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Politik

Wie in Kiew der Wiederaufbau vorankommt

14. September 2022

Während russischer Raketenangriffe wurden in der Hauptstadt der Ukraine auch Wohngebäude beschädigt, die nun wieder aufgebaut werden. DW-Reporter Oleksandr Kunyzkyj hat Baustellen besucht und mit Betroffenen gesprochen.

Blick auf Bäume durch ein zerstörtes Hausfenster
Blick aus dem Fenster eines zerstörten Wohnhauses in KiewBild: Askon

"Die Bauarbeiter machen ihren Job sehr gut. Sie schuften sieben Tage die Woche", sagt Tamara Herasymenko, Bewohnerin eines 16-stöckigen Gebäudes in der Tschernobyl-Straße am westlichen Stadtrand von Kiew. Zusammen mit mehreren anderen Bewohnern des Hauses ist sie gekommen, um zu sehen, wie weit die Arbeiten fortgeschritten sind.

Am Morgen des 15. März schlug eine russische Rakete in das Hochhaus ein und richtete großen Schaden an. Getroffen wurde auch eine Gasleitung, die in die oberen Stockwerke führt. So kam es schnell zu einem Großbrand. 76 von 126 Wohnungen brannten völlig aus, die restlichen nahmen durch Löschwasser und Ruß Schaden. Ein Drittel der Bewohner sei damals zuhause gewesen, erinnert sich Herasymenko. Den Rettungskräften sei es gelungen, mehr als 40 Menschen zu evakuieren, doch vier Personen seien ums Leben gekommen.

Das Haus in der Tschernobyl-Straße nach dem Raketenbeschuss am 15. März 2022Bild: State Emergency Service of Ukraine/REUTERS

Seitdem haben die Menschen kein eigenes Dach über dem Kopf. "Manche mieten sich vorübergehend eine Wohnung, einige sind bei Verwandten untergekommen und andere sind im Ausland. Ich habe eine Wohnung hier in Kiew gemietet", sagt die Frau und fügt hinzu, alle Bewohner würden gerne schnellstmöglich in die eigenen vier Wände zurückkehren.

"Daran arbeiten täglich rund 100 Bauarbeiter", erzählt Denys Titow, Projektleiter beim Unternehmen "Askon", das sich um den Wiederaufbau des Hauses kümmert. "Wir denken, dass wir es rechtzeitig bis zum Beginn der Heizperiode Mitte Oktober oder November schaffen", betont er und räumt aber ein, dass es kriegsbedingt Verzögerungen bei der Lieferung von Baumaterial gibt.

Wohngebäude mit spezieller Bauweise

Das Unternehmen "Askon" begann Anfang April mit den Arbeiten, nachdem eine Prüfung der Statik eine weitere Nutzung des Gebäudes erlaubte. "Anfangs sagten die Bewohner, sie würden hier nicht mehr wohnen wollen. Der Schaden schien zu groß zu sein. Aber dieses Gebäude wird noch lange stehen", sagt Titow.

Denys Titow leitet den WiederaufbauBild: Oleksandr Kunytskyi/DW

Er ist sich sicher, dass der Wohnblock dank einer speziellen Bauweise dem heftigen Raketeneinschlag standhielt. "Es war Glück, dass gerade dieses Haus erdbebensicher gebaut wurde. Davon gibt es in ganz Kiew nur 30. Wäre dies nicht der Fall gewesen, dann wären die Folgen viel schlimmer und man hätte das Gebäude abreißen müssen", so Titow.

"Es wurde viel Schutt weggebracht, alles war mit Staub bedeckt", erinnert sich der Projektleiter an die Vorbereitungen zu den Bauarbeiten. Inzwischen werden schon die Außenwände isoliert und die Wohnungen renoviert. "Das Haus wird besser sein als zuvor. Es gibt neue Stromleitungen, moderne Aufzüge, eine gedämmte Fassade, energiesparende Fenster und neue Bäder", berichtet Titow.

