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Juncker übernimmt politische Verantwortung

Barbara Wesel12. November 2014

Ist EU-Kommissionspräsident Juncker eine "lahme Ente"? Umstrittene Steuersparmodelle in Luxemburg brachten ihn massiv unter Druck. Jetzt will er Reformer sein und nicht mehr über die Vergangenheit reden.

Jean-Claude Juncker bei der Pressekonferenz (Foto: picture-alliance/dpa/Olivier Hoslet)
Bild: picture-alliance/dpa/Olivier Hoslet

Juncker stellt sich

01:35

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Eine Woche nachdem Lux-Gate das Raumschiff Brüssel ins Taumeln gebracht hatte, beendete EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker das Versteckspiel und entschied sich für Vorwärtsverteidigung. Tagelang hatten Journalisten keinen Adressaten für ihre bohrenden Fragen, da stellte sich Juncker unerwartet am Mittwochmittag der Presse. Er wolle den Kampf gegen grenzüberschreitende Steuerflucht künftig verstärken und einen automatischen Informationsaustausch über Steuerabsprachen für Großkonzerne anregen, kündigte er an. Und er hoffe, dass die Mitgliedsstaaten diesen Ehrgeiz teilten. Der angeschlagene Politiker will die Rolle des vom Saulus zum Paulus gewandelten Reformers einnehmen.

Unangenehme Fragen

Wenn da nicht die Fragen wären. Ob er als langjähriger Ministerpräsident der Architekt der Steuervermeidungsstrategien gewesen sei, mit dem das kleine Luxemburg weit über 300 Großunternehmen ins Land gelockt hatte? "Ich war nicht der Architekt des Luxemburger Modells", antwortete der Kommissionspräsident da in seiner Rolle als früherer Regierungschef, und räumte dann aber ein: "Ich bin politisch verantwortlich für das, was da passierte." Und wie ist es mit etwas Bedauern über das Vorgefallene? "Ich habe die 28.000 Seiten (der Steuerunterlagen) nicht gelesen, aber wenn sie zur Nicht-Besteuerung geführt haben, bedauere ich dies." Und schließlich die peinlichste Frage: Ob Juncker glaube, nach den Aufdeckungen der vorigen Woche noch als höchster Repräsentant Europas den 500 Millionen Bürgern gegenübertreten zu können? Da reichte dem Kommissionspräsidenten ein einfaches Ja.

Mit der gleichen Strategie trat Jean-Claude Juncker dann vor das Europaparlament."Unter den Umständen finde ich es normal, mich heute bei der ersten Gelegenheit hier vor Ihnen zu einzufinden." Die Abgeordneten hatten noch darüber gestritten, ob sie ihn einbestellen sollten, da nahm er ihnen lieber den Wind aus den Segeln. Was seine Vergangenheit angehe: Die Steuergesetze seien in Luxemburg immer respektiert worden und er wisse nichts von gesetzwidrigen Praktiken. Und danach schaute Juncker resolut nur noch nach vorn: Schon ab 1. Januar soll eine neue EU-Richtlinie Unternehmenskonstruktionen verbieten, die der Steuervermeidung dienen. So schnell wie möglich solle ein automatisierter Informationsaustausch zwischen Mitgliedsländern über Steuerabsprachen für Konzerne eingeführt werden. Maßnahmen gegen Betrug und Steuervermeidung seien auf seiner Tagesordnung jetzt vordringlich. Und schließlich: Jean-Claude Juncker will keinen Interessenkonflikt zwischen seinem Amt als Kommissionspräsident und der Untersuchung der Affäre durch die zuständige EU-Kommissarin sehen: "Sie hat weitreichende Kompetenzen, ich würde da nie eingreifen", versicherte Juncker.

Jean-Claude Juncker will sich aus der Untersuchung der Affäre raushaltenBild: Reuters/Eric Vidal

Keine Aggression im Parlament

Die Abgeordneten behandelten ihn dann weitgehend milde: Die Christdemokraten wollen sogar Aufregung und Pulverdampf der letzten Tage nicht verstehen und erklärten ihr Vertrauen: "Ich traue Jean Claude Juncker zu, dass er die Probleme für Europa lösen kann", gab Manfred Weber zu Protokoll. Die Sozialdemokraten forderten etwas nachdrücklicher schnelle Änderungen in den europäischen Steuergesetzen und mehr Kontrolle und die Linke ließ ein geplantes Misstrauensvotum wieder in der Schublade verschwinden. Nur Guy Verhofstadt von der liberalen Fraktion sprach von Rücktritt - und die Europagegner der UK Independence Party - und sah wegen des Skandals eine dunkle Wolke über der EU Kommission. "Es gibt schon eine lahme Ente in Washington", sagte der Liberale mit Blick auf Präsident Obama, "wir brauchen nicht noch eine in Brüssel".

Kritik geht weiter

Auch der grüne Finanzexperte Sven Giegold ist nicht zufrieden mit den Reformvorschlägen, die Juncker jetzt auf den Tisch legt: "Ich würde sagen: Es ist nicht ambitioniert. Juncker ist jetzt aus dem Schneckenhaus heraus, aber die Vorschläge halten an der Idee des Steuerwettbewerbs in Europa fest und insbesondere fehlen verbindliche Transparenz-Pflichten für Unternehmen, wo sie wie viel bezahlt haben. Und zweitens fehlen Mindeststeuersätze. Und diese beiden Vorschläge hätte er heute machen können. Das hat er leider verpasst."

Allerdings weiß der Kommissionspräsident, dass die Idee des Steuerwettbewerbs nach wie vor vielen EU-Mitgliedsländern heilig ist, nicht nur den Luxemburgern. Die Maßnahmen seien unzureichend, sagt der Abgeordnete, und abgesehen davon glaubt er nicht, dass die Affäre für Juncker jetzt schnell ausgestanden sei: "Die Untersuchungen müssen natürlich weitergehen. Und zentral ist, ob es illegale Beihilfe war. Wenn es sich um illegale Beihilfe gehandelt hat, müssen diese Gelder zurückbezahlt werden von den Unternehmen. Das würde dann ironischerweise an den Luxemburger Staat fließen. Entscheidend ist aber, dass dieses Geld in zukünftige Investitionsprogramme fließt und nicht Luxemburg, Irland und die Niederlande das Geld selbst einstreichen."

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