Bei einem Konzert der US-Musikerin Taylor Swift in Brasilien ist ein Fan gestorben. Eine Hitzewelle und Wassermangel könnten der Grund sein. Experten erklären, wie Organisatoren auf solche Wetterlagen reagieren können.
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Nach dem Tod eines Fans bei einem Konzert des US-Popstars Taylor Swift in Rio de Janeiro am vergangenen Freitag stehen die Veranstalter in der Kritik. Eine 23-Jährige war während des Konzerts in Brasiliens Kulturmetropole kollabiert und gestorben - nach bisherigen Erkenntnissen an einem Herz- und Atemstillstand.
Bereits kurz nach Bekanntwerden des Todesfalls wurden Vorwürfe gegen die Veranstalter laut. Denn trotz drückender Hitze war es den Fans nicht erlaubt, Wasser auf das Konzertgelände mitzubringen. Auch drinnen sei es schwer gewesen, an Trinkwasser zu kommen. Dies und die genaue Todesursache sind nun Gegenstand von Ermittlungen.
Sogar Taylor Swift entging der Wassermangel nicht. Konzertmitschnitte zeigen, wie sie forderte, den Fans Wasser zu geben und wie sie selbst eine Wasserflasche von der Bühne Richtung Publikum warf.
Sind die Vorwürfe gegen die Veranstalter gerechtfertigt?
Vorschnelle Schuldzuweisung haben mehrere Experten für die Sicherheit auf Großveranstaltungen abgelehnt, mit denen die DW gesprochen hat ab. Die genauen Umstände ließen sich aus der Ferne überhaupt nicht beurteilen.
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Zudem seien auch die Zuständigkeiten nach brasilianischem Recht völlig unklar. "Für die Sicherheit auf Großveranstaltungen können ja verschiedene Akteure verantwortlich sein", erklärt Olaf Jastrob, Vorsitzender des Deutschen Expertenrats Besuchersicherheit: "Da kommen nicht nur die Veranstalter, sondern auch die Betreiber des Stadions, die Behörden sowie zahlreiche Subunternehmen infrage."
Hätten die Verantwortlichen auf die große Hitze reagieren müssen?
Gleichwohl meint der Experte auch: "An einem Ort mit Zugangsbeschränkung gehört es durchaus zur Planung einer sicheren Veranstaltung, die Besuchenden mit einem ausreichenden Flüssigkeitsangebot zu versorgen", meint Jastrob. Dies müsse dann so weit an die jeweiligen Umstände angepasst werden, wie diese vorhersehbar seien.
Vor allem in Brasiliens Südosten herrscht derzeit eine Hitzewelle. Am Wochenende zeigten die Thermometer in der Spitze mehr als 40 Grad an - die höchsten bisher in diesem Jahr. In Rio de Janeiro waren es am Samstagnachmittag 42,5 Grad. Die "gefühlte Temperatur", die bei hoher Luftfeuchtigkeit deutlich über dem tatsächlichen Wert liegen kann, soll sogar über 58 Grad gelegen haben. Bereits Mitte der Woche waren die Rekordtemperaturen vorhergesagt worden.
Brasilien: Hitze, Brände - und Hochwasser
Brasilien leidet unter Extremwetter: Während der Norden und das Zentrum unter einer für die Jahreszeit beispiellose Hitzewelle und anhaltender Dürre ächzen, sorgen starke Regenfälle im Süden für Überschwemmungen.
Bild: TERCIO TEIXEIRA/AFP/Getty Images
Heftige Hitzewelle
Es ist noch nicht mal Sommer auf der Südhalbkugel, doch bereits jetzt erleben weite Teile Lateinamerikas eine heftige Hitzewelle. In Brasilien kletterten die Temperaturen vergangene Woche auf über 40 Grad Celsius. Entsprechend groß ist der Andrang am Strand Praia Vermelha in Rio de Janeiro.
Bild: Buda Mendes/Getty Images
Tödliche Temperaturen
Eine Frau kühlt sich ab, während sie in Rio auf den Einlass für ein Konzert des US-amerikanischen Popstars Taylor Swift wartet. Am Freitag war während des Auftritts eine 23-Jährige gestorben. Die Veranstaltenden stehen in der Kritik, da kein Wasser mit ins Stadion genommen werden durfte. An dem Tag war der Hitzeindex, der Lufttemperatur mit -feuchtigkeit kombiniert, auf 59 Grad Celsius gestiegen.
