Nachhaltiges Fischen: Wo steht Indonesien?
10. Januar 2022Die Entscheidung der indonesischen Regierung, den Fischfang künftig nachhaltig zu gestalten, war Anfang 2021 eine gute Nachricht für Arifsyah Nasution. Der Leiter der Ozeankampagne Südostasien bei Greenpeace setzt sich seit Jahren für die Meere ein, weil immer mehr Fischbestände vor der Küste Indonesiens gefährdet sind. Doch er ist skeptisch, dass sich die Situation bis 2025 grundlegend ändert.
Mit mehr als sieben Millionen Tonnen Fang jährlich ist Indonesien die zweitgrößte Fischereination nach China. Der größte Teil davon wird im Inland verzehrt. Die 270 Millionen Indonesier essen mehr als dreimal so viel Fisch und Meeresfrüchte wie der globale Durchschnitt.
Das hat weitreichende Konsequenzen: Die meisten Fischbestände in Indonesien sind bereits vollständig ausgeschöpft oder sogar überfischt. Laut Fischereiministerium in Jakarta fischen 90 Prozent der indonesischen Boote in Gebieten, die bereits überfischt und mit Booten überlaufen sind.
In indonesischen Gewässern leben 37% der weltweit in Meeren vorkommenden Arten. Doch viele davon sind durch den Fischfang gefährdet. So sind etwa Garnelen bereits in mehr als zwei Drittel der indonesischen Fischereigebiete überfischt, sie kommen also immer weniger vor. In den anderen Regionen ist ihre Fangmenge bereits vollständig ausgeschöpft.
Der Rückgang der Bestände ist alarmierend. Doch das Problem sei nicht so einfach zu lösen, denn oft steht der wirtschaftliche Aspekt, die Verkaufsmenge, im Vordergrund. Doch "es geht nicht um die Nachfrage des Weltmarkts, sondern um das Überleben der indonesischen Bevölkerung” betont Nasution.
Subventionen als Treiber der Überfischung
Auch die hohen Subventionen im Fischereisektor – beispielsweise geringere Treibstoffpreise oder Steuererleichterungen – haben dazu geführt, dass die Fangmenge in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich angestiegen ist.
Viele Wissenschaftler sehen sie darum kritisch: Schädliche Subventionen können zu Überfischung, Verlust von Artenvielfalt und Zerstörung von maritimen Lebensräumen führen. Dies passiert beispielsweise, wenn über die nachhaltige Menge hinaus gefischt wird oder wenn Subventionen schädliche Fischereipraktiken gefördert werden. Mehr als 60 Prozent der weltweiten Subventionen in der Fischerei-Industrie sind potentiell schädlich für die Meere, so eine Studie der University of British Columbia.
Die Welthandelsorganisation WTO plädiert schon seit 2001 dafür, schädliche Subventionen in der Fischerei-Industrie abzuschaffen, doch das ist bislang nicht gelungen. " Zwei Jahrzehnte sind zu lang, um die Subventionen zu beenden, die die unerbittliche Übernutzung unserer Ozeane finanzieren. […] Wir brauchen diese Regeln im Interesse der Umwelt, der Lebensmittelsicherheit und der Lebensgrundlagen weltweit.", so WTO-Generaldirektorin Ngozi Okonjo-Iweala in einer Rede zum World Ocean Day 2021
Schädliche in förderliche Subventionen verwandeln
Bisher subventioniert Indonesien die Fischerei stärker als andere Entwicklungsländer, mit mehr als 932 Millionen US-Dollar in 2018. Peru, das fast genauso viel Fang einbringt, steckt im Vergleich nur ein Drittel davon in Fischerei-Subventionen.
Zwar investiert Indonesien absolut betrachtet mehr Geld schädliche Subventionen, aber in Peru liegt der prozentuale Anteil höher.
Solche kapazitätssteigernden Subventionen können beispielsweise finanzielle Unterstützung zum Bau oder zur Reparatur von Booten sein oder etwa die Finanzierung von Fischereihäfen.
Obwohl kleine Fischereibetriebe fast 95 Prozent des Sektors ausmachen, sind es laut Experten vor allem die Fangflotten der Großindustrie, die von Subventionen profitieren.
Gezielte, förderliche Subventionen können dagegen dem Erhalt der Artenvielfalt dienen und Ökosysteme schützen. In Indonesien fließt bisher etwa ein Drittel in solche Subventionen. Damit werden etwa Meeresschutzgebiete gefördert, die bedrohte Ökosysteme vor menschlicher Ausbeutung schützen sollen. Ein erfolgreiches Beispiel dafür ist die Raja Ampat in Ostindonesien, wo 2004 mehrere Meeres-Schutzflächen ausgewiesen wurden. Es umfasst inzwischen ein Netzwerk von geschützten Gebieten mit insgesamt 4,6 Millionen Hektar Fläche und gilt mit mehr als 1600 Fischarten und hunderten Korallen als das artenreichste Schutzgebiet weltweit. Der Fischreichtum zieht viele Touristen und teils auch Wilderer an, die immer wieder beispielsweise mit Dynamitfischen Schaden anrichten.
