Die NBA-Basketballer der Milwaukee Bucks setzen ein klares Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt: Sie verzichten auf ihr Playoff-Spiel gegen Orlando und lösen eine beispiellose Boykottwelle im US-Sport aus.
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Seit sie die unterbrochene NBA-Saison abgeschottet in der "Bubble" von Disney World wieder aufgenommen haben, tragen alle Spieler stets T-Shirts mit dem Schriftzug "Black Lives Matter", wenn sie auf der Auswechselbank sitzen. Auf der Rückseite ihrer Trikots sind nicht nur ihre Namen zu lesen, sondern Statements wie "Enough", "I can't breath", "Equality" oder "I am a man".
Viele Profis der besten Basketball-Liga der Welt hatten schon in der Corona-Pause an öffentlichen Protestaktionen teilgenommen, die als Reaktion auf den Tod von George Floyd am 25. Mai in Minneapolis im ganzen Land veranstaltet wurden. Nach der Wiederaufnahme der Saison demonstrierten sie ihre Haltung auch während der Spiele, die in Sporthallen auf dem Gelände von Disney World in Orlando ausgetragen werden. Nun haben sie diesen Protest auf eine noch höhere Stufe gehoben.
Als Reaktion auf die jüngste Gewalttat von Polizisten gegen einen Afroamerikaner kamen die Spieler der Milwaukee Bucks um Star-Spieler Giannis Antetokounmpo am Mittwochabend gar nicht erst aufs Spielfeld. Am vergangenen Sonntag hatten Polizisten den Afroamerikaner Jacob Blake bei einer Kontrolle sieben Mal in den Rücken geschossen. Der Tatort Kenosha im US-Bundesstaat Wisconsin ist weniger als eine Stunde entfernt von Milwaukee. Das geplante fünfte Playoff-Duell mit den Orlando Magic fand nicht statt. Zwar waren die Magic-Spieler schon zum Aufwärmen auf dem Feld erschienen, zogen sich aber bald ebenfalls zurück.
"Wir haben die Morde und die Ungerechtigkeit satt", wird Bucks-Spieler George Hill auf der Website "The Undefeated" zitiert. In der Folge des Bucks-Boykotts sagte die NBA auch die weiteren beiden Begegnungen des Tages ab - das der Los Angeles Lakers gegen die Portland Trail Blazers und die Partie Oklahoma City Thunder gegen die Houston Rockets. Die Partien sollen neu angesetzt werden, teilte die NBA mit.
Protestwelle im gesamten US-Sport
"Scheiß darauf, Mann. Wir verlangen Veränderung. Krank davon", schrieb Lakers-Superstar LeBron James in Großbuchstaben und mit vielen Ausrufezeichen versehen auf Twitter. "Wir verlangen Veränderung", twitterte Donovan Mitchell von den Utah Jazz, verbunden mit einer Respektsbekundung an die Bucks. Auch Profis der American-Football-Liga NFL äußerten sich in den sozialen Netzwerken mit Respekt und Zustimmung für die Haltung.
Tennis-Star Naomi Osaka folgte dem Beispiel der Basketballer und zog sich aus Protest gegen Polizeigewalt von den Southern & Western Open zurück. Die Japanerin hätte am Donnerstag im Halbfinale gegen die Belgierin Elise Mertens spielen sollen. "Als schwarze Frau habe ich das Gefühl, dass es viel wichtigere Dinge gibt, die sofortige Aufmerksamkeit erfordern, als mir beim Tennisspielen zuzuschauen", sagte Osaka: "Ich gehe nicht davon aus, dass etwas Drastisches passiert, wenn ich nicht spiele. Aber wenn ich in einem mehrheitlich weißen Sport eine Diskussion in Gang bringen kann, betrachte ich das als einen Schritt in die richtige Richtung." Später wurden alle für Donnerstag geplanten Partien bei der Generalprobe für die US Open abgesagt.
Die Brewers, das Team der Major League Baseball (MLB) aus dem rund 55 Kilometer nördlich von Kenosha gelegenen Milwaukee, taten es den Bucks gleich und weigerten sich, gegen die Cincinnati Reds zu spielen. Danach wurden drei weitere Spiele verschoben. Auch die Profifußball-Liga MLS schloss sich an: Fünf der sechs angesetzten Partien wurden abgesagt. Die Frauen-Basketballiga WNBA setzte ebenfalls Spiele aus, lediglich die Eishockey-Liga NHL spielte weiter.
