Nach heftigen Kontroversen: Disneys "Schneewittchen" im Kino
20. März 2025
"Schneewittchen", die jüngste Neuverfilmung eines Disney-Klassikers, kostete den Unterhaltungskonzern nach Angaben des Magazins Forbes 270 Millionen Dollar (247 Millionen Euro) für Produktion und Vermarktung.
Normalerweise warten bei der Premiere solcher Big-Budget-Filme Massen von Reportern, um die mitwirkenden Stars auf dem Roten Teppich zu interviewen. Bei der Hollywood-Premiere am 15. März waren Journalistinnen und Journalisten jedoch nicht zugelassen, ebenso wenig wie bei der europäischen Erstaufführung, die drei Tage zuvor in einem abgelegenen Schloss in Nordspanien stattfand.
Es wird allgemein angenommen, dass der Ausschluss der Medien mit einer Flut von bösen Kommentaren im Netz und ausufernden politischen Debatten während der Produktion des Films zusammenhängt. "Schneewittchen" kommt am 20. März in Deutschland und einen Tag später in den USA in die Kinos.
Rassistische Anfeindungen gegen Latina-"Schneewittchen"
Die ersten rassistischen Kommentare zum Film wurden bereits im Juni 2021 laut, als Rachel Zegler als Hauptdarstellerin vorgestellt wurde. Zegler, die 2021 ihr Filmdebüt in Steven Spielbergs Remake der "West Side Story" gab, hat kolumbianische und polnische Wurzeln. Man war empört über die Wahl einer Latina als Hauptdarstellerin.
Anstatt nach ihrer "Haut so weiß wie Schnee" benannt zu sein, so Zegler 2024 in einem Interview mit der Zeitschrift "Variety", beziehe sich Schneewittchens Name im neuen Film auf eine andere Version des Märchens. Darin überlebt das Mädchen als Baby einen Schneesturm. "Und so beschlossen der König und die Königin, sie Schneewittchen zu nennen, um sie an ihre Widerstandsfähigkeit zu erinnern", so Zegler.
Der Prinz - ein "Stalker"?
Eine weitere Neuerung besteht darin, dass mit der überholten Ansicht aufgeräumt wird, ein Mädchen könne nur durch eine Heirat - möglichst mit einem Prinzen - gerettet werden.
Moderne Schneewittchen wie Zegler sehen das anders. "Der ursprüngliche Zeichentrickfilm stammt aus dem Jahr 1937, das merkt man", kommentierte sie 2022. "Der Schwerpunkt liegt auf Schneewittchens Liebesgeschichte mit einem Kerl, der sie buchstäblich stalkt."
Der neue Film, so die Schauspielerin, konzentriere sich auf die "innere Reise", auf die Schneewittchen sich begebe, um ihr wahres Ich zu finden. "Und auf dem Weg trifft sie eine Menge Leute, die diese Reise wirklich unglaublich machen."
Diese Äußerungen der Hauptdarstellerin bestärkten die kritischen Stimmen, die eh bereits davon überzeugt waren, dass es sich um einen "woken" Film handeln würde.
Wie sollten die sieben Zwerge dargestellt werden?
Peter Dinklage, der preisgekrönte Schauspieler aus "Game of Thrones", feuerte 2022 mit einem Interview in Marc Marons "WTF"-Podcast eine weitere Debatte über "Schneewittchen" an. Er lobte Disney dafür, Schneewittchen mit einer Latina zu besetzen. Gleichzeitig war er der Meinung, dass es keinen Sinn mache, "in einer Hinsicht fortschrittlich" zu sein, aber dennoch eine "rückständige Geschichte über sieben Zwerge, die zusammen in einer Höhle leben" zu erzählen.
Dinklage, der selbst eine Form von Kleinwuchs hat, zählt zu den prominentesten Vertretern der Inklusion von Menschen mit Behinderung in Hollywood. Der Schauspieler lehnt stereotype Rollen ab, die oft für Darstellende aus der Gemeinschaft kleinwüchsiger Menschen reserviert sind.
Einen Tag nach dem Interview kündigte Disney an, Schneewittchens Co-Stars durch "magische Kreaturen" zu ersetzen, die computergeneriert wurden.
