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Musik

Musikmesse Frankfurt zeigt "nachhaltige" Gitarren

Gaby Reucher
5. April 2017

Tropenholz war gestern! Die Frankfurter Musikmesse präsentiert Gitarrenbauer, die nach dem Weltartenschutzabkommen Gitarren aus heimischen Hölzern bauen. Alles andere als Billigware - der Klang kann sich hören lassen.

Musikmesse Frankfurt am Main 2017 | Rheinhardt Acoustics
Bild: DW/G. Reucher

Kein Palisanderholz mehr für Musikinstrumente. Diese Nachricht war ein Schock für die Musikbranche. Am 2. Januar 2017 ist das Weltartenschutzabkommen CITES in Kraft getreten, das den Handel mit Palisander verbietet beziehungsweise erschwert. Genau diese klangvollen Tropenhölzer aber braucht man für Instrumente wie Gitarren, Geigen oder Marimbaphone. "Es sind rund eine Millionen Produkte, die gemeldet werden müssen", sagt Daniel Knöll von SOMM (Society of Music Merchants). Das sei ein Bürokratie-Wahnsinn, der die Musikbranche überfordere.

Die neue Verordnung könnte auch Käufer verunsichern, fürchtet die Branche. Dabei sind die Deutschen gerade in Kauflaune. Über eine Milliarde Euro geben sie im Jahr für Musikinstrumente aus. Weil das Artenschutzabkommen weitreichende Folgen für den Verkauf von Musikinstrumenten hat, tangiert es auch die internationale Musikmesse, die derzeit in Frankfurt stattfindet. 1922 Aussteller aus 55 Ländern zeigen hier ihre Produktinnovationen. Dazu gibt es ein Rahmenprogramm mit Konzerten, Workshops und Vorträgen.

Herkömmliche und hochwertige Gitarren kommen ohne Tropenholz kaum ausBild: DW/G. Reucher

Eins der Schwerpunktthemen der Messe ist in diesem Jahr die Gitarre. Die, so hat SOMM in einer Umfrage ermittelt, ist das meistgespielte Instrument der Deutschen. Kaum eine Gitarre kommt jedoch ohne Palisanderholz aus. "Das Griffbrett ist das größte Problem bei der CITES-Verordnung", sagt Gitarrenhersteller Gunther Reinhardt und viele Kollegen pflichten ihm bei. "Auch wenn es ganz einfache Gitarren sind, haben sie meistens ein Palisandergriffbrett." 

Neue Gitarren ohne Tropenholz

Das Artenschutzabkommen beschäftigt die Musikbranche schon seit einigen Jahren, denn das beliebteste Holz, sogenanntes "Rio-Palisaner" aus Brasilien, ist im Handel schon seit 1992 verboten. Nur zertifizierte Altbestände dürfen aufgebraucht werden. Gitarrenhersteller Gunther Reinhardt von Reinhardt Acoustics ärgert das. "Das ist nur, weil in den 60er 70er Jahren die Möbelindustrie den Amazonas abgeholzt hat, um die Sitzungsäle von Banken mit Palisanderholz auszustatten." Jetzt werde alles wieder rausgerissen und verbrannt. "Und wir dürfen keine Gitarren mehr bauen. Eine kleine Industrie muss darunter leiden, dass man nicht in der Lage war, die Großen an die Kandare zu nehmen". Rund 300 Palisanderarten gibt es, die seit Januar alle unter Artenschutz stehen.


Aus der Not hat Gunther Reinhardt mit seinem Familienunternehmen eine Tugend gemacht und ein spezielles, einmaliges Verfahren entwickelt, das einheimische Hölzer stabiler und klangvoller macht. Mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde hat er über drei Jahre in einem vom Bund geförderten Forschungsprojekt an der sogenannten "Thermomodifikation" getüftelt. 

