kai Koehler
Filmreife Flucht
Der einst meistgesuchte Verbrecher Frankreichs ist im Juli 2018 per Helikopter aus einem Gefängnis in Réau geflohen. Die Flucht von Redoine Faïd dauerte nur wenige Minuten: Drei schwer bewaffnete Männer landeten einen Helikopter im Innenhof des Gefängnisses und holten ihn aus dem Besucherraum. Der Helikopter wurde in der Nähe von Paris gefunden. Die Behörden suchen mit einer Großfahndung nach ihm.
Bild: Getty Images/AFP/G. van der Hasselt
Wiederholungstäter
Ähnlich verlief eine Flucht im Juli 2007. Komplizen befreiten den Bankräuber Pascal Payet per Hubschrauber und Maschinengewehr aus dem Gefängnis in Grasse, bekannt als Weltstadt des Parfums. Schon im Jahr 2001 war der zu 30 Jahren Haft verurteilte Payet aus einem Gefängnis in der französischen Gemeinde Luynes per Helikopter geflohen.
Bild: Getty Images/AFP/B. Horvat
Maximale Sicherheit in Mexiko?
Es war bereits das zweite Mal innerhalb von 14 Jahren: Im Juli 2015 floh der mexikanische Drogenboss Joaquín Guzmán durch einen Tunnel aus dem Gefängnis von Altiplano. "El Chapo", der Kleine, hatte in der Dusche seiner Zelle ein großes Loch gegraben. Von dort aus führte ein Tunnel zu einem Haus außerhalb der Gefängnismauern.
Bild: Reuters/PGR/Attorney General's Office
Durch das Abflussrohr
Sie brachen Löcher in die Wände, krochen durch Abwasserrohre und kletterten auf der anderen Seite der Gefängnismauern aus einem Gully heraus: Im Juni 2015 gelang zwei Mördern die Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis in New York. Das Duo hatte die waghalsige Aktion eine Nacht zuvor geprobt.
Bild: Getty Images/New York State Governor's Office/D. McGee
Koffer mit Übergewicht
Fast hätte es geklappt: In einem großen Koffer sollte der wegen Drogenhandel verurteilte Häftling Juan Ramirez Tijerina 2011 aus dem mexikanischen Gefängnis Chetumal an der Ostküste der Halbinsel Yucatán herausgeschmuggelt werden. Doch die Aufseher misstrautem dem Rollkoffer, in dem sich angeblich schmutzige Wäsche befand. Bei der Kontrolle fanden sie den zusammengekauerten Häftling.
Bild: picture-alliance/dpa/Sspqr
Die Schlacht von Maze
Es war der größte Gefängnisausbruch in der Geschichte Großbritanniens. Am 25. September 1983 gelang es 38 politischen Gefangenen der paramilitärischen irisch-republikanischen Armee (IRA), aus dem Hochsicherheitsgefängnis "Maze Prison" in Nordirland zu fliehen. Die Insassen überwältigten das Wachpersonal mit ins Gefängnis geschmuggelten Waffen und flohen mit einem gestohlenen Lieferwagen.
Bild: picture-alliance/dpa/P. Mcerlane
Auf Ostereiersuche
Vier Worte brachten ein ganzes Land zum Lachen: "Bin Eier suchen gegangen", stand in dem Bekennerschreiben von Bankräuber Walter Stürm, der kurz vor Ostern 1981 aus der Schweizer Strafanstalt Regensdorf ausbrach. Dem Gentleman-Gangster gelang insgesamt acht Mal die Flucht. Sein Widerstand gegen Isolationshaft verschaffte ihm im Land Respekt. Am 13.9.1999 nahm er sich im Gefängnis das Leben.
Bild: picture-alliance/dpa
Hungern für die Flucht
Er bestand darauf, sich selbst zu verteidigen: Der US-Serienmörder Theodore Bundy wurde im Januar 1977 in Colorado vor Gericht gestellt. Am 7. Juli gelang ihm die Flucht aus der juristischen Bibliothek des Staatsgefängnisses in Utah. Sechs Monate später büchste Bundy erneut aus: Er hatte über zehn Kilo abgenommen, und zwang sich durch ein Loch in der Decke seiner Zelle in Glenwood Springs.
Bild: picture-alliance/AP
Legende Alcatraz
Ihre Flucht wurde verfilmt. Mithilfe von angespitzten Löffeln und einer improvisierten Bohrmaschine bereiteten Frank Lee Morris und die Brüder Clarence und John Anglin 1962 ihren Ausbruch aus dem Hochsicherheitsgefängnis Alcatraz vor. Um die Wachen auszutricksen, legten die Bankräuber Attrappen auf ihre Betten. Für die Flucht über das Wasser fertigten sie ein Gummifloß aus Regenmänteln an.
Bild: imago/Kai Koehler
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Die Flucht von "El Chapo" ist ein herber Rückschlag für die Sicherheitsstrategie von Präsident Enrique Peña Nieto. Er war Ende 2012 mit dem Versprechen angetreten, die Korruption im Land zu bekämpfen und die Macht der Drogenkartelle zu brechen. 93 der 122 meistgesuchten Verbrecher Mexikos wurden seitdem von Sicherheitskräften getötet oder gefasst.
Allerdings wütet der Drogenkrieg unvermindert weiter, die Zahl der Morde ist nicht zurückgegangen. Nach offiziellen Angaben kostete der Drogenkrieg in Mexiko von 2006 bis 2014 rund 80.000 Menschen das Leben.