Bild: Silvia Izquierdo/AP Photo/picture alliance
Wasser gegen die Wärme
Ähnlich heiß ist es auch im Zentrum des Landes - dieses Mädchen in São Paulo sucht Abkühlung in einem Springbrunnen. In der Millionenmetropole starb ein zweijähriges Kind, nachdem es in einem Schultransporter in der Hitze vergessen worden war. Das Nationale Meteorologische Institut stufte die Lage in 15 Bundesstaaten und dem Bezirk um die Hauptstadt Brasília als sehr gefährlich ein.
Riesige Rauchwolken verdunkeln den Himmel in Porto Jofre: Im Pantanal, dem größten Feuchtgebiet der Erde, haben Dürre und Hitze für die schwersten Brände seit 20 Jahren gesorgt. Die betroffenen Staaten Mato Grosso und Mato Grosso do Sul erklärten den Notstand.
Bild: ROGERIO FLORENTINO/AFP/Getty Images
Neuer Negativrekord
Allein im Monat November wurden mehr als 3000 Brände registriert, melden brasilianische Medien. Das sei ein Negativrekord. Expertinnen und Experten zufolge sind die Brände in erster Linie auf menschliches Handeln zurückzuführen, insbesondere auf die Anwendung von Brandrodungstechniken in der Landwirtschaft. Die Dürre verschlimmere die Situation zusätzlich.
Bild: Andre Penner/AP Photo/picture alliance
Verbrannte Flora und Fauna
Die Feuer haben bereits 35.000 Hektar des Pantanal erfasst, das etwa so groß wie Großbritannien ist. Eine Katastrophe für Flora und Fauna: Hier im Nationalpark Encontro das Águas bedrohen die Brände den Lebensraum einer der größten Jaguarpopulationen der Welt. Forschende der Universität Rio de Janeiro schätzen, dass 34 Prozent des Parks bereits zerstört sind.
Bild: Andre Penner/AP Photo/picture alliance
Land unter
Während Zentral- und Nordbrasilien unter Hitze und Dürre leidet, hat die Bevölkerung im Süden des Landes das gegenteilige Problem: Überschwemmungen und Erdrutsche, ausgelöst durch starke Regenfälle, forderten in der vergangenen Woche mindestens sechs Menschenleben in den Bundesstaaten Santa Catarina und Rio Grande do Sul.
Bild: DIEGO VARA/REUTERS
Kampf gegen den Schlamm
Mehrere Städte in Rio Grande do Sul wurden überflutet, als der Fluss Taquari über die Ufer trat. So auch das hier zu sehende Roca Sales, wo Dutzende Freiwillige sich darum bemühen, die vom Fluss hinterlassenen braunen Schlamm- und Geröllmassen von den Straßen zu entfernen.
Bild: SILVIO AVILA/AFP
Trübe Aussichten
Braun in braun in Sao Sebastiao do Cai: Der Süden Brasiliens wurde in den vergangenen Monaten von extremen Wetterereignissen schwer getroffen - etwa sintflutartigen Regenfällen und einem Wirbelsturm im September, bei dem mehr als 50 Menschen starben. Nach Ansicht von Expertinnen und Experten werden viele dieser Katastrophen durch den Klimawandel begünstigt.
Bild: DIEGO VARA/REUTERS
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"Die Wetterlage war also vorhersehbar", sagt Jastrob, gibt aber auch zu bedenken, dass die Versorgung der Fans mit Trinkwasser auf einem Konzert eine erhebliche logistische Herausforderung darstelle - nicht nur wegen der schieren Menge, die nötig wäre, um bei solchen Temperaturen den Bedarf von 60.000 Menschen zu decken.