Viele kleinwüchsige Schauspieler bemängelten daraufhin, dies bedeute einen Verlust an potenziellen Rollen in einer großen Produktion. "Es ist wirklich nichts falsch daran, jemanden mit Kleinwuchs als Zwerg zu besetzen. Solange wir gleichberechtigt und mit Respekt behandelt werden, sind wir in der Regel mehr als glücklich, jede Rolle anzunehmen, die für uns geeignet ist", so Choon Tan, der als der "kleinste Bodybuilder Großbritanniens" bekannt ist. Er bezeichnete es als "absolut absurd und in gewisser Weise diskriminierend", dass der Film auf Computeranimation setzt. "Meiner Meinung nach versucht Disney zu sehr, politisch korrekt zu sein, aber damit schadet es unseren Karrieren."
Boykottaufrufe wegen der Besetzung von Gal Gadot
Als Disney 2024 den ersten "Schneewittchen"-Trailer veröffentlichte, gab es Aufrufe von BDS-Aktivisten, den Film wegen der Besetzung der Rolle der bösen Königin mit der israelischen Schauspielerin Gal Gadot (bekannt als "Wonder Woman") zu boykottieren.
Gadot hat seit den Terroranschlägen der Hamas am 7. Oktober 2023 ihre Unterstützung für Israel bekundet. Ihre Rede am 7. März auf dem jährlichen Gipfel der Anti-Defamation League (deutsch: Anti-Diffamierungsliga) konzentrierte sich auf die Notlage der Juden und den Anstieg von Antisemitismus rund um den Globus seit diesem Tag. Allerdings ging sie damals nicht ein einziges Mal darauf ein, dass die 17 Monate des darauf folgenden Krieges gegen die Hamas verheerende Auswirkungen auf die Palästinenser im Gazastreifen hatten.
Zegler wiederum hat bei der Promotion für den Film in den sozialen Medien den Hashtag #freePalestine gesetzt. Die gegensätzlichen politischen Ansichten von Gadot und Zegler schürten Gerüchte, die Stars seien zerstritten.
Unterschiedliche Varianten des Märchens gab es schon immer
Es gibt Leute, die darauf bestehen, dass Schneewittchens Haut so weiß wie Schnee sein soll und dass ihr einziger Weg zum Glück darin besteht, einen Prinzen zu heiraten - so wie sie es gewohnt sind. Bedenken sollte man jedoch, dass sich Disney in seiner Adaption des deutschen Märchens der Brüder Grimm aus dem Jahr 1937 bereits einige Freiheiten genommen hat.
Jacob und Wilhelm Grimm sammelten mündlich überlieferte Volksmärchen aus verschiedenen Quellen und stellten sie in ihren "Kinder- und Hausmärchen" zusammen, die erstmals 1812 veröffentlicht wurden. Sie nahmen auch Änderungen und Ergänzungen vor, bis sie 1857 ihre siebte Auflage erreichten, die 200 Märchen enthielt.
Ein großer Unterschied zu Disneys Version von 1937 besteht beispielsweise darin, dass Schneewittchen nicht vom Kuss des Prinzen erwacht. Vielmehr spuckt sie das vergiftete Apfelstück aus, als einer der Diener des Prinzen beim Transport des gläsernen Sarges stolpert und das Gleichgewicht verliert. In einer anderen Version ärgert sich der Diener des Prinzen so sehr darüber, dass er den gläsernen Sarg überallhin tragen muss, dass er dem scheinbar toten Mädchen auf den Rücken schlägt, wodurch das Apfelstück aus ihrer Kehle kommt.
Am Ende des Grimmschen Märchens muss die böse Königin rotglühende Eisenpantoffeln anziehen, in denen sie sich auf Schneewittchens Hochzeit zu Tode tanzen soll. Disneys Version von 1937 endet nicht mit einer solchen Folterszene. Stattdessen will die böse Stiefmutter die Zwerge mit einem Felsbrocken erschlagen. Doch ein Blitz schlägt in die Klippe ein, auf der sie steht - und sie stürzt in den Tod.
Adaption aus dem Englischen: Suzanne Cords