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Nachsitzen für deutsche Schulen

17. Juni 2002

Bei der weltweit größten Schulleistungsuntersuchung „PISA“ haben nicht nur die deutschen Schüler, sondern das gesamte Schulsystem der Bundesrepublik ein katastrophales Zeugnis erhalten.

Schlechte Noten für deutsche SchülerBild: AP

Insgesamt belegten deutsche Schüler nur den 25. von 32 Plätzen. Im OECD-Durchschnitt erreichten 10 Prozent der Schüler beim Lesen – der wichtigen Basiskompetenz für Lernen, Leben, Beruf und Weiterbildung - die höchste Kompetenzstufe. In Australien, Kanada, Finnland, Neuseeland und Großbritannien waren dies sogar 15 Prozent. Diese Schüler sind in der Lage, extrem schwierige Texte zu verstehen und daraus Folgerungen zu ziehen. Aus diesem Schülerkreis werden die Spitzenbegabungen eines Landes rekrutiert. Die deutschen Schüler landeten mit neun Prozent unter dem Durchschnitt der OECD-Länder. Bei den "schwachen Schülern" erreichen die Deutschen negative Spitzenwerte und landen damit auf dem viertletzten Platz. Schlechter sind nur noch Luxemburg, Mexiko und Brasilien.

Soziale Selektion

In keinem anderen Industrieland ist die soziale Herkunft so entscheidend über den Schulerfolg wie in Deutschland. Anders als Staaten wie Kanada, Finnland, Japan, Korea und Schweden schaffte es das deutsche Schulsystem nicht, herkunftsbedingte Lern-Nachteile auszugleichen. Wer aus der Unterschicht kommt, hat in Deutschland ungleich kleinere Chancen auf ein Abitur oder einen mittleren Bildungsabschluss als in anderen Industrieländern. Eine mögliche Erklärung ist für die Forscher die mit dem zehnten Lebensjahr in Deutschland praktizierte frühe Aufteilung der Schüler auf Hauptschule, Realschule und Gymnasium - was kaum noch ein anderes Industrieland praktiziert. Fazit: Selbst gute Haupt- und Realschüler werden in ihrer Lerngruppe nicht ausreichend gefördert und zum "Aufstieg" animiert. "Durchlässigkeit nach oben" findet praktisch nicht statt. Die Leistungen deutscher Gymnasiasten bleiben trotz der frühen Auswahl nur unter dem Mittelmaß. In den Staaten mit Spitzenergebnissen gehen die Kinder dagegen mindestens acht bis neun Jahre in eine Klasse.

Ausländerkinder

Auch andere Industrieländer haben eine hohe Zahl von Ausländerkindern in ihren Schulen, die zu Hause oft eine andere Sprache sprechen als mit "Pisa" untersucht wurde. Gleichwohl gelingt Ländern wie Norwegen, Schweden, Österreich und Schweiz bei fast gleichen Problemen eine deutlich bessere Förderung. Mögliche Erklärungsansätze sind dabei: Mehr Förderung schon im Kindergarten, Ganztagsschulen, in denen die Kinder länger am Tag mit anderen Kindern die Sprache des Gastlandes sprechen, sowie spezieller Förderunterricht.

Reaktionen

Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) verwies darauf, dass der Bund seine Ausgaben im Bildungsbereich in den letzten drei Jahren um 15,5 Prozent gesteigert habe. "Wir müssen unsere Kinder früher und besser fördern. Auslese ist der falsche Weg", sage sie. Auf allen Ebenen müsse mehr Geld im Bildungswesen investiert werden. Hans-Ulrich Gründer, Professor für Schulpädagogik in Tübingen, hält die deutschen Schulen für lebensfremd. Er kritisiert vor allem die übliche Unterrichtsform: "Wenn der Lehrer nur vor der Klasse steht und den Lehrstoff vorträgt, lernen die Schüler nicht selbständig denken." Die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Annette Schavan fordert eine bessere Lehrerbildung und die Pflicht zur Fortbildung. Der Bundeselternrat hat nach Bekanntgabe der schlechten Ergebnisse eine umfassende Bildungsreform gefordert. Schule müsse einen anderen Stellenwert bekommen, als den der reinen "Pauk-Schule".

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