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KonflikteNahost

Biden in Israel: "Ihr seid nicht allein!"

Veröffentlicht 18. Oktober 2023Zuletzt aktualisiert 18. Oktober 2023

In Tel Aviv betont der US-Präsident den amerikanischen Beistand bei der Verteidigung Israels. Der Raketeneinschlag auf einem Klinik-Gelände in Gaza-Stadt löst Empörung aus. Nachrichten im Überblick.

US-Präsident Joe Biden (r.) wird in Tel Aviv vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu begrüßt
US-Präsident Joe Biden (r.) wird in Tel Aviv vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu begrüßtBild: Evelyn Hockstein/REUTERS

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Biden sagt Israel fortdauernde Unterstützung der USA zu
  • Entsetzen und Proteste nach Raketeneinschlag auf Klinikgelände
  • USA verhindern UN-Resolution zu humanitärer Feuerpause
  • Israel will Hilfslieferungen aus Ägypten in Gazastreifen zulassen
  • Wieder pro-palästinensische Demonstrationen in Berlin    

 

Bei einem Besuch in Tel Aviv hat US-Präsident Joe Biden Israel die fortdauernde Unterstützung der USA zugesagt. "Ich möchte Ihnen sagen, dass Sie nicht allein sind. Ihr seid nicht allein", sagte Biden zu Beginn einer gemeinsamen Sitzung mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und dem israelischen Kriegskabinett. Die USA würden "Israel weiterhin den Rücken stärken, wenn es darum geht, sein Volk zu verteidigen", sagte Biden weiter. Washington werde mit Israel und den Partnern in der Region zusammenarbeiten, um weitere Tragödien für unschuldige Zivilisten zu verhindern. Biden kündigte zudem an, den US-Kongress diese Woche um ein "beispielloses" Paket an Militärhilfen für Israel zu bitten. 

Der US-Präsident mahnte zugleich ein maßvolles Vorgehen Israels an. Das Land solle nicht die "Fehler" der USA nach den islamistischen Terroranschlägen vom 11. September 2001 wiederholen, sagte Biden bei einer Rede in Tel Aviv. Israel dürfe von seiner "Wut" auf den Großangriff der Hamas nicht "verzehrt" werden. Biden rief Israel zu einem Schutz der Zivilbevölkerung im Gazastreifen auf. Er kündigte zudem neue humanitäre Hilfen für die Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland in Höhe von 100 Millionen Dollar (rund 95 Millionen Euro) an. Biden hatte vor seinem Israel-Besuch vor einer kompletten Besetzung des Gazastreifens gewarnt.

Netanjahu sprach seinerseits von einer "anderen Art von Krieg, weil die Hamas eine andere Art von Feind ist". Während Israel versuche, Zivilisten zu schützen, ziele die Hamas gerade auf sie ab. "Die Hamas will so viele Israelis wie möglich töten, mit keinerlei Rücksichtnahme auf die Leben von Palästinensern. Sie zielen auf unsere Zivilisten ab, während sie sich hinter ihren eigenen Zivilisten verstecken." 

Kein Vierer-Gipfel mit Biden in Jordanien 

Jordanien hatte ein für diesen Mittwoch geplantes Vierer-Gipfeltreffen mit Biden in Amman abgesagt. Es werde erst stattfinden, "wenn die Entscheidung getroffen wurde, diesen Krieg zu beenden und den Massakern ein Ende zu setzen", erklärte der jordanische Außenminister Aiman al-Safadi. An dem Treffen sollten ursprünglich der US-Präsident, der jordanische König Abdullah II., der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi sowie Palästinenserpräsident Mahmud Abbas teilnehmen, um über die humanitäre Notlage der Zivilisten im Gazastreifen zu sprechen.

Entsetzen und Proteste nach Raketeneinschlag auf Klinikgelände in Gaza

Der Beschuss eines Krankenhaus-Geländes in Gaza-Stadt, durch den nach palästinensischen Angaben Hunderte Menschen ums Leben gekommen sein sollen, sorgt für Entsetzen. Während die im Gazastreifen herrschende Hamas umgehend Israel die Schuld für den Vorfall zuschrieb, machte Israel seinerseits die militante Palästinensergruppe Islamischer Dschihad dafür verantwortlich.

Ein Verletzter wird nach dem Beschuss des Al-Ahli-Klinikgeländes in ein anderes Krankenhaus gebrachtBild: Mohammed Al-Masri/REUTERS

Das Medienbüro der Hamas, die vom Westen als Terrororganisation eingestuft wird, bezeichnete die Attacke als "Kriegsverbrechen". Der in Katar ansässige Hamas-Chef Ismail Hanija betonte, der Angriff auf das Krankenhaus Al-Ahli sei ein neuer Wendepunkt in dem Konflikt. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sprach von einem "Klinik-Massaker" und ordnete eine dreitägige Trauerzeit an.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu erklärte: "Die ganze Welt sollte es wissen: Es waren barbarische Terroristen in Gaza, die das Krankenhaus in Gaza angegriffen haben." Es sei nicht das israelische Militär gewesen. "Diejenigen, die unsere Kinder brutal ermordet haben, ermorden auch ihre eigenen Kinder", fügte der Premier hinzu.