Tamara Herasymenko will zurück in ihre WohnungBild: Oleksandr Kunytskyi/DW

Nur Möbel für die Wohnungen sind in der Baumaßnahme nicht enthalten. Aber hier helfen Freiwillige, sagt Tamara Herasymenko: "Diejenigen, die absolut nichts mehr haben, werden Möbel und Hausrat bekommen."

Einsturzgefahr bei Hochhaus

Erheblichen Schaden erlitt auch ein 26-stöckiges Hochhaus am Lobanowskyj-Prospekt, wenige Kilometer südwestlich vom Stadtzentrum entfernt. Am 26. Februar riss eine russische Rakete zwischen der 17. und 21. Etage ein Loch in das Gebäude. Die oberen Wohnungen hingen sozusagen in der Luft und es bestand Einsturzgefahr. Deshalb sammelten die Bewohner schnell Spenden, um Baumaßnahmen finanzieren zu können.

"Damals konnte sich der Staat noch nicht um den Wiederaufbau von Häusern kümmern. Daher sammelten wir Spenden, um Stützen zwischen den Stockwerken zu errichten. Auch die Trümmer wurden weggeräumt", sagt Olena Tschumakowa, die als Vertreterin der Bewohner die Baumaßnahmen koordiniert. Fast zwei Millionen Hrywnja (rund 53.000 Euro) kamen zusammen, von denen 1,3 Millionen (rund 35.000 Euro) bereits ausgegeben wurden.

Anfang Mai führten die lokalen Behörden eine Prüfung durch. Sie ergab, dass eine Instandsetzung möglich sei. Doch dafür mussten die oberen Stockwerke abgebaut werden, was drei Monate in Anspruch nahm. In den unversehrten Wohnungen konnten die Menschen trotz der Arbeiten weiter wohnen bleiben.

"Es war ein Sommer voller Lärm und Staub. Auch jetzt wird noch gehämmert. Aber wir sind froh, dass das Gebäude wiederhergestellt wird. Wir haben nicht mit so einem schnellen Beginn der Arbeiten gerechnet", sagt Tschumakowa. Ihr zufolge haben Experten die Kosten auf 57 Millionen Hrywnja (rund 1,5 Millionen Euro) beziffert. Die Summe ist bereits von der Stadt Kiew bewilligt worden.

Eine Rakete riss ein riesiges Loch in das Hochhaus am Kiewer Lobanowskyj-ProspektBild: Gleb Garanich/REUTERS

"Vor der Heizperiode wird das Gebäude leider nicht fertig", bedauert Oleksandr Akimow, Direktor des städtischen Unternehmens "Schilinvestbud-UKB", das mit dem Wiederaufbau aller beschädigten Gebäude in der Hauptstadt beauftragt ist. Die Arbeiten am Lobanowskyj-Prospekt können ihm zufolge nicht beschleunigt werden, weil der Beton noch aushärten muss. Außerdem könnten bei Frost die Außenwände nicht isoliert werden. "Ich denke, die Arbeiten werden im März oder April nächsten Jahres beendet", so Akimow.

Wiederaufbau aller Häuser

Insgesamt wurden zu Beginn von Russlands Angriffskrieg in Kiew 640 Objekte, einschließlich 238 Wohnhäuser, durch Raketen beschädigt. 16 davon haben erhebliche Schäden erlitten. Laut Akimow wurden aus dem städtischen Haushalt für die laufenden Wiederaufbauarbeiten etwa 600 Millionen Hrywnja (rund 16 Millionen Euro) bereitgestellt. Aber die Summe könnte nach Abschluss laufender Prüfungen an weiteren Gebäuden noch steigen.

Auch von der ukrainischen Regierung wurden zusätzlich 200 Millionen Hrywnja (rund 5,3 Millionen Euro) bewilligt. "Dieses Geld ist für Häuser in Kiew bestimmt, deren Fenster durch Druckwellen zerschmettert wurden." Immer mehr Bewohner kehren nach und nach zurück und beantragen bei den Behörden Reparaturen, sagt der Projektleiter.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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