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Großbritannien unter Schock

Samira Shackle, London / cr16. Juni 2016

Fassungslosigkeit auf der britischen Insel: Nach dem tödlichen Angriff auf die Labour-Abgeordnete Jo Cox sind Politiker aller Parteien entsetzt. Der Wahlkampf um den Brexit gerät in den Hintergrund.

Großbritannien Angriff auf Labour-Politikerin Jo Cox. Foto: © Reuters/C. Brough
Bild: Reuters/C. Brough

Jo Cox war seit etwas mehr als einem Jahr Parlamentarierin, als sie in ihrem Wahlkreis in West Yorkshire angegriffen und ermordet wurde. Die 41-jährige Labour-Abgeordnete wurde von einem Mann mit einer Schusswaffe und einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Sie starb wenige Stunden nach der Tat.

Die Polizei bestätigte, dass ein 52-jähriger Mann in der Nähe des Tatorts festgenommen worden sei. Die Behörden überprüfen Zeugenaussagen, wonach der Mann während des Angriffs "Britain First" gerufen hatte. "Britain First" ist der Name eine rechtsradikalen Partei, die in der Vergangenheit mit der gewalttätigen Besetzung von Moscheen aufgefallen war. Die Partei bestreitet jegliche Verbindung zu dem Mord.

Cox' Kollegen im Parlament würdigten die Politikerin. Labour-Chef Jeremy Corbyn lobte Cox für ihre Arbeit im Staatsdienst und "ihres großes Engagement für Menschlichkeit". Premierminister David Cameron schrieb auf Twitter: "Wir haben einen großen Stern verloren."

Tom Watson, stellvertretender Vorsitzender von Labour, drückte ebenfalls seine tiefe Trauer aus. "Es ist schwer zu verstehen, wie uns eine mitfühlende, prinzipientreue und schöne Person auf so grausame Weise genommen werden konnte. Es ist besonders verstörend, weil sie gerade das tat, was sie am besten kann – ihren Wählern dienen."

Cox war 2015 ins Unterhaus gewählt worden. Zuvor hatte sie Karriere in der Entwicklungshilfe gemacht. Ihr Job hatte sie in die gefährlichsten Länder der Welt geführt. Vor ihrer Tätigkeit als Abgeordnete war sie in führender Position bei der Hilfsorganisation Oxfam. "Jo war eine brilliante, engagierte Aktivistin für soziale Gerechtigkeit mit grenzenloser Energie und Freundlichkeit. Sie hat viel für Oxfam getan", sagt Max Lawson, Chef für öffentliche Kampagnen bei Oxfam und ehemaliger Kollege von Cox.

Cox arbeitete zudem für Sarah Brown, Ehefrau des ehemaligen Premierministers Gordon Brown. Cox war Beraterin für Gesundheitskampagnen für Frauen und Kinder. "Jo kümmerte sich um jeden, aber sie hielt einen Platz in ihrem Herzen für die schwächsten und ärmsten Menschen dieser Welt frei", sagte Brown. "Sie war furchtlos, sie war unendlich optimistisch und sie hat viele Menschen überzeugt, ihren Weg mitzugehen. Es war ihre Mission, die Welt zu einem besseren Ort zu machen."

Politische Spannungen

Kurz vor dem Referendum über einen Austritt aus der EU herrscht im Vereinigten Königreich ein aufgeheizter Wahlkampf. Nach der Attacke auf Cox teilten sowohl das Pro- als auch das Anti-Brexitlager mit, ihre Kampagnen für einen Tag auszusetzen. In den vergangenen Wochen hatte Cox mit großer Hingabe für einen Verbleib Großbritanniens in der EU gekämpft.

Jo Cox wurde in ihrem Wahlkreis angegriffen, sie erlag später ihren Schuss- und StichverletzungenBild: picture-alliance/empics/Y. Mok

Bei ihrer ersten Rede im Parlament sprach sich Cox leidenschaftlich für Einwanderung aus: "unsere Gemeinden sind durch Einwanderung massiv gestärkt worden, sei es durch katholische Iren oder Muslime aus Gujarat in Indien oder aus Pakistan. Was mich immer wieder überrascht, wenn ich durch den Wahlkreis reise, ist, dass wir viel einiger sind und viel mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes haben."

Aufgehender Stern

Nach ihrem Einzug ins Parlament hinterließ Cox schon bald die ersten Spuren. Sie kämpfte für einen Staat Palästina und war stellvertretende Vorsitzende der Parlamentarischen Gruppe für Syrien. Als Labour-Chef Corbyn sich gegen eine militärische Intervention stellte, argumentierte Cox, in diesem Fall sei ein Eigreifen aus humanitären Gründen gerechtfertigt.

Politiker des gesamten Spektrums zollten Cox Respekt. "Dies ist eine entsetzliche Tat und mein Herz ist mit Jo Cox' Ehemann Brandan, ihren beiden Kindern, ihrer Familie und ihren Freunden", sagte Innenministerin Theresa May. "Der Schmerz, den sie erleiden, ist unvorstellbar und unsere Gedanken sind mit ihnen in dieser schrecklichen Zeit." Zu den polizeilichen Ermittlungen in dem Fall wollte May nichts sagen.

In London lebte Cox mit ihrer Familie auf einem Hausboot auf der Themse. An diesem Wochenende planten sie eine Sommerparty mit 100 Gästen.

Ihr Ehemann Brendan Cox veröffentlichte eine kurze Mitteilung: "Jo glaubte an eine bessere Welt und sie kämpfte dafür jeden Tag ihres Daseins mit so viel Energie und Begeisterung für das Leben, dass es andere Menschen erschöpft hätte. Sie hätte jetzt zwei Dinge ganz besonders gewollt: Erstens, dass unsere tollen Kinder in Liebe gebadet werden und zweitens, dass wir alle gemeinsam gegen den Hass kämpfen, der meine Frau getötet hat. Hass hat kein Bekenntnis, keine Rasse, keine Religion. Er ist Gift. Jo hätte in ihrem Leben nichts bereut. Sie hat jeden Tag voll gelebt."

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