"Die notwendigen Mengen werden auch in Europa nicht selten unterschätzt", sagt Sven Hansen, Geschäftsführer von Event Safety Consult (ESC) und stellvertretender Vorsitzender im Bundesverband Veranstaltungssicherheit (bvvs). Er sieht ähnliche Probleme bei der Wasserversorgung auf Konzerten. Man müsse sich auch darüber klar sein, wie das zu erwartende Publikum ticke: "Wenn ein junger Fan mit Mühe und Not ein Ticket bekommen hat, mitunter stundenlang ansteht und irgendwie einen Platz ganz vorne ergattert hat, könnte es sein, dass diese Person seine Grundbedürfnisse zurückstellt, nur um diese Platz nicht aufgeben zu müssen."
Fans in einer Menge von Tausenden oder gar Zehntausenden Menschen mit Wasser zu versorgen, sei im Grunde nur mit entsprechenden Vorkehrung möglich, erklärt Jastrob. Ein probates Mittel sei die Unterteilung des Zuschauerraums durch abgesperrte Zugangswege. Solche Maßnahmen trieben allerdings auch die Kosten in die Höhe und verkleinerten gleichzeitig den Zuschauerraum und damit die Zuschauerzahl.
Gluthitze lässt ganz Brasilien schwitzen
02:12
Verändert der globale Temperaturanstieg die Event-Planung?
"Wir organisieren kein Open-Air-Event mehr ohne Meteorologen", sagt Hansen. So ließen sich in verschiedenen Zeitabständen vor und auch während einer Veranstaltung entsprechende Entscheidungen treffen.
"Bisher ist das größte Thema in dieser Hinsicht das Gewitterrisiko", sagt der Experte. Hierbei sei es inzwischen gang und gäbe, dass sich Veranstalter gegen Vermögensschäden versichern. Die können etwa daraus entstehen, dass weniger Getränke oder Merchandising-Produkte verkauft werden als geplant, weil eine Veranstaltung frühzeitig abgebrochen werden muss.
Doch mittlerweile werden auch andere Wetterextreme relevant. Inzwischen lohne es sich allerdings, auch darüber nachzudenken, ob Veranstaltungen nicht auch wegen zu großer Hitze oder zu heftiger UV-Einstrahlung absagen oder abbrechen muss: "Im Sommer ist es relativ normal, dass es bei Veranstaltungen mit mehreren Zehntausend Besuchenden eine dreistellige Zahl von Sanitätseinsätzen gibt - da ist dann aber alles mit dabei: Dehydrierung, Hitzschlag, aber auch Insektenstiche und so weiter." Darauf könne man sich aber mit entsprechenden Vorkehrungen einstellen.
Wacken 2023: Der Schlamm trocknet - jetzt wird gefeiert
Das größte Heavy-Metal-Festival der Welt startete mit großen Schwierigkeiten, viele durften nicht anreisen. Jetzt endlich feiern die Fans, die es auf den Holy Ground geschafft haben.
Bild: Silke Wünsch/DW
Wacken 2023: Nicht alle Fans kamen hin
Das gab es noch nie in der 32-jährigen W:O:A-Geschichte: Aufgrund von Dauerregen war das Gelände schon vor dem Start derart verschlammt, dass Tausende von Fans wieder nach Hause geschickt wurden. Die teuren Ticketpreise (299 Euro) werden erstattet. Von den 85.000 erwarteten Besuchern können laut Festivalleitung schließlich etwa 60.000 zusammen auf dem "Holy Ground" feiern.
Bild: Christian Charisius/dpa/picture alliance
Auf die Plätze, fertig, los!
Die traditionelle Erstürmung des sogenannten Infields vor den beiden Hauptbühnen verzögerte sich wegen der erschwerten Umstände um ein paar Stunden. Kaum öffneten sich die Gatter, rannten die Fans so nah wie möglich an die Doppelbühne "Faster & Harder" heran. Sechs Bands konnten nicht auftreten, weil der restliche Zeitplan eingehalten werden sollte.
Bild: picture alliance/dpa
Auftakt mit Doro Pesch und - Lemmy!
Die Headliner hingegen rockten los wie eh und je. Am Eröffnungsabend spielten die Band Broilers sowie Metal-Ikone Doro Pesch, die mit einer großen Show ihr 40. Bühnenjubiläum feierte. Auch dabei: Rocklegende Lemmy Kilmister, 2015 verstorbener Frontmann von Motörhead. Bestandteile seiner Asche wurden nach Wacken gebracht. Sie soll hier auf dem "heiligen Acker" dauerhaft eine Ruhestätte finden.
