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Nacktmulle überleben auch ohne Sauerstoff

Judith Hartl
20. April 2017

Der Nacktmull bringt Forscher immer wieder zum Staunen. Das - nun ja - nicht gerade ansehnliche Wundertierchen altert nicht, spürt keinen Schmerz und kann sogar ohne Sauerstoff weiterleben. Zumindest eine Zeit lang.

4 Nacktmulle
Bild: Thomas Park/UIC

Neues von den Nacktmullen

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Der Nacktmull ist ein faszinierendes Ding. Es ist wirklich hässlich, ja bemitleidenswert hässlich, aber irgendwie auch niedlich hässlich. Dafür hat es Eigenschaften, die uns neidisch machen: Das Tierchen altert nicht, ist krebsresistent und spürt keinen Schmerz. Und jetzt eine neue Entdeckung zum Staunen: Nacktmulle können eine Zeit lang, wenn's gar nicht anders geht, auch ohne Sauerstoff auskommen.

Dazu muss man wissen: Die Tiere leben unter der Erde. Deswegen haben sie kein Fell, deswegen haben sie klitzekleine Augen und enorme Nagezähne, die sie wie Baggerschaufeln einsetzen. Damit graben sie riesige Tunnelsysteme, in denen sie gesellig in großen Kolonien leben.

Dieses Leben unter der Erde, mit zahlreichen Artgenossen, kann dazu führen, dass es in den Gängen schon mal stickig wird. Sehr stickig. Menschen benötigen mindestens zehn Prozent Sauerstoff in der Atemluft, Nacktmulle kommen mit fünf Prozent klar. Wie sie das machen, war bislang unbekannt. Jetzt aber machten Wissenschaftler vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin eine spannende Beobachtung. In diesem Institut leben - unter den Augen der Forscher - zahlreiche Nacktmulle in einem künstlichen Höhlensystem.

Sauerstoff? Überbewertet, finden Nacktmulle

Als wieder einmal etwa hundert Tiere auf einem Haufen geschlafen hatten, blieben nach dem Aufwachen einige von ihnen auf dem Rücken liegen. Offensichtlich hatten sie keine Luft mehr bekommen. Aber trotz extremen Sauerstoffmangels waren sie nicht erstickt, nicht tot - kaum bekamen sie wieder mehr Luft, war es so, als sei nie etwas gewesen. Das wunderte die Forscher. Was war da passiert?

Nacktmulle können offensichtlich bis zu 18 Minuten komplett ohne Sauerstoff überstehen. Sie fallen in einen winterschlafähnlichen Zustand, die Körperfunktionen werden heruntergefahren, der Puls verlangsamt sich stark, nur die lebenswichtigen Organe werden mit Energie versorgt. Aber woher kommt die Energie?

Dieses Rätsel hat ein internationales Forscherteam offensichtlich gelöst. Im Fachmagazin "Science" schreiben sie, dass Nacktmulle offensichtlich ihren Stoffwechsel komplett umstellen können, wenn Sauerstoff fehlt.

Bild: Roland Gockel

Normalerweise gewinnen die Tiere, wie alle Säugetiere, auch wir Menschen, ihre Energie zum Denken, Laufen, Sprechen, aus dem Zucker Glukose. Ohne diesen Treibstoff geht nichts. Alle Organe brauchen Glukose, um zu funktionieren. Glukose wird aus der Nahrung gewonnen - aus Zucker, aber auch aus stärkereichen Lebensmitteln wie Nudeln, Kartoffeln, Brot. Um daraus Energie zu gewinnen, muss die Glukose verbrannt werden, und das geschieht mit Hilfe von Sauerstoff. Fehlt er, geht der Treibstoff zu Ende, der Körper wird nicht mehr mit lebensnotwendiger Energie versorgt.

Statt Glukose Fruktose

Und nun der Coup der Nacktmulle: Bei Sauerstoffmangel wechseln sie von Glukose auf einen anderen Zucker als Treibstoff: auf Fruktose. Diesen Fruchtzucker können zum Beispiel die Herz- oder Gehirnzellen des Nacktmulls in Energie umwandeln, ohne dass Sauerstoff notwendig wäre. Dieser Umstieg von Glukose auf Fruktose fällt den Nacktmullen offensichtlich leicht, ihre Organe arbeiten ohne große Einschränkung weiter.

"Unsere Arbeit ist der erste Nachweis, dass ein Säugetier von Glukose auf Fruktose umschalten kann", sagt Gary Lewin, der leitende Forscher der Studie. Wie seine Kollegen hofft er jetzt, dass dieser Mechanismus sich irgendwie auf den Menschen übertragen lässt. Damit Patienten vor den Folgen von Sauerstoffmangel bewahrt werden, den ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall binnen Minuten anrichten kann und schlimmste Folgen für das Gehirn hat. Denkbar sei das, versichert Lewin, denn auf genetischer Ebene sind Mensch und Mull gar nicht so weit auseinander.

Und auch diese Tiere leben sehr sozial in Verbänden, Staaten oder Kolonien

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