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Nach G8-Gipfel fürchten russische Menschenrechtler neue Repressionen

Britta Kleymann8. August 2006

Beim G8-Gipfeltreffen in Sankt Petersburg rückte auch die prekäre Lage der russischen NGOs ins Blickfeld. Nach dem Gipfel nahm das internationale Interesse an ihnen wieder ab - und die Probleme der NGOs nahmen zu.

Proteste gegen das umstrittene russische NGO-Gesetz fruchteten nicht - es trat trotzdem in KraftBild: AP

Für Menschenrechtler in Russland wird die Arbeit immer schwieriger. Seit im April 2006 das umstrittene Gesetz zur Arbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Kraft getreten ist, rechnen sie ständig mit weiteren Repressionen. Die gemeinnützige Stiftung "Soziale Partnerschaft" klagt zum Beispiel seit kurzem über die Behinderung ihrer Arbeit. Die Organisation kümmert sich unter anderem um die Betreuung von Häftlingen in ganz Russland. Doch die russischen Behörden haben entschieden, für Menschenrechtler den Zugang zu Gefängnissen einzuschränken. Nun fürchtet der Vorsitzende der Stiftung, Walerij Borschtschew, dass Menschenrechtsverletzungen im russischen Strafvollzug überhaupt nicht mehr an die Öffentlichkeit gelangen.

"Das Zusammenwirken von Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen sowie dem Strafvollzug, das in den vergangenen zehn Jahren geschaffen wurde, wird zerstört", erzählt Borschtschew. "In vielen Regionen werden Menschenrechtler einfach nicht mehr in die Gefängnisse gelassen. Der Strafvollzug ist nicht zugänglich, so wie bis 1990, so wie es in den 1970er und -80er Jahren war. Ein verschlossenes System bedeutet immer Willkür."

Beispiele für Menschenrechtsverletzungen in russischen Gefängnissen gibt es genug. Für besondere Aufmerksamkeit sorgten voriges Jahr Häftlinge im Gebiet Kursk. Sie verletzten sich selbst schwer, um auf diese Weise gegen ihre Haftbedingungen zu protestieren. Menschenrechtsorganisationen erhalten häufig auch Briefe von Häftlingen, die über Misshandlungen durch Aufseher und Mithäftlinge klagen. Kontrollbesuche vor Ort sind jedoch kaum noch möglich. Dieses Jahr konnten die Menschenrechtler nur ein Gefängnis prüfen, dank einer alten Freundschaft zum Gefängnisleiter.

Steuer-Schikane

Auch andere NGOs kämpfen mit Problemen, zum Beispiel die Bürgerrechtsorganisation "Zentrum zur Hilfe bei internationaler Verteidigung". Das Zentrum unterstützt russische Bürger, die vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen wollen. Mit seiner Hilfe haben schon acht Kläger ihre Prozesse gewonnen. Die Organisation ist nicht kommerziell ausgerichtet und finanziert sich mit Fördergeldern. Jetzt soll sie plötzlich Steuern in Höhe von umgerechnet mehr als 130.000 Euro nachzahlen. Für Ljudmilla Alexejewa, die Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe, kommt die Forderung der Behörden nicht überraschend: "Ich habe immer davor gewarnt, dass der Angriff auf uns gemäß dem neuen Gesetz beginnen wird, sobald der G8-Gipfel vorbei ist und man sich im August erholt hat."

Wenn das Zentrum den geforderten Betrag tatsächlich zahlen muss, bedeutet das seinen Bankrott. Die Summe der angeblich hinterzogenen Steuern ist höher als die der Fördergelder, die das Zentrum für dieses Jahr erhielt.

Hoffnung bleibt

Auch andere Organisationen rechnen mit einem Besuch der Steuerbehörden. Nach Ansicht der Menschenrechtler sind solche Maßnahmen allerdings nur Schikane. In Wirklichkeit gehe es den Behörden darum, störende Kritiker mundtot zu machen - wie zum Beispiel Karina Moskalenko. Sie ist nicht nur Vorsitzende des "Zentrums zur Hilfe bei internationaler Verteidigung", sondern gehört auch zum Anwaltsteam um Ex-Yukos-Chef Michail Chodorkowskij. Noch will sie allerdings nicht von politisch motivierter Verfolgung ihrer Organisation sprechen. Sie hofft, dass die Behörden nach einer Prüfung aller Dokumente die Steuernachforderung zurücknehmen. Menschenrechtsorganisationen in Russland sind angesichts der Entwicklungen jedoch alarmiert - und warten schon auf die nächste schlechte Nachricht.

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