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Politik

Sambias Gründungsvater Kaunda ist tot

Daniel Pelz
17. Juni 2021

Sambias charismatischer Staatsgründer wurde weltweit geachtet. Doch seine Bevölkerung litt unter Korruption, Armut und einem autoritären Einparteienregime. Jetzt ist Kenneth Kaunda im Alter von 97 Jahren gestorben.

Kenneth Kaunda | ehemaliger Präsident Sambias
Sambias erster Präsident Kenneth Kaunda im Jahr 2008Bild: Alexander Joe/AFP/Getty Images

Als Sambias neue grün-rot-schwarz-orange Fahne am 24. Oktober 1964 in der Hauptstadt Lusaka in die Höhe steigt, hat es Kenneth Kaunda geschafft. Sein Heimatland ist unabhängig - mit ihm an der Spitze. Keine Selbstverständlichkeit, denn seine Eltern stammten aus dem Nachbarland Malawi. Sein Vater war als protestantischer Missionar nach Sambia gekommen, das damals noch britische Kolonie war. Dort wird Kaunda 1924 geboren.

Der Pfarrersohn wird zunächst Lehrer. In der Kolonialzeit ist das für einen Afrikaner eine Spitzenposition. Hohe Posten in Wirtschaft oder Staat sind den Weißen vorbehalten. Solche Grenzen will Kaunda nicht akzeptieren. Er beginnt, sich politisch zu engagieren. Die Kolonialmacht lässt ihn mehrfach einsperren. Schließlich steht er an der Spitze der sambischen Unabhängigkeitsbewegung. Seine "Vereinigte Nationale Unabhängigkeitspartei" gewinnt bei den ersten Parlamentswahlen 1964 die absolute Mehrheit.

1964 war Kenneth Kaunda zunächst Premierminister Bild: Central Press/Hulton Archive/Getty Images

Doch die wirkliche Arbeit beginnt erst, als die britische Herrschaft endet. "Es ist ein Wunder, dass wir noch immer eine Nation sind, wenn man sich anguckt, welche Herausforderungen wir durchmachen mussten", sagte er später in einem Interview mit der Deutschen Welle. Denn Kaunda übernimmt einen Staat mit 75 unterschiedlichen Ethnien. Außer den von den Kolonialmächten gezogenen Grenzen vereint sie nichts. Von den dreieinhalb Millionen Einwohnern haben knapp über hundert ein Studium abgeschlossen. Die Mehrheit lebt in bitterer Armut.

Vom sambischen Humanismus zum Einparteienstaat

Doch Kaunda schafft es, den neuen Staat zusammenzuhalten. Wie Ghanas Staatsgründer Kwame Nkrumah und Tansanias Julius Nyerere erfindet er eine Philosophie, mit der er die Gesellschaft einen will. "Sambischer Humanismus" heißt sein Konzept. Es ist ein Mix aus christlichen Werten, afrikanischen Traditionen und sozialistischen Leitsätzen. "Der Mensch soll nicht vom Brot alleine leben, aber das tun die Menschen heute. Daher haben wir auch keinen Frieden, denn die Menschen streben nur nach materiellen Dingen, aber vergessen die Spiritualität", sagte er in einem DW-Interview.

Kenneth Kaunda im Interview mit der DW im Jahr 1984Bild: DW

Der charismatische Staatschef, der Interviews und Reden mit Bibelzitaten und philosophischen Betrachtungen anreichert, gewinnt weltweite Achtung. "Er war der Landesvater, ein ganz väterlicher Typ. Aber er ist ein einfacher Mensch geblieben, der keine Ambitionen hatte, verehrt zu werden", sagte der inzwischen verstorbene Friedrich Stenger, der lange als katholischer Missionar in Sambia lebte, der DW im Jahr 2017.

Kaunda, der Vermittler

Diese öffentliche Bild entsteht auch, weil er sich in zahlreichen Krisen in der Region engagiert. Mit der weißen Apartheidregierung in Südafrika sucht er immer wieder das Gespräch, um die Situation im Nachbarland friedlich zu lösen. Auch im angolanischen Bürgerkrieg engagiert er sich als Vermittler. Gleichzeitig unterstützt er aber auch die namibische Befreiungsbewegung SWAPO und die ZAPU in Simbabwe. "Die afrikanischen Massen in diesen Ländern wollen an der Macht in ihren Ländern beteiligt werden. Regierungen, die von Minderheiten gestellt werden, hindern sie mit Gewalt daran. Wir können nicht erwarten, dass sie noch Jahre ruhig bleiben", sagte damals Kaunda der DW.

