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Politik

Angst und Ratlosigkeit in Russe

Zdravka Andreeva
9. Oktober 2018

Nach der Ermordung der TV-Journalistin Viktoria Marinowa wirken die Menschen in der bulgarischen Stadt Russe ängstlich, geradezu paralysiert. Es gibt Zweifel, dass die Behörden das Verbrechen aufklären werden.

Bulgarien Gedenken Viktoria Marinowa in Ruse
Bild: picture-alliance/AP Photo/V. Ghirda

Von einem Gefühl der Freiheit ist auf dem "Freiheitsplatz" der bulgarischen Donaustadt Russe nichts zu spüren. Spricht man Passanten auf den brutalen Mord an der Journalistin Viktoria Marinowa an, blicken die meisten verunsichert umher. Eine Frau bringt ihre Sorge auf den Punkt: "Da läuft womöglich ein Mörder und Vergewaltiger frei umher."

Auf die Frage, wer Marinowa umgebracht hat, hat die lokale Polizeibehörde bisher nur eine unbefriedigende Antwort: "Wir arbeiten an allen möglichen Versionen." Inoffiziell heißt es, ein Bezug zu Marinowas journalistischer Tätigkeit sei eher unwahrscheinlich.

Aufklärung unerwünscht?

Die Menschen auf der Straße allerdings bleiben skeptisch. "Diese Aussage hören wir seit Jahren, wenn ein schweres Verbrechen geschieht", erklärt ein Mann. So sei das System in Bulgarien eben, die Verbrechen würden nicht aufgeklärt. "So ist es in diesem Land halt", fügt eine Frau in verzweifeltem Ton hinzu.

Ein bekannter Unternehmer aus Russe meint, die lokalen Medien seien gar nicht fähig, richtige Recherchen durchzuführen. "Noch weniger Frau Marinowa, die ja erst seit acht Monaten in diesem Beruf war", sagt er und relativiert sofort seine Aussage: Manchmal seien es gerade die Anfänger, die furchtlos gefährliche Themen anpackten.

Motiv unklar: Die Polizei ziehe alle Möglichkeiten in Betracht, heißt esBild: Reuters

Angst macht sich breit

Vor einer Wechselstube am Rande des Freiheitsplatzes fragt ein Passant: "Soll ich mir jetzt etwa Gedanken machen, wenn meine Frau und meine Tochter am helllichten Tage auf die Straße oder in den Park gehen?"

Mehrere Gesprächspartner äußern solche Sorgen. Die Menschen sind schockiert und kommentieren den schrecklichen Mord an der jungen Journalistin an allen Ecken und Winkeln der Stadt. Doch mit Namen möchte niemand erwähnt werden.

Marinowas Umfeld schweigt

Ein junger Mann, der mit Marinowa zusammen aufgewachsen ist, sagt, er habe regelrecht Angst, über den Mord zu sprechen. Warum? Auch darauf gibt er lieber keine Antwort.

Marinowas Arbeitgeber vom Fernsehsender TVN und von der Firma NetWorX verweigern jede Aussage. Ihre TV-Kollegen haben offiziell einen Maulkorb von der Geschäftsleitung erhalten. Auch wenn sie vielleicht am ehestens etwas Licht ins Dunkel bringen könnten. Sie dürfen sich nicht äußern. Auch die Familie möchte dazu nichts sagen. Nur eines beteuern alle, die sie gekannt haben, einstimmig: dass sie keine Feinde gehabt habe. Im Gegenteil, Viktoria Marinowa sei fröhlich gewesen und beliebt.

In Russe gedenken die Menschen der ermordeten Viktoria MarinowaBild: Reuters/D. Kyosemarliev