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PolitikNahost

Hardliner greift nach der Macht

Andreas Noll
3. Juni 2021

Die Koalition ist beschlossen, die Ära Netanjahu scheint vorbei. An der Spitze der neuen israelischen Regierung soll zunächst der ultrarechte Naftali Bennett stehen. Ein Porträt.

Israel Wahl | Naftali Bennett
Naftali Bennett: der Ultranationalist könnte die Ära Netanjahu beendenBild: Yonatan Sindel/AFP

Wie bei vielen israelischen Politikern führt auch Naftali Bennetts Weg in die Politik über die Streitkräfte. Sechs Jahre lang dient Bennett, dessen Familie aus San Francisco nach Israel ausgewandert war, in Spezialeinheiten der israelischen Armee. Diese Vergangenheit dürfte eine Rolle gespielt haben, als der Oppositionspolitiker Benjamin Netanjahu den damals 34 Jahre alten Elitesoldaten 2006 zu seinem Stabschef macht. Auch Netanjahu hatte früher in der Anti-Terror-Truppe Sajeret-Matkal gedient.

Im Libanonkrieg 2006 verliert Naftali Bennett seinen besten FreundBild: imago/Xinhua

Die Militärzeit Bennetts wurde auch Jahre nach seinem Ausscheiden noch kontrovers in der israelischen Öffentlichkeit diskutiert. Als Offizier einer Spezialeinheit war Bennett im Aprilkrieg 1996 an einem israelischen Artillerieangriff auf das libanesische Dorf Kana beteiligt, bei dem das Hauptquartier der UN-Truppen zerstört und mehr als 100 Zivilisten getötet wurden.

Multimillionär mit 33

Nach dem Ende seines Dienstes in der Armee 1996 studiert Bennett in New York Jura, gründet ein Software-Unternehmen, das schnell Gewinne erwirtschaftet und wenige Jahre später beim Verkauf mit 145 Millionen US-Dollar bewertet wird. Mit 33 Jahren hat Bennett finanziell ausgesorgt: "Ich könnte den Rest meines Lebens Cocktails in der Karibik trinken."

Seine politische Karriere startet der Quereinsteiger nach dem Libanonkrieg 2006, bei dem Bennett seinen besten Freund verloren hat, als Büroleiter von Oppositionsführer Benjamin Netanjahu. Zwei Jahre lang zählt er zum engsten Umfeld des Likud-Politikers, doch kurz bevor Netanjahu 2009 erneut zum Regierungschef gewählt wird, beendet Bennett die Zusammenarbeit mit ihm und geht auf Distanz zu seinem Mentor.

Früher Partner, heute Rivalen um die Macht: Premierminister Benjamin NetanjahuBild: Yonatan Sindel/AFP

Dass der konservative Premier sich nach US-amerikanischem Druck für einen befristeten Siedlungsstopp ausgesprochen hatte, kritisiert Bennett scharf. Als Vorsitzender der gemeinsamen Dachorganisationen der Siedlungen organisiert er einen wirkungsvollen Protest gegen diese Pläne und baut Druck auf Netanjahu auf.

Suche nach der richtigen Partei

Im Frühjahr 2012 beendet der aufstrebende Politiker nach vielen Jahren auch seine Mitgliedschaft im Likud, der größten konservativen Partei Israels, und schließt sich der national-religiösen Partei "Jüdisches Heim" an. Schon ein halbes Jahr später wählt ihn die damals mit nur drei Sitzen im Parlament vertretende Kleinpartei zu ihrem Vorsitzenden. Unter seiner Führung kann "Jüdisches Heim" seine Wählerbasis verbreitern und mehr Abgeordnete ins Parlament entsenden. Als Minister und Mitglied des Sicherheitskabinetts zieht Bennett 2013 in die Regierung seines Rivalen Netanjahu ein.

