Nach Kürzungen: Wer zahlt nun Entwicklungshilfen für Nahost?
20. Juli 2025
Wie soll die Entwicklungshilfe im Nahen Osten künftig finanziert werden? Fragt man bei verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen im Nahen Osten nach, erhält man immer die gleiche Antwort: Es lässt sich nicht sagen. "Niemand weiß wirklich, was los ist", kommentiert der Projektmanager eines syrischen Projekts im Gespräch mit der DW die Kürzungen der US-Hilfsgelder durch die Regierung von Donald Trump. "Sie haben es noch nicht vollständig gestoppt. Also geben wir das Geld einfach monatlich aus und hoffen auf das Beste."
"Wir wissen immer noch nicht, ob wir die versprochenen Mittel für dieses Jahr erhalten", sagt der Gründer eines irakischen Journalistennetzwerks in Bagdad. "Wir werden wahrscheinlich einige unserer Journalisten nicht bezahlen können. Um das Geld zu ersetzen, wenden wir uns derzeit an andere Organisationen."
Um ihre Finanziers nicht zu verärgern, will keiner der beiden Interviewpartner seinen Namen veröffentlicht sehen.
Seit seinem Amtsantritt hat US-Präsident Donald Trump die US-Finanzierung der so genannten "Offiziellen Entwicklungshilfe" ("Official Development Assistance", ODA) drastisch gekürzt.
Doch die USA sind nicht das einzige Land, das seine Hilfen zurückführt. Weltweit sank die ODA 2024 um mehr als sieben Prozent. Denn im vergangenen Jahr kürzten auch europäische Länder wie Frankreich, Deutschland, Großbritannien ihre Mittel - erstmals seit fast 30 Jahren.
Auswirkungen deutlich spürbar
Im Jahr 2023 erhielten die Länder des Nahen Ostens rund 7,8 Milliarden US-Dollar (umgerechnet rund 6,7 Milliarden Euro) der insgesamt 42,4 Milliarden US-Dollar (36,3 Milliarden Euro), die die USA in jenem Jahr für ODA ausgaben.
Die Auswirkungen der US-Hilfskürzungen dürften in der Region deutlich spürbar werden, schrieb Laith Alajlouni vom International Institute for Strategic Studies in Bahrain, bereits im März dieses Jahres. "Denn um ihre militärischen und wirtschaftlichen Bedürfnisse zu decken, sind wichtige Partner der USA weiterhin stark auf deren Hilfe angewiesen."
Zwischen 2014 und 2024 stellten die USA den Ländern der Region rund 106,8 Milliarden US-Dollar zur Verfügung. Israel erhielt knapp ein Drittel davon, wobei ein Großteil des Geldes für militärische Zwecke vorgesehen war. Bei anderen Länder machten die US-Mittel einen erheblichen Teil ihres Nationaleinkommens aus, so Alajlouni.
Gefährdet seien nun dringend nötige Finanzmittel, etwa für Nahrungsmittel und Wasser im Sudan, Medikamente im Jemen, Kindernahrung im Libanon und Lager für Vertriebene, schrieb Alajlouni. Unter den Vertriebenen seien auch Familien, die mutmaßlich mit der extremistischen Terrorgruppe "Islamischer Staat" in Syrien in Verbindung stünden.
Andere Länder wie Jordanien und Ägypten seien für ihre wirtschaftliche Entwicklung in hohem Maß auf ausländische Gelder angewiesen, um ihre angeschlagenen Volkswirtschaften über Wasser zu halten, so Alajlouni.
Es ist noch unklar, wie viel die Länder des Nahen Ostens durch die ODA-Kürzungen genau verlieren werden. Im Juni 2025 versuchten Forscher des Washingtoner Thinktanks "Center for Global Development", die Folgen zu berechnen. "Einige Länder dürften, je nachdem, wer ihre Geber sind, voraussichtlich große Mengen an ODA verlieren", stellen sie fest. "Andere hingegen dürften voraussichtlich nur sehr geringe Verluste erleiden."
So dürfte beispielsweise die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) für den Jemen von 2023 bis 2026 um 19 Prozent zurückgehen. Im Jahr 2025 waren Saudi-Arabien, die EU und Großbritannien die drei größten Geber des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA), über das diese Mittel fließen. Somalia hingegen könnte bis zu 39 Prozent einbüßen. Die wichtigsten Geber über UNOCHA waren hier Großbritannien, die EU und die USA.
"Lücke lässt sich kurzfristig nicht schließen"
"Es ist klar, dass sich die Finanzierungslücke kurzfristig nicht schließen lässt", sagt Vincenzo Bollettino, Direktor eines Programms für "Resilient Communities" an der Harvard Universität in Boston, der DW. "Mittel- bis langfristig wird es wahrscheinlich ein breites Spektrum unterschiedlicher Hilfsformen geben." Dazu dürfte auch eine größere Zahl von Staaten gehören, die Hilfe und Entwicklungshilfe da leisteten, wo dies mit ihren eigenen politischen Zielen übereinstimme, so Bollettino weiter.
Russlands wichtigste Agentur für internationale Zusammenarbeit, "Rossotrudnitschestwo", kündigte kürzlich eine Umstrukturierung nach dem Vorbild von USAID an. Die Agentur plant die Eröffnung von Außenstellen in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien. Mit nur 70 Millionen Dollar jährlich ist das Budget von "Rossotrudnitschestwo" jedoch vergleichsweise gering.
Chinesisches Geld könnte eine weitere Alternative zu US- und europäischen Fördermitteln sein. "China hat sich als größter Konkurrent der USA in der globalen Entwicklung positioniert", schrieben Experten des US-Thinktanks "Center for Strategic and International Studies" im Juli. Allerdings sei China weniger am Nahen Osten interessiert. Vielmehr engagiere es sich eher in Südostasien und Afrika.
"Weder Russland noch China spielen traditionell eine bedeutende Rolle im internationalen humanitären Hilfssystem", sagt Bollettino. "Daran wird sich wohl auch in naher Zukunft nichts ändern", meint er.
Hilfe mit politischen Motiven
"Eher dürften die wohlhabenden Golfstaaten im Nahen Osten als Geber auftreten", glaubt Markus Loewe, Professor und Experte für Nahost und Nordafrika am Deutschen Institut für Entwicklung und Nachhaltigkeit (IDOS).
Seit den vergangenen zwei Jahrzehnten zählten bereits vier Golfstaaten - Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Katar und Kuwait - zu den international bedeutenden Gebern, so Loewe. "Saudi-Arabien etwa unterstützt Syrien bereits erheblich. Ebenso unterstützt das Königreich den Libanon, und es wäre definitiv bereit, einen Großteil der Kosten für den Wiederaufbau in Gaza zu übernehmen - vorausgesetzt, es kommt zu einer akzeptablen Vereinbarung über einen Waffenstillstand."
"Hilfeempfänger, die für die Geberländer der Golfstaaten als politisch wichtig gelten, erhalten tendenziell mehr Hilfe", stellt Khaled AlMezaini von der Zayed-Universität der VAE fest. So waren Saudi-Arabien und die VAE trotz ihres seit 2015 geführten Krieges gegen Teile des Jemen auch die größten Geber des Landes.
Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.