Auch am Donnerstag könnten die Proteste weitere Auswirkungen auf den Playoff-Spielplan der NBA haben. Spieler der Boston Celtics um den deutschen Nationalspieler Daniel Theis und der Toronto Raptors hatten bereits öffentlich über einen zur Debatte stehenden Boykott ihres ersten Duells in der zweiten Playoff-Runde gesprochen. Raptors-Trainer Nick Nurse erklärte, dass seine Spieler mit den Spielern der Boston Celtics darüber diskutieren würden, nicht zum Viertelfinale gegeneinander anzutreten. "Es gibt die Idee", sagte Nurse, "es gibt aber auch noch einige andere." Schon am Dienstag hatte Raptors-Aufbauspieler Fred VanVleet von solchen Diskussionen berichtet. "Ich weiß, dass es nicht so einfach ist. Aber am Ende des Tages, wenn wir hier sitzen und über Veränderungen reden, müssen wir irgendwann Eier zeigen", sagte VanVleet.
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Schüsse in den Rücken
Der 29 Jahre alte Familienvater Jacob Blake war am Sonntag durch Schüsse der Polizei in seinen Rücken schwer verletzt worden. Auf einem Video ist zu sehen, wie Blake zu seinem Auto geht, gefolgt von zwei Polizisten mit gezogenen Waffen. Eine der Waffen ist auf seinen Rücken gerichtet. Als Blake die Fahrertür öffnet und sich ins Auto beugt, fallen Schüsse. Nach Angaben des Anwalts der Familie, Ben Crump, saßen in dem Auto Blakes Kinder im Alter von drei, fünf und acht Jahren. Nach Angaben von Blakes Vater und des Anwalts ist er infolge der Schüsse von der Hüfte abwärts gelähmt.
Nach den Polizeischüssen auf den Schwarzen Jacob Blake boykottieren die Teams der großen US-Ligen NBA, MLB und MLS geplante Spiele. Die "Black Lives Matter"-Bewegung ist seit Monaten auch im Sport präsent.
Bild: Imago Images/Zuma/Espn2
US-Sport steht weitgehend still
Aus Protest gegen die Polizeischüsse auf den Schwarzen Jacob Blake in der US-Stadt Kenosha boykottieren die Teams der nordamerikanischen Baskettball-Profiliga NBA ihre ursprünglich geplanten Spiele. Auch in der Major League Baseball wird aus Protest nicht gespielt.
Bild: Reuters/USA TODAY Sports/Kevin C. Cox
Sieben Löcher
Die Basketballerinnen der Profiliga WNBA schließen sich der Aktion ebenfalls an. Sie tragen T-Shirts, auf deren Rückseite sieben Einschusslöcher gedruckt sind. So oft wurde Jacob Blake von Kugeln in den Rücken getroffen.
Bild: Imago Images/Zuma/Espn2
Fünf Fußballspiele gestrichen
Nachdem das erste Spiel in der Major League Soccer (MLS) noch planmäßig ausgetragen worden ist, werden die restlichen fünf angesetzten Begegnungen ebenfalls gestrichen. Die MLS-Profis haben bereits Anfang Juli bei der Wiederaufnahme des Spielbetriebs ein deutliches Zeichen für "Black Lives Matter" (Bild) gesetzt.
Bild: Getty Images/M. Ehrmann
NHL zieht nach
Auch die Spieler der Eishockey-Profiliga NHL lassen den Puck vorübergehend ruhen. Die Playoff-Spiele in Kanada werden daraufhin um zwei Tage verschoben. "Das hier ist eine viel stärkere Botschaft als alles, was ein oder zwei Spieler auf dem Eis machen könnten", sagt Ryan Reaves von den Vegas Golden Knights. Die Verantwortlichen der NHL unterstützen die Aktion.
Bild: picture-alliance/empics/J. McIntosh
Osaka boykottiert WTA-Turnier
"Als schwarze Frau habe ich das Gefühl, dass es viel wichtigere Dinge gibt, die sofortige Aufmerksamkeit erfordern, als mir beim Tennisspielen zuzuschauen", sagt Japans Tennisstar Naomi Osaka. Die zweimalige Grand-Slam-Turniersiegerin zieht sich aus dem WTA-Turnier in New York zurück. Daraufhin werden alle Spiele des Tages abgesagt. Später erklärt sich Osaka bereit, das Turnier fortzusetzen.
