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Nachhilfe für daddelnde Opas

8. Juli 2010

Auch diesmal tummeln sich auf der PC-Spielemesse Games Convention Tausende Zocker zwischen 10 und 25. Ältere Semester tun sich dagegen schwer mit den Spielen. Muss nicht sein, sagen die Macher der ersten PC-Spielschule.

Christoph Janisch mit Enkel (Foto: Ronny Arnold)
Christoph Janisch endeckt die Welt der ComputerspieleBild: Ronny Arnold

Ungläubig wandert Christoph Janischs Blick immer wieder vom riesigen Bildschirm vor ihm zu dem kleinen Ding in seinen Händen. Der weiße Kasten ist das Steuergerät zum Lenken, Gas geben und Bremsen, mit dem er gleich seinen Rennwagen über die virtuelle Piste bewegen soll. Christoph Janisch wirkt ziemlich überfordert. Jeden der über zehn Knöpfe an diesem Gamepad hat er nun mindestens ein Mal gedrückt, doch sein Wagen mit der Startnummer Vier will einfach nicht losfahren. Die Helfer um ihn herum versuchen alles. Und siehe da, nach ein paar Minuten bewegt sich die kleine bunte Kiste tatsächlich, etwas holprig zwar, aber immerhin.

Spätzünder an der Konsole

In Sachen Computerspiel ist Christoph Janisch definitiv ein Spätzünder. 78 Lebensjahre hat er gebraucht, um nun zum ersten Mal vor einer Spielkonsole zu hocken. Neben ihm auf dem Sofa sitzen die Beiden, die dem agilen Rentner diesen Nachmittag vor dem Bildschirm eingebrockt haben: sein Enkel Toni und dessen Freund Johannes. Die beiden Zehnjährigen haben Opa überredet, bei 33 Grad im Schatten und bestem Badewetter, lieber mit ihnen in der Leipziger Computerspielschule zu daddeln – schließlich ist heute "Großeltern-Enkel-Spieletag". Während Christoph Janisch sich langsam ins Spiel kämpft, freut sich Toni neben ihm sichtlich über die neue Leidenschaft seines Großvaters. "Es ist einfach schön, auch mal mit Opa zu spielen, nicht immer nur mit Mutti oder Vati."

Kinder und Eltern lernen gemeinsam. Hauptziel: MedienkompetenzBild: Ronny Arnold

Oma will spielen

Nur ein paar Rechner weiter sitzt Gabriele Heidecker mit ihren beiden Enkeln Jonas und Melika. Die Drei sind bereits zum 10. Mal hier, kommen zweimal die Woche. Auch die Achtjährige ist begeistert von ihrer spielenden Oma. "Sie hat vorgeschlagen, dass wir hierher kommen und es ist toll, weil man hier alle möglichen Spiele spielen kann." Wenn Oma Fragen hat, versucht Melika ihr zu helfen. Im Moment hat Gabriele Heidecker allerdings keine Fragen, sie ist vertieft in das Wimmelbildspiel "Versteckt Entdeckt Fantasy", muss Bilder suchen und zuordnen. "Das macht richtig Spaß. Ich habe das auch schon mit der Enkeltochter gespielt und sie war sogar besser als ich!" Erst durch das eigene Spielen habe sie gemerkt, so die 52-Jährige, wie und was die Kinder am Computer alles lernen können. Sie ist begeistert, will bald noch öfter mit den Enkeln Zeit am Rechner verbringen.

Medienkompetenz für Erwachsene

Die Leipziger Computerspielschule gibt es seit knapp zwei Jahren, gedacht ist sie vor allem für Eltern und Großeltern. Die sollen hier ihre Berührungsängste abbauen, die Spielwelt ihrer Jüngsten besser verstehen lernen. Wer seine Familie mitbringt, spielt für maximal zwei Stunden kostenlos. Sonst zahlt man für das Ausprobieren neuester Computer-, Online- und Konsolenspiele einen Euro pro Stunde. Geöffnet sind die Räume an jedem Wochentag.

Seit zwei Jahren wird hier gezocktBild: Ronny Arnold

Claudia Philipp ist Medienpädagogin an der Uni Leipzig und derzeit die Projektleiterin der Computerspielschule. Ihre Mission heißt Medienkompetenz. "Die Erwachsenen müssen wissen, welche Spiele und verschiedene Genres es gibt. Nur so können sie die Welt ihrer Kinder verstehen." Denn jedes Genre wird unterschiedlich gespielt. Ein Strategiespiel etwa dauert seine Zeit, braucht Ausdauer und kann nicht einfach so beendet werden. Die Regeln zur Nutzung des Computers müssen dem angepasst werden, etwa über eine maximale Spielzeit pro Woche.

Faszination am Spielen

Die beliebtesten Spiele in der Leipziger Computerschule sind derzeit Autorennen, etwa "Need for Speed – Shift" oder "Mario Kart" und Musikspiele wie "Guitar Hero" oder "DJ Hero". Ob Sportspiele, Simulationen, Strategie- und Onlinegames, die Eltern und Großeltern bringen jede Menge Fragen mit hierher. Welche Spiele sind für mein Kind geeignet? Wie funktioniert das mit dem Jugendschutz? Doch die mit Abstand am häufigsten gestellte Frage sei eine andere, meint Philipp Wolfram, der seit Monaten hier arbeitet. "Die Meisten wollen einfach wissen, warum ihre Kinder so auf diese bunte Spielewelt abfahren." Strategisch Probleme lösen, Belohnungen dafür bekommen, nach Regeln spielen und vor allem mit anderen Kindern zusammen – oder eben mit den Eltern oder Großeltern – lautet die Antwort. "Computerspiele schulen die Auffassungsgabe, weil man sich schnell an Situationen anpassen und komplexe Probleme verstehen muss. Das fördert das logische Denken.", erklärt der 23-Jährige.

Christoph Janisch ist nach fast zwei Stunden immer noch begeistert am Spielen. Mittlerweile vorm Bildschirm stehend versucht er gerade, seine letzte Bowlingkugel auf die virtuelle Bahn zu werfen. Geschickt dreht er den kleinen, weißen Wii-Controller in seiner Hand, drückt im richtigen Moment den Abwurfknopf. Sieben Pins fallen, drei bleiben stehen. Nicht schlecht, freut sich der 78-jährige. Nun sei es aber langsam Zeit zum Aufbrechen, schiebt er hinterher und schickt Toni und Johannes zu ihren Rucksäcken. "Das hat mir richtig Spaß gemacht, es war anregend und man kommt wieder in Schwung." Lächelnd verlässt er die Räume der Computerspielschule und verabschiedet sich mit den Worten: "Bis zum nächsten Mal. Wir kommen definitiv wieder!"

Autor: Ronny Arnold
Redaktion: Manfred Götzke

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