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Politik

Nachhaltige Stadtentwicklung: Afrika räumt auf

Gwendolin Hilse
20. Oktober 2016

Moderner, sicherer, klimafreundlicher - so wünschen sich die Vereinten Nationen die Städte der Zukunft. Aber die Realität ist in vielen afrikanischen Ländern eine andere. Deshalb setzen viele Regierungen zum Abriss an.

Gabun Häuser werden zerstört
Bild: Getty Images/AFP/X. Bourgois

Langsam aber beständig rollen die Bagger zum Abriss an. Nigers Regierung räumt auf. Ein komplettes Geschäftsviertel liegt am Ende des Tages in Schutt und Asche – mit ihm Existenzen, die über Jahrzehnte aufgebaut wurden. "Das ist eine große Ungerechtigkeit, die uns da widerfährt", empört sich Bubakar Haruna. Angefangen habe alles damit, dass die illegal errichteten Kioske und Wellblechhütten abgerissen wurden, doch dann folgten - schier willkürlich - solide Geschäftshäuser. Die Regierung sei dabei gnadenlos, berichten Anwohner und Ladenbesitzer aufgebracht. "Sie haben uns nicht einmal genügend Zeit gegeben, unsere Shops zu räumen", so Haruna. " Von einem Tag auf den anderen wurde der Geschäftsmann, der Mobiltelefone und Computer vertreibt, aufgefordert, das Viertel hinter dem Zentralmarkt in Niamey zu verlassen - dabei habe die Regierung ihm vor knapp 15 Jahren diesen Platz zugeordnet. Nun gleicht das Geschäftsviertel in Nigers Hauptstadt einer Ruinenlandschaft.

Was für die einen eine Existenzbedrohung darstellt, ist für die anderen Stadtentwicklung. "Für viele mögen diese Maßnahmen radikal wirken, aber wir wollen den Nigrern ja nichts Schlechtes, ganz im Gegenteil, wir wollen nur das Beste für unsere Bevölkerung", sagt Nigers Minister für Staatsbesitz und Städtebau Moctar Kassoum im DW-Interview.

Makoko, das größte illegal erbaute Slum in Nigerias Megastadt Lagos, wurde auf Pfählen in der Lagune gebaut.Bild: picture-alliance/AA/ABACAPRES.COM/M. Elshamy

Niameys Zentralmarkt sei über die Jahre unkontrolliert gewachsen, heißt es vonseiten der Regierung. Immer mehr Händler hätten ohne Baugenehmigung Verkaufsstände und Geschäfte errichtet. Nun plant die Regierung im Rahmen der Stadtentwicklung ein neues Straßenbauprojekt. "Wenn dann illegale Gebäude im Weg stehen, liegt es in unserer Verantwortung, diese abzureißen", so Kassoum.

Rasante Urbanisierung, marode Bauten

Vor dem Problem der immer größer werdenden illegalen Siedlungen steht Niger nicht alleine. In vielen afrikanischen Städten wachsen mit der rasanten Urbanisierung auch die Slums ins Unermessliche. Immer wieder rücken Bagger und Räumfahrzeuge an, aber wenige Tage später stehen die Wellblechhütten wieder.

Inmitten wirtschaftlicher und politischer Krisen sind viele Staaten Afrikas in den letzten Jahrzehnten ihrer Regulierungspflicht im Bausektor nicht nachgekommen. Vor allem in den stetig weiter wachsenden Großstädten sind immer mehr illegale Gebäude und Siedlungen entstanden - vorbei an Architekten oder Baugenehmigungen. Die Folge: chaotische Stadtbilder und enorme Sicherheitsrisiken. Regelmäßig kollabieren Häuser während der Regenzeit. Im November 2012 stürzte in Ghanas Hauptstadt Accra ein sechsstöckiges Einkaufszentrum ein und begrub hunderte Menschen unter sich. Auch hier waren Bauvorschriften nicht eingehalten worden.

Ruine eines Einkaufszentrums in Accra. Bauvorschriften waren nicht eingehalten worden, Hunderte starben.Bild: Getty Images/AFP/D. Adadevoh

Megastädte auf dem Vormarsch

Die "nachhaltige Entwicklung von Städten und Gemeinden" ist auch eines der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG) der Vereinten Nationen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon gibt sich überzeugt, dass "der Kampf für eine globale Nachhaltigkeit in den Städten gewonnen oder verloren wird." Laut UN-Prognosen werden bis 2050 zwei Drittel der Weltbevölkerung in urbanen Zentren leben - die Zunahme von sogenannten Megastädten scheint unaufhaltsam. Vor allem in asiatischen und afrikanischen Städten übe die Landflucht zusätzlichen Druck auf ohnehin leere Staatskassen aus, sagt Monika Zimmermann im DW-Gespräch. Sie ist Vize-Generaldirektorin von ICLEI, einem globalen Netzwerk für nachhaltige Stadtentwicklung. "Bei einer Urbanisierungsrate von bis zu 10.000 neuen Bewohnern im Monat ist es eine große Herausforderung, die notwenige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen."

World in Progress: The 'New Urban Agenda'

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Vor allem aber stehen die Städte vor der Herausforderung, der Nachfrage an bezahlbarem Wohnraum nachzukommen. Immer häufiger setzen afrikanische Regierungen im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen zum Abriss an, ohne Anwohnern und Geschäftsleuten preiswerte Alternativen zu bieten und kreieren damit eher Armut als Wachstum. Auch die Nahrungsmittel werden immer teurer in Afrikas Metropolen: Denn eine abnehmende Landbevölkerung bedeutet auch weniger Bauern, die die Kornkammern der Länder füllen. Die Ärmsten unter den Großstädtern können sich kaum noch frische und gesunde Nahrungsmittel leisten. "Die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich in den urbanen Ballungszentren ist eine der größten Herausforderungen und eine unserer größten Sorgen", sagt Zimmermann. "Wir empfehlen den Kommunen, diese Lücke so schnell wie möglich zu schließen und den Zugang zu sozialen Angeboten anzugleichen. Das ist die beste Investition für die Zukunft."

Johannesburg gehört zu den größten Metropolen AfrikasBild: MARCO LONGARI/AFP/Getty Images

"Neue urbane Agenda"

Bezahlbarer Wohnraum, Sicherheit, Bürgerbeteiligung und Klimafreundlichkeit. Das sind auch die Schlagworte der dritten UN-Weltsiedlungskonferenz "Habitat III", die heute in Ecuadors Hauptstadt Quito zu Ende geht. Hier verabschieden die internationalen Staatsoberhäupter die "Neue Urbane Agenda", die die globalen Standards für nachhaltige Stadtentwicklung für die nächsten 20 Jahre festlegt. Doch damit ist erst ein Grundstein gelegt für den Weg in die Zukunft. Denn am Verhandlungstisch der Vereinten Nationen sitzen Nationalregierungen - die größten Herausforderungen werden aber auf kommunaler Ebene zu stemmen sein. Zudem werden die in der Agenda verhandelten Visionen für nachhaltige Städte nicht verbindlich sein, sonderlich lediglich einen Leitfaden für die internationalen Staatsoberhäupter und deren Willensbekundung für einen Wandel darstellen. Bis Geschäftsmänner wie Bubakar Haruna von dieser neuen Agenda profitieren werden, werden sicher noch einige Jahre vergehen.

Mitarbeit: Anke Rasper, Gazali Mahman Abdo und Mahaman Kanta

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