1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Vatikan: Was kommt nach der Entschuldigung?

Victoria Dannemann
13. April 2018

Die Entschuldigung des Papstes im chilenischen Missbrauchsskandal wird im Land positiv aufgenommen. Doch jetzt sind konkrete Maßnahmen gefragt, sagt der Sprecher der chilenischen Laiengruppe "Laicos de Osorno".

Vatikan Papst Franziskus
Bild: Getty Images/AFP/T. Fabi

Papst Franziskus hat "schwere Fehler" im Umgang mit dem Missbrauchsskandal in der chilenischen katholischen Kirche eingeräumt. Während seiner Chile-Reise im Januar hatte er Juan Barrios, den umstrittenen Bischof von Osorno, noch in Schutz genommen. Dieser hatte ihn auch auf mehreren Gottesdiensten im Land begleitet. In einem sechsseitigen Brief bat der Papst nun alle um Vergebung, die er "beleidigt" habe.

Darüber hinaus zitiert er in dem Schreiben 32 chilenische Bischöfe zu einem Krisentreffen nach Rom. Die Aufarbeitung betrifft vor allem den Bischof von Osorno. Er soll von den sexuellen Vergehen des Priesters Fernando Karadima gewusst und sie vertuscht haben. Karadima wurde 2011 wegen Missbrauchs verurteilt. Die Laiengruppe von Osorno (Laicos de Osorno) zählt zu den schärfsten Kritikern des umstrittenen Bischofs.  

"Der Brief von Papst Franziskus entwirft eine günstige Grundlage, aber solange wir keine konkreten Maßnahmen sehen, die mit diesen Worten der Reue in Einklang stehen, können wir der Bitte des Papstes um Vergebung nicht entsprechen", sagt Juan Carlos Claret, Sprecher der Laiengruppe "Laicos de Osorno" im Gespräch mit DW.

 

Deutsche Welle: Entspricht der Brief des Papstes den Erwartungen der Opfer und Kritiker von Bischof Barrios?

Juan Carlos Claret: Der Brief weist drei bemerkenswerte Elemente auf. Zum einen, die Bitte um Vergebung. Hier zeigt sich, dass sich die Einstellung uns gegenüber geändert hat. Wir sind nicht länger Idioten oder Verleumder, sondern Menschen die Gerechtigkeit beanspruchen. Zweitens klingt es vielversprechend, dass der Umfang der strafbaren Handlung nicht nur auf den sexuellen Missbrauch beschränkt ist, sondern auch Machtmissbrauch und die geistige Manipulation der Opfer einschließt. Schlussendlich fordert er dazu auf, den Opfern Glauben zu schenken. Gerade das chilenische Episkopat hatte die Glaubwürdigkeit der Opfer in Frage gestellt und eine Aufklärung und Aufarbeitung verhindert.

Gibt es auch Punkte, die Sie enttäuscht haben?

Es gibt zwei Leerstellen im Brief des Papstes. Er nennt die Dinge nicht beim Namen und sollte nicht von Sünden, sondern von Verbrechen reden, die aufgeklärt und bestraft werden müssen. Es fehlt außerdem eine konkrete Entscheidung was im Falle des Bischofs Juan Barrios geschehen soll.

Papst Franziskus kann aber nicht als Richter fungieren, sondern nur als Oberhaupt der Kirche?

Die Situation ist nicht ideal. Diese Verbrechen hätten vor einem Gericht verhandelt werden müssen. Leider hat der chilenische Staat eine sehr schlechte Gesetzgebung in Bezug auf Missbrauch, da die Straftaten meist nach wenigen Jahren verjähren. Gerechtigkeit einzufordern, fällt da sehr schwer.

Vertreter der Laiengruppe "Laicos de Osorno". Juan Carlos Claret ist der Zweite von rechtsBild: Privat

Welche Erwartungen haben Sie an das Krisentreffen mit allen chilenischen Bischöfen in Rom?

Wir befürworten eine Bischofssynode auf der die Missstände offen angesprochen werden, sehen aber auch die Gefahr, dass dies zur Straflosigkeit von Bischöfen wie Juan Barrios führen kann, die von Karadima ausgebildet wurden. Wir haben kein großes Vertrauen in das was die chilenischen Bischöfe da sagen werden. Es wäre hilfreich, wenn sie ihre Position vor dem Treffen öffentlich machen würden.

Denken Sie, dass dieses Treffen in Rom auch zu Konsequenzen für Bischoff Barrios und andere mit Karadima assoziierte Bischöfe führen könnte?

In seinem Brief schlägt der Papst ein viel ehrgeizigeres Ziel vor. Der Brief richtet sich nicht an die Gemeinde von Osorno oder die Opfer von Karadima, sondern an alle Bischöfe und soll das Vertrauen in die Kirche in der chilenischen Gesellschaft wiederherstellen. Das geht weit über den Fall Barrios hinaus. Sollte man Barrios und andere Verantwortliche aus ihren Ämtern und Würden entfernen, ist das grundsätzliche Problem ja nicht gelöst. Es sind institutionelle Veränderungen nötig. Denn Missbrauch, Vertuschung und Mittäterschaft können sich nur ungestraft und systematisch entfalten, wenn die institutionellen Gegebenheiten in Kirche und Staat dies zulassen.

Was muss sich konkret ändern?

Die Kirche muss relevante Informationen für strafrechtliche Ermittlungen an die Gerichte übermitteln. Diese Ermittlungen müssen auch von unabhängigen Sachverständigen durchgeführt werden und nicht von Personen, die mit den Verbrechen in Verbindung gebracht oder angeklagt werden könnten. Der chilenische Staat könnte gesetzlich viel dazu beitragen, die Rechte der Opfer zu stärken und auch Freiräume der Protektion und des Vertrauens innerhalb der Kirche zu schaffen.

Trägt der Brief des Papstes dazu bei, das beschädigte Verhältnis der chilenischen Bevölkerung zur katholischen Kirche wiederherzustellen?

Nicht ganz. Es ist ein Schritt nach vorne, aber wenn er nicht von entsprechenden Maßnahmen begleitet wird, könnte sich der Konflikt sogar verschärfen. Wir warten jetzt seine Entscheidungen ab. Und wir hoffen, dass sie mit der von ihm geäußerten Reue übereinstimmen.

 

Juan Carlos Claret ist Sprecher der Laiengruppe von Osorno (Laicos de Osorno) zählt zu den schärfsten Kritikern des umstrittenen Bischofs Juan Barrios.  

Das Interview führte Viktoria Dannemann.

 

Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen