Dass ein weißer Amerikaner eine indischstämmige Zeichentrickfigur mit übertriebenem Akzent spricht, hat in den USA für Kritik gesorgt. Hank Azaria legt angesichts anhaltender Rassismusvorwürfe die Rolle des Apu nieder.
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Vom Umgang mit rassistischen Inhalten
Manchmal bedarf es nur kleiner Änderungen, um rassistische Formulierungen aus Buch- oder Filmklassikern zu entfernen. Doch meist ist es eine knifflige Angelegenheit, wie unsere Beispiele zeigen.
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Apu - 'Die Simpsons' (seit 1989)
Apu ist ein aus Indien in die USA eingewanderter Bewohner des fiktiven Orts Springfield in der Comicserie "Die Simpsons". Seit dem Serienstart vor 30 Jahren betreibt er dort einen Laden. Was nun aus Apu wird, ist derzeit fraglich. Der stark übertriebene Akzent des weißen US-Sprechers Hank Azaria steht seit zwei Jahren in der Kritik. Aufgrund der Rassismusvorwürfe warf er seine Rolle jetzt hin.
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'Die Kleine Hexe' (1957)
Dieser Kinderbuch-Klassiker von Otfried Preußler kam 2013 auf den Prüfstand, der diskriminierende Begriff "Neger" wurde vom Thienemann Verlag gestrichen. Der Autor hat übrigens selbst unzählige Male in seine Texte eingegriffen und an die geänderten Zeiten angepasst. "Was du für Kinder schreibst“, so lautete seine Maxime, "musst du vor deinem Gewissen für Menschenkinder verantworten können.“
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'Das kleine Gespenst' (1966)
Der Stuttgarter Thienemann Verlag hatte entschieden, auch andere deutsche Kinder- und Jugendbuch-Klassiker von Otfried Preußler zu überarbeiten. Darunter "Der Räuber Hotzenplotz" (1962) und "Das kleine Gespenst" (1966). Eine nicht-diskriminierende Beschreibung suchte die Lektorin beispielsweise für die Szene, in der das kleine Gespenst im Sonnenlicht schwarz wird.
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'Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer' (1960)
Experten sehen in Michael Endes populärem Kinderbuch eine Allegorie, die sich gegen die Nazi-Ideologie richtet. Zeit seines Lebens hat der Autor sein Buch aktualisiert. "China" wurde so zum fiktiven Land namens Mandala. Allerdings enthält auch die jüngste Version der Geschichte noch den Begriff "Neger" - womit der schwarze Junge in der Erzählung gemeint ist.
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'Pippi Langstrumpf' (ab 1945)
Aus der englischen Version von Astrid Lindgrens Buch wurde das Wort "negro" bereits in den 1950er Jahren verbannt. Die deutsche Übersetzung wurde in den 1990ern zwar überarbeitet, enthielt aber weiterhin den fraglichen Begriff - allerdings immerhin mit einer Fußnote versehen, dass er überholt sei. 2009 wurden dann alle Erwähnungen von Pippis Papa als "Negerkönig" durch "Südseekönig" ersetzt.
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'Doktor Dolittle und seine Tiere' (1920)
Hugh Loftings Klassiker wurde für die 1988 erschienene englische Ausgabe überarbeitet. Doktor Dolittle kommt seither nicht mehr aus dem "Land der weißen Männer", sondern aus dem "Land der Europäer." Wird der "König der Jolliginki" erwähnt, dann ohne Hautfarbe. Trotz dieser Bemühungen spiegelt sich die koloniale Sichtweise der 1920er Jahre immer noch in der Handlung und den Charakteren wider.
'Charlie und die Schokoladenfabrik' (1964)
In der ursprünglichen Version von Roald Dahl werden die Oompa-Loompas - kleine Menschen, die in Willy Wonkas Schokoladenfabrik arbeiten - als afrikanische Pygmäen beschrieben. In der Buchversion von 1973 kommen sie aus dem fiktiven "Loompaland". Im Film von 1971 (Foto), wurden sie von Kleinwüchsigen gespielt und als surreale Kreaturen mit orangefarbener Haut und grünen Haaren dargestellt.
Bild: Imago/Zuma Press
'Und dann gab's keines mehr' (1939)
"Zehn kleine Negerlein" hieß Agatha Christies Meisterwerk in der ursprünglichen britischen Version. Der Plot des Krimis lehnt sich an das gleichnamigen Lied an. Aus Rücksicht auf den afroamerikanischen Teil der Bevölkerung entschied man sich in den USA von Anfang an für die letzten fünf Worte des Lieds als Titel. 'Und dann gab's keines mehr'. In Deutschland wurde das Buch erst 2002 umbenannt.
'Tim und Struppi im Kongo' (1946)
Der Comic des belgischen Zeichners Hergé erschien zunächst 1930/31 als Fortsetzungsgeschichte, 1946 kam eine kolorierte Fassung auf den Markt. Bei aller Naivität der Darstellung spiegelt sich der der rassistische Ungeist der Zeit wider. Der Band wurde stark kritisiert; 2012 gab es sogar den Versuch, ihn verbieten zu lassen. In der englischen Ausgabe erklärt ein Zusatz den historischen Kontext.