Gunther Reinhardt zeigt seine neu entwickelte Gitarre, die komplett aus thermomodifizierten Hölzern besteht.Bild: DW/G. Reucher


Unter Stickstoff wird das Holz bis zu 180 Grad langsam erhitzt. Ohne Sauerstoff kann es nicht verbrennen, sondern trocknet langsam aus. "Durch die Thermomodifikation verliert das Holz etwa 20 Prozent an Masse, die Zellen sind offen, die Substrate sind weg, der darin enthaltene Zucker karamellisiert, das gibt zusätzlich einen schönen Farbeffekt", erklärt Rheinhardt. Das Holz wird härter, schwingt leichter und dadurch steigt die Klangqualität. Die Gitarrendecke ist zum Beispiel aus Fichte, das Griffbrett aus Pinie. Die wird gekocht und dann mit Gewalt auf etwa 60 Prozent des ursprünglichen Volumens zusammengepresst. "Also auch das Griffbrett ist kein Tropenholz, obwohl es wie Palisander aussieht. Das ist unsere Idee, den Urwald etwas weniger abzuholzen." 

Mehr Musik auf der Frankfurter Musikmesse

Die neuen thermobehandelten Gitarren von Reinhardt Acoustics gehen ab Herbst in den VerkaufBild: DW/G. Reucher

Wie seine neuen Gitarren klingen, das stellt Reinhardt während der Messe an seinem Stand vor. Damit ist er nicht der einzige. Vorbei sind die Zeiten, als Verkäufer die Instrumente für potentielle Kunden nur in kleinen abgesperrten Kammern zum Klingen brachten. Was Reinhardt als Event im Kleinen anbietet, ist im Großen eins der Konzepte der Messe, denn längst hat sie sich von einer Musikinstrumentenmesse tatsächlich zu einer "Musik"-Messe gemausert.  

Die digitale Konkurrenz ist groß. Nicht jeder Musikliebhaber braucht ein Instrument. Digitale Musikprogramme erlauben mit leichten Lernhilfen über Apps auch Laien eigene Melodien und Sounds zu kreieren. Mit viel Live-Musik will die Messe deshalb bei jungen Leuten den Spaß am Instrument wecken. 

Gitarrenmusik unter Schweiß, Blut und Tränen

Nach dem großen Erfolg des "Drum Camps" im letzten Jahr, gibt es in diesem Jahr auch ein "Guitar Camp", das Besucher und namhafte Gitarristen auf der Bühne oder in Workshops und Masterclasses zusammenbringt. Dabei geben Stars wie der Billy Idol-Gitarrist und Grammy-Gewinner Steve Stevens oder Karl Brazil, Drummer von Robbie Williams, Tipps zu Spieltechnik oder zum Einsatz von Equipment. "Es geht uns darum, die Leidenschaft, die Motivation und all das zu vermitteln, was dazu gehört, wenn man aktiv Musik macht", erklärt Gerd Essl, Kurator des Drum- und Guitar Camps, das Konzept. "Also nicht einfach nur ein Video bei Youtube anschauen, sondern selbst ein Instrument in die Hand zu nehmen". 

Jen Majura spielt auf ihrer Ibanez-Gitarre

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Neu sind auf der Messe sogenannte "Sweat, Blood and Tears-Boxen." In einer schalldichten 50 Quadratmeter großen Kabine spielen Drummer und Gitarristen ihr Instrument live im Playalong. Die anderen Stimmen sind aufgezeichnet. "Auf diese Weise soll der Besucher ein Konzerterlebnis wie in einer großen Halle haben", sagt Essl. Diese europaweite Neuheit ist allerdings nichts für schwache Nerven oder Klaustrophobiker, denn die Lautstärke ist gewaltig und auch der Platz dürfte etwas eng werden, wenn sich bis zu 150 Personen in einen 50 Quadratmeter-Raum quetschen. Nicht umsonst heißen die Räume "Schweiß, Blut und Tränen"-Boxen. 

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