Doch weltweit gilt Raja Ampat als Erfolgsbeispiel für die Zusammenarbeit von NGOs, den lokalen Fischergemeinden und der indonesischen Regierung. NGOs haben dabei die Forschung und Kommunikation übernommen, um mehr öffentliches Bewusstsein zu schaffen. Währenddessen hat die Regierung Infrastrukturen aufgesetzt, etwa für ein passendes Monitoringprogramm um das Gebiet zu schützen.
Schutzflächen können jedoch nicht überall eingerichtet werden, und auch ein komplettes Ende von schädlichen Subventionen ist derzeit nicht möglich: Wenn ganze Branchen von Subventionen abhängig seien, bestehe ohne sie die Gefahr des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, so Simon Funge-Smith, Senior Fishery Officer im asiatisch-pazifischen Regionalbüro der FAO in Bangkok. Die Konsequenzen wären weitreichend: "Der Verlust von Arbeitsplätzen, der Verlust von Lebensgrundlagen ist politischer Sprengstoff."
Fast 7 Millionen Menschen sind in der indonesischen Fischereiindustrie beschäftigt. Und besonders die kleinen Fischer würden geschädigt, wenn die Regierung alle schädlichen Subventionen einstellen würde, das vermutet Indonesia for Global Justice, eine NGO, die sich für ein gerechtes Handelssystem einsetzt.
Die Regierung müsse darum genau planen, wie sie schädliche Subventionen in förderliche Subventionen umwandeln und dabei weiterhin die Wirtschaftlichkeit der Branche sicherstellen könne, so Funge-Smith.
Politische Richtungswechsel behindern nachhaltige Entwicklung
Doch in den letzten Jahren gab es wenig Kontinuität im indonesischen Fischereiministerium, allein in den letzten zwei Jahren wurde das Ministeramt mehrfach neu besetzt. Das führte auch dazu, dass etwa ein Verbot der besonders schädlichen Schleppnetze im November 2019 ausgehebelt wurde, ehe es im Juli 2021 wieder eingeführt wurde.
Um trotzdem verantwortungsvolles Fischereimanagement zu fördern, müssen sich "alle Beteiligten, einschließlich der Zivilgesellschaft, weiterhin für die Anliegen der indonesischen Fischerei auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene einsetzen”, so Nasution.
Immerhin habe sich Wissensstand zu nachhaltigem Fischen in den letzten Jahren im Ministerium stark verbessert, beobachtet der Greenpeace Experte. Führungsprobleme im Ministerium und der Fokus der Regierung auf attraktive Investitionen aus dem Ausland stünden den Bestrebungen jedoch im Weg. Bei den ausländischen Investitionen stehe der Profit an erster Stelle – das erhöhe den Druck auf Meeresressourcen.
2014 griff die indonesische Regierung zu drastischen Methoden gegen illegale Boote: mehr als 300 ausländische und indonesische Schiffe wurden innerhalb von vier Jahren versenkt. Die Zahl großer ausländischer Fangboote sank danach um ein Viertel, allerdings waren dafür einheimische Fischer aktiver, wie eine Studie amerikanischer und indonesischer Forschenden und des indonesischen Fischereiministeriums zeigte. Die Autoren beobachten insgesamt eine Erholung der Fischbestände, jedoch mit der Gefahr, dass diese durch stark zunehmenden lokalen Fischfang zunichte gemacht wird.
Ohne Daten keine Kontrolle
Ein weiteres entscheidendes Problem bei der Bekämpfung von Überfischung ist das Fehlen verlässlicher Daten, um die Einhaltung von Regelungen zu prüfen und nötige Entscheidungen zum Schutz der Meere zu treffen. Die schiere Größe des indonesischen Archipels mit seinen 17.5000 Inseln und über einer halben Million Fischerboote macht die Überwachung schwierig. Und die meisten Boote haben keine elektronischen Geräte an Bord, die eine Ortung erleichtern würden.
Es gibt erste Pilotprojekte, die Abhilfe schaffen könnten. Eines davon ist FishFace - Fangmenge und Spezies werden damit durch vernetzte Kameras an Bord der Schiffe automatisch erfasst. Die Technik ermöglicht Kontrollen aus der Ferne in Echtzeit.
Funge-Smith zieht darum trotz allem eine positive Bilanz, auch wenn Indonesien sein erklärtes Ziel, bis 2025 nachhaltig zu fischen höchstwahrscheinlich nicht erreichen wird. "Jeder Fortschritt in Richtung dieses Ziels ist großartig."
Arti Ekawati hat zu dieser Recherche beigetragen. Das Stück wurde redigiert von Anke Rasper, Gianna Grün und Martin Kübler.