Bild: picture-alliance/AP Photo/F. Franklin II
"Black Lives Matter"-Shirts
Bereits seit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs demonstriert die NBA geschlossen ihre Solidarität für die "Black Lives Matter"-Bewegung. Alle Beteiligten außerhalb des Spielfelds tragen T-Shirts oder Pullover mit entsprechenden Aufdrucken - und knien vor Anpfiff nieder. Basketball Superstar LeBron James (2.v.r.) zeigt zum Himmel, um an die bei Polizei-Aktionen getöteten Schwarzen zu erinnern.
Bild: picture-alliance/AP Photo/K. C. Cox
Späte Erkenntnis der NFL
Urvater des "Take a knee" ist Football-Profi Colin Kaepernick (2.v.r.), der sich vor vier Jahren erstmals während der Nationalhymne hinkniet, um gegen Polizeigewalt gegen Schwarze zu protestieren. US-Präsident Donald Trump tobt, Kaepernick verliert wenig später seinen Job. "Ich wünschte, wir hätten früher zugehört, Kaep", entschuldigt sich NFL-Boss Roger Goodell vier Jahre später.
Bild: picture-alliance/dpa/M. J. Sanchez
Bundesliga gegen Rassismus
Nach dem Tod des Schwarzen George Floyd nach einer Polizeiaktion in Mínneapolis Ende Mai schwappt die "Black Lives Matter"-Bewegung auch auf den Sport außerhalb der USA über. Die Bundesliga-Profis - wie hier Thomas Müller (l.) und Alphonso Davies vom FC Bayern vor dem Spiel Anfang Juni bei Bayer 04 Leverkusen - bekunden ihre Solidarität.
Bild: picture-alliance/R. Ibing
Torjubel auf den Knien
Nicole Anyomi von der SGS Essen bejubelt ihr Tor im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen den 1. FFC Turbine mit der Kaepernick-Pose. "Wir sind jetzt im Jahr 2020, und es herrschen immer noch Rassismus und Ungerechtigkeit", sagt Anyomi der DW. "Wir müssen unsere Stimme erheben und etwas dagegen sagen. Du kannst nicht, wenn etwas passiert, danebenstehen, zuschauen und nichts sagen."
Bild: Imago Images//M. Koch
Premier League unterstützt "Black Lives Matter"
100 Tage dauert die Corona-Pause der englische Premier League. Als die Fußballprofis wieder zu "Geisterspielen" auflaufen dürfen, setzen auch sie - wie hier beim Spiel zwischen Aston Villa und Sheffield United - ein deutliches Zeichen gegen Rassismus.
Bild: Getty Images/AFP/C. Recine
Auch Cricket macht keine Ausnahme
Auch in vielen anderen Sportarten gibt es weltweit Protestaktionen gegen Polizeigewalt gegen Schwarze. Das Cricketteam der Westindischen Inseln in der Karibik kniet vor dem Test in Manchester gegen England nieder.
Bild: picture-alliance/empics/NMC/M. Steele
"Wir brauchen euch als Anti-Rassisten"
Formel-1- Weltmeister Lewis Hamilton wird nicht müde, seine Kollegen daran zu erinnern, dass Solidaritätsaktionen - wie hier vor dem Grand Prix in Silverstone - zu wenig sind. "Euer Schweigen ist immer noch ohrenbetäubend", sagt Hamilton. "Vielleicht seid ihr nicht rassistisch in eurem Schweigen, aber wir brauchen euch als Anti-Rassisten." Hamiltons Mercedes-Team fährt in dieser Saison in Schwarz.
Bild: Reuters/B. Lennon
In der Stunde des Triple-Triumphs
Als der FC Bayern die Champions League gewinnt und damit das Triple perfekt macht, nutzt Verteidiger David Alaba (l.) die Gelegenheit zu einem sowohl religiösen als auch politischen Statement. Vorne auf seinem T-Shirt steht "Meine Kraft liegt in Jesus", hinten "Black Lives Still Matter".