Doch auch "Jüdisches Heim" wird für ihn nur eine Übergangsstation auf dem Weg nach oben. Sechs Jahre nachdem ihn die Partei zu ihrem Vorsitzenden gewählt hat, verlässt er die Bewegung und gründet Ende 2018 eine neue Fraktion in der Knesset mit dem Namen HaJamin HeChadasch ("Die Neue Rechte"). Für die Parlamentswahl 2019 verbindet sich "Die Neue Rechte" mit dem Parteienbündnis "Union der rechten Parteien" zum politischen Bündnis Jamina, das sich damals für die Wiederwahl Benjamin Netanjahus ausspricht. Als Verteidigungsminister zieht Naftali Bennett im Herbst 2019 erneut ins Kabinett Netanjahu ein.

Gemeinsames Ziel: Ende der Ära Netanjahu

Spätestens seit den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr, bei dem Jamina sieben Sitze erringen konnte, arbeiten Jamina und Naftali Bennett auf das Ende der Ära Netanjahu hin. Gelingen soll dies nun mit einer auch aus israelischer Perspektive abenteuerlichen Koalition - sie soll von ganz links über die bürgerliche Mitte bis zum äußersten rechten Rand des politischen Spektrums reichen.

Oppositionsführer Jair Lapid: Mit ihm könnte sich Naftali Bennett das Amt des Regierungschefs teilenBild: Gil Cohen-Magen/AFP

Neben der rechten Jamina umfasst das geplante Bündnis auch die mit 17 Sitzen deutlich stärkere liberale Jesch Atid (Es gibt eine Zukunft), der Oppositionsführer Jair Lapid vorsteht. Lapid könnte zunächst Außenminister werden und nach zwei Jahren von Bennett den Posten des Regierungschefs übernehmen. Aber auch die linke Arbeitspartei, die ebenfalls linke Meretz, "Unser Heim Israel" von Avigdor Lieberman, "Neue Hoffnung" und "Blau-Weiß" von Benny Gantz sollen Teil dieser Regierung werden. Außerdem müsste die Koalition wohl noch von Abgeordneten aus der arabischen Bevölkerungsminderheit unterstützt werden, um im Parlament eine Mehrheit zu haben.

Gegner der Zwei-Staaten-Lösung

Welche politischen Ziele Naftali Bennett in dieser heterogenen "Koalition des Wandels" mit zahlreichen ehemaligen Netanjahu-Leuten, aber auch mit linken und liberalen Kräften durchsetzen könnte, bleibt einstweilen offen. Derzeit eint die Parteien wohl vor allem der Wille, Premier Netanjahu, der wegen Korruption und anderer schwerer Vergehen angeklagt ist, nach zwölf Jahre andauernder Regierungszeit in die Opposition zu schicken.

Naftali Bennett will eine massive Ausweitung des Siedlungsbaus im WestjordanlandBild: imago images/CHROMORANGE

Während Bennett in der Sozial- und Wirtschaftspolitik liberale Positionen vertritt, gilt er im Nahost-Konflikt als Hardliner. Mit seinen radikalen Vorschlägen hat er in den vergangenen Jahren die israelische Regierung und Premierminister Netanjahu immer weiter nach rechts rücken lassen. Der Ultranationalist sieht sich politisch rechts vom amtierenden Premier. Einen unabhängigen palästinensischen Staat lehnt Bennett bis heute kategorisch ab. "Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, damit sie niemals einen eigenen Staat bekommen", so der Politiker gegenüber der US-amerikanischen Zeitschrift "The New Yorker" 2013. Er sei sich jedoch bewusst, dass Palästinenser und Israelis "nirgendwo anders hingehen werden" und "miteinander leben müssen", so Bennett 2015 im Interview mit der DW.

Der heute 49-Jährige möchte große Teile des Westjordanlandes von Israel annektieren lassen und die Zahl jüdischer Siedler in diesen Gebieten auf eine Million erhöhen.Ein Plan, der im Ausland großen Protest ausgelöst hat.

 

Dieser Artikel wurde am 03.06.2021 aktualisiert.

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