Bild: picture-alliance/dpa
'Die Abenteuer des Huckleberry Finn' (1884)
Als antirassistische Satire gilt Mark Twains Kultklassiker. Es ist eines der ersten amerikanischen Werke, das Umgangssprache enthält - und viele derbe Ausdrücke. Das Wort "nigger" - in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine übliche rassische Beleidigung - wird im Buch über 200 Mal verwendet. Eine Version von 2011 ersetzt das Wort durch "Sklave". Kritiker befürchten die Reinwaschung der Klassiker.
Bild: Majestic/Tom Trambow
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Hank Azaria, ein US-amerikanischer Schauspieler mit griechisch-jüdischen Wurzeln, lieh 30 Jahre der indischstämmigen Zeichentrickfigur Apu Nahasapeemapetilon in der Comic-Kultserie "Die Simpsons" seine Stimme. Apu ist Besitzer des Supermarks Kwik-E-Mart und Vater von acht Kindern. Er lebt im fiktiven Springfield, der Stadt, in der "Die Simpsons" spielen. Durch den Dokumentarfilm "The problem with Apu" (Das Problem mit Apu) aus der Feder von Hari Kondabolu sah sich diese Konstellation aus weißem Sprecher und farbiger Zeichentrickfigur vor zwei Jahren erstmals lautstarker Kritik ausgesetzt.
Der amerikanische Comedian Hari Kondabolu, der selbst indische Wurzeln hat, reibt sich am starken Akzent, mit dem der indischstämmige Apu spricht. Die Darstellung dieses Vertreters einer südasiatischen Minderheit in den USA, wo die Simpsons angesiedelt sind, ist dabei Ausgangspunkt der übergeordneten Frage, wie Medien bestehende Stereotype verstärken. Der Film unter Regie von Michael Melamedoff löste eine größere Debatte zum Thema in Amerika aus. Ausländisch klingende Akzente nachzuahmen, ist für viele als kulturelle Aneignung ein Tabu.
Die anhaltende Debatte hat vermutlich nun dazu geführt, dass Schauspieler Azaria die Rolle des Apu, der zu den Bewohnern des fiktiven Springfield gehört, nicht weiter ausüben möchte. Wie er in einem Interview, das auf dem amerikanischen Blog "/film" veröffentlicht wurde, angekündigt hat, quittiert er diese Rolle nun. "Wir haben die Entscheidung alle gemeinsam getroffen", betonte Azaria. "Wir glauben alle, dass es die richtige Sache ist". Azaria spricht nach wie vor weitere Rollen innerhalb der Zeichentrickserie. Beispielsweise leiht er seine Stimme dem namenlosen Comicbuch-Verkäufer, dem Restaurantbesitzer Luigi Risotto und Dr. Nick Riviera.
Wie geht es weiter mit Apu?
Ob Azarias Rückzug gleichzeitig das Aus der Figur Apu bedeutet, ist noch unklar. Möglich ist, dass Apu ganz aus der Serie verschwindet oder aber einen neuen Sprecher bekommt. Ein offizielles Statement der Produzenten oder von Fox Broadcasting Co. gibt es dazu noch nicht. Kondabolu schlägt auf Twitter vor, talentierte Schreiber die Rolle künftig interessant ausgestalten zu lassen. Auf jeden Fall hofft er, dass Apu weiter zu Springfield gehören wird. Falls nein, fürchtet er Morddrohungen.
Trotz seiner Kritik an der Serie outet sich Kondabolu als Fan der Simpsons. Sollte der Charakter des Apu künftig wegfallen, ist fraglich, was mit weiteren überzeichneten Figuren innerhalb der Simpsons-Welt passiert. Genannt seien Anthony D'Amico, bekannt als "Fat Tony" - Anführer der Mafiosi in Springfield - und der "Bienenmann" Pedro Chespirito - ein TV-Produzent, der in einem mexikanisch geprägten Spanisch lediglich knappe Sätze raushaut.
Reaktionen der Macher auf die Kritik
Als durch die Dokumentation "The problem with Apu" Rassismusvorwürfe an den Simpsons laut wurden, reagierten die Macher. Politische Inkorrektheit wurde zum Thema. So sprechen in einer Folge zwei der Hauptcharaktere, Mutter Marge und Tochter Lisa Simpson, über beleidigende und rassistisch klingende Buchpassagen. Diese sind Teil eines alten Werks, das Marge noch aus Kindertagen kennt. Die Idee der Mutter ist, die alten Zeilen in die heutige Zeit zu übertragen. Dass die Thematisierung auf die Apu-Kontroverse zurückgeht, zeigt sich daran, dass der Ladenbesitzer indischer Herkunft unmittelbar danach einen Auftritt hat.
Die Simpsons gibt es seit 1989; im deutschen Fernsehen laufen sie auf ProSieben. Die Serie ist bekannt für ihren schonungslosen Blick auf die amerikanische Gesellschaft, für ihren Humor, der nicht jeder und jedem zusagt und für ihre Parodien auf die Popkultur. Zahlreiche Stars hatten bereits einen Gastauftritt bei den Simpsons - etwa Stephen Hawking oder Paul McCartney. Der US-Sender Fox hat die 32. Staffel in Auftrag gegeben. Sie befindet sich derzeit in Produktion.