Bild: Christian Charisius/picture alliance/dpa
Festival-Tag 2: Mehr Sonne als Regen
Schönster schleswig-holsteinischer Himmel begrüßte das W:O:A an Tag 2. Das Festival läuft ohne Verzögerungen und Ausfälle weiter. Allerdings stehen viele Mietzelte und andere Unterkünfte, die Fans im Voraus buchen konnten, leer.
Bild: Silke Wünsch/DW
Ausweichquartier im Vorgarten
Fans, die nicht mehr auf die durchweichten Campingplätze durften, trafen auf eine Welle der Hilfsbereitschaft. Anwohner aus Wacken und den umliegenden Dörfern boten den Gestrandeten für die Dauer des Festivals ihre Einfahrten, Höfe und Vorgärten an.
Bild: Silke Wünsch/DW
Bierkutsche
Hauptnahrungsmittel beim W:O:A ist Bier. Die Fans bringen es palettenweise mit und konsumieren es hektoliterweise auf dem Festivalgelände. Aber die Wackenveranstalter sorgen für Alternativen: Überall gibt es Trinkwasserzapfstellen, und in den Werbeblöcken, die in den Konzertpausen auf großen Leinwänden laufen, werden die Fans immer wieder gebeten, zwischen dem Bier viel Wasser zu trinken.
Bild: Silke Wünsch/DW
Alterslos
Klara ist mit 81 Jahren eine der ältesten Wacken-Besucherinnen. Sie ist mit ihrem Sohn angereist, steht mit ihrem Wohnmobil in einem Wackener Vorgarten und schaut sich gutgelaunt das Treiben an.
Bild: Silke Wünsch/DW
Braver Hund!
Juna weiß, wie man sich während des W:O:A vernünftig anzieht. Das Outfit auf Wacken ist recht einfach: schwarze Shirts, robuste Hosen, Gummistiefel und ein Regencape sind die besten Klamotten für das Festival. Natürlich mit dem Wacken-Wahrzeichen - dem Stierkopf.
Bild: Silke Wünsch/DW
Matsch ist immer Programm
Auch wenn der Schlamm dank der Sonne immer mehr trocknet: Verschwinden wird er bis zum Ende des Festivals nicht. Echte Wacken-Fans kennen das, denn ohne Schlamm hat bisher kaum ein Festival stattgefunden. Und so stapfen sie fröhlich von Konzert zu Konzert und feiern, dass sie hier sein können.
Bild: Silke Wünsch/DW
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Unter den rund 60.000 Menschen, die das Konzert von Taylor Swift am vergangenen Freitag besuchten, registrierte die Feuerwehr allein mehr als 1000 Ohnmachtsanfälle.
Müsste es klare gesetzliche Grenzen geben?
"Wir setzen uns auf der Verbandsebene für eine Herangehensweise ein, die sich am Schutz von Publikum und Beschäftigten orientiert", sagt Hansen. "Aber starre Vorgaben sind nicht unser Ziel." Es spielten einfach zu viele Parameter eine Rolle, sodass je nach Gefährdungspotenzial auch die Sicherheitskonzepte für Veranstaltungen sehr individuell seien. Letztlich müssten sich alle Verantwortlichen auf ein Maßnahmenpaket einigen, mit dem sich das verbleibende Restrisiko auf ein akzeptables Maß reduzieren lasse. "Ist das mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht möglich, bleibt mitunter nur die - für alle Seiten schmerzliche - Empfehlung, die Veranstaltung abzusagen oder zu verschieben."
In Rio haben die Verantwortlichen das für Samstag geplante Folgekonzert von Taylor Swift um zwei Tage auf Montag verschoben, an dem deutlich niedrigere Temperaturen zu erwarten waren - und auch herrschten. Ein Gericht hat zudem angeordnet, auch auf den kommenden drei anstehenden Konzerten der Sängerin in Sao Paulo das Mitbringen bestimmter Wasserbehälter zuzulassen und die Trinkwasserversorgung zu sichern.