Kaunda (Mitte rechts) vermittelte in zahlreichen Konflikten, hier 1974 bei Gesprächen über die Unabhängigkeit MosambiksBild: casacomum.org/Arquivo Mário Soares

Das alles sind auch die Dinge, an die sich die Menschen in Sambia noch heute erinnern. Patrick Chikungulwa würdigt den ehemaligen Präsidenten für seine Vermittlungsversuche. "Er hat für das Land und sogar für die Region großartige Dinge getan", sagt der 60-Jährige Ladenbesitzer der DW bei einer Straßenumfrage kurz vor Kaundas Tod.

"KK hat die Ethnien vereint, im Geiste eines Sambias, einer Nation", sagt die 38-Jährige Mutinta Mushabati. Edith Lengwe lobt das Bildungssystem unter Kaunda. "Bildung war im Prinzip kostenfrei. Wir haben alles Notwendige bekommen. Die Bürger zu bilden bedeutet, dass das Land gedeiht", sagt die Krankenschwester. Heutzutage kümmert sich ihrer Meinung nach die Regierung nicht ernsthaft darum, dass Kinder qualitativ gut unterrichtet werden.

Freude bei der Abwahl

Aber es gibt auch die andere Seite Kaundas, die mit den Jahren immer deutlicher wird. Wie andere afrikanische Staatsgründer verwandelt auch Kaunda sein Land in einen Einparteienstaat. "Er war auch ein Machtpolitiker, der wusste, wie man an der Macht bleibt und wie man Leute beseitigt, die einem gefährlich werden", sagte Stenger im DW-Interview. Gegen Gegner gehen Polizei und Geheimdienst mit drakonischen Mitteln vor, viele landen im Gefängnis.

Kenneth Kaunda mit Bundeskanzler Helmut Schmidt 1978 in LusakaBild: Heinrich Sanden/dpa/picture alliance

Die Spannungen nehmen während seiner Regierungszeit zu. Wegen seiner großen Kupfervorkommen ist das Land eigentlich reich. Kaunda lässt die Kupferminen verstaatlichen. Doch Ende der siebziger Jahre brechen die Preise auf den Weltmärkten ein. Zudem sind Importe teuer: Sambia hat keinen eigenen Meer-Zugang, und wegen der Bürgerkriege in der Region sind zahlreiche Transportwege unbenutzbar.

Wachsende Korruption und die immer ineffizienter werdenden Staatsbetriebe verschlechtern die Wirtschaftsleistung noch. Die Versorgung der Bevölkerung wird schwieriger, viele Waren sind im Land nicht mehr verfügbar. Bei sich sieht Kaunda keine Schuld. "Mit unseren Produkten verdienen wir auf den Weltmärkten wenig. Aber wir bezahlen Mondpreise für alles, was wir kaufen", klagte er in einem DW-Interview.

Weltweit geschätzt: Fidel Castro begrüßt den sambischen Präsidenten 1989 auf KubaBild: Rafael Perez/AFP

Seine Bevölkerung glaubt ihm das immer weniger. 1986 kommt es zu blutigen Unruhen, die Kaunda von der Armee niederschlagen lässt.

Zivilgesellschaft und Gewerkschaften fordern immer lauter freie Wahlen. Kaunda stimmt zu - und wird 1991 abgewählt. "Die Freude im Land war groß", erinnerte sich Afrika-Missionar Stenger.

Rückzug aus der Politik

Am Ende der Kaunda-Ära gehört Sambia noch immer zu den ärmsten Ländern der Welt - und ist hochverschuldet. Die neue Regierung schikaniert den Ex-Präsidenten nach Kräften. Sie erklärt Kaunda zum Ausländer - weil seine Eltern aus Malawi stammten. Nur Proteste halten sie davon ab, ihn dorthin abzuschieben. 1996 will Kaunda bei den Präsidentschaftswahlen wieder antreten. Sein Nachfolger Frederick Chiluba verhindert das mit einem Trick. Er lässt die Verfassung ändern. Nun kann nur jemand Präsident werden, dessen Eltern schon in Sambia geboren worden sind.

Kaunda zieht sich aus der Politik zurück. Mit einer Stiftung kämpft er gegen die AIDS-Seuche. Schon 1987 hatte er zugegeben, dass sein Sohn an AIDS gestorben war - obwohl die Krankheit damals noch ein Tabu in Afrika war. In Interviews meldet er sich gelegentlich zu Wort. In seinen letzten Jahren lebt er bescheiden mit seiner Frau in der Hauptstadt Lusaka.

Am Montag ist Sambias Gründungsvater in ein Militärkrankenhaus gebracht worden - seinem Sprecher zufolge wegen einer Lungenentzündung. Mit dem Coronavirus sei er aber nicht infiziert gewesen. Am Donnerstag starb Kaunda im Alter von 97 Jahren.

Mitarbeit: Glory Mushinge

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