Israelische Dokumente sollen die Schuldfrage klären

Das israelische Militär hat Dokumente veröffentlicht, die auf eine fehlgeleitete Rakete der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad als Ursache für die Explosion hinweisen sollen. Das würden unter anderem Luftaufnahmen des Krankenhauses belegen. Sie zeigen einen Parkplatz, auf dem ein Brand ausgebrochen war. Ein typischer Krater, wie er sonst bei israelischen Luftangriffen entstehe, sei nicht zu sehen, heißt es in der Stellungnahme aus Israel.

Bestreitet Angaben der Hamas: Israelischer Militärsprecher Daniel HagariBild: ISRAELI ARMY/REUTERS

Außerdem habe Israels Militär ein Gespräch zwischen Hamas-Terroristen abgehört, in dem von einer "Fehlfunktion" oder der "Explosion einer Rakete, die im Gazastreifen gelandet ist" die Rede sei. Zudem sei kurz vor dem Vorfall eine Salve von Raketen aus dem mittleren oder nördlichen Abschnitt des Gazastreifens in Richtung Israel abgefeuert worden. Diese sei auf Israels Radarsystem verzeichnet worden.

Wut und Empörung in der arabischen Welt

Der Islamische Dschihad wies die Schuldzuweisung der Israelis zurück. Die militante Palästinensergruppe wird sowohl von Israel als auch von den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und mehreren anderen Ländern als terroristische Organisation eingestuft.
Auch mehrere arabische Staaten gaben Israel die Schuld. Saudi-Arabien verurteilte das "abscheuliche Verbrechen" aufs Schärfste und machte Israel dafür verantwortlich. Riad verurteile die "anhaltenden Angriffe der israelischen Besatzung" auf Zivilisten, heißt es in einer Erklärung des saudischen Außenministeriums. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) gaben Israel die Schuld. Marokko verurteilte die "Bombardierung" der Klinik "durch israelische Streitkräfte" ebenso "aufs Schärfste". Auch Bahrain schloss sich der Kritik an und sprach von einem "israelischen Bombenanschlag".

Die im Libanon aktive Hisbollah-Miliz rief einen "Tag des beispiellosen Zorns" gegen Israel aus. Sie forderte die Menschen in der arabischen und islamischen Welt auf, ihrer Empörung Ausdruck zu verleihen. In mehreren muslimisch geprägten Ländern kam es zu Protesten. In der libanesischen Hauptstadt Beirut setzten Sicherheitskräfte Wasserwerfer und Tränengas gegen Demonstranten ein. In der tunesischen Hauptstadt Tunis gingen nach Angaben des Innenministeriums 17.000 Menschen auf die Straße. In Jordaniens Hauptstadt Amman versammelten sich dem Sender Roya TV zufolge mehrere Tausend Menschen nahe der israelischen Botschaft.

Die Hisbollah wird von den USA, Deutschland und mehreren sunnitischen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft. Sie wird vom Iran unterstützt. Die EU listet lediglich den bewaffneten Flügel der Hisbollah als Terrorgruppe.

"Unschuldige wurden verletzt und getötet"

UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich ebenso wie der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz von dem Vorfall in Gaza bestürzt. "Mein Herz ist bei den Familien der Opfer. Krankenhäuser und medizinisches Personal unterliegen dem Schutz des humanitären Völkerrechts", schrieb Guterres auf X, vormals Twitter. 

Auch UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk verurteilte den Vorfall. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Russland beantragten für diesen Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York.

"Unschuldige Zivilisten sind verletzt und getötet worden", schrieb Bundeskanzler Scholz auf der Online-Plattform X. "Unsere Gedanken sind bei den Familien der Opfer."

Zugleich forderte der Kanzler sorgfältige Ermittlungen zu den Hintergründen. "Es ist wichtig, dass dieser Vorfall sehr genau aufgeklärt wird."

USA verhindern UN-Resolution zu Feuerpause

Die USA haben mit einem Veto eine Forderung des UN-Sicherheitsrats nach einer humanitären Feuerpause im Nahostkrieg verhindert. In dem entsprechenden Resolutionsentwurf fehle eine Passage zum Selbstverteidigungsrecht Israels, erklärte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, in New York zur Begründung. Der Entwurf enthielt auch eine Verurteilung aller Gewalt gegen Zivilisten.

US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield hebt den Arm, als im UN-Sicherheitsrat nach Gegenstimmen zu der Feuerpausen-Resolution gefragt wird Bild: Fatih Aktas/Anadolu/picture alliance

Für die Annahme des von Brasilien eingebrachten Textes stimmten zwölf der insgesamt 15 Ratsmitglieder. Zwei enthielten sich, darunter Russland und Großbritannien. Die USA votierten somit als einziges Land dagegen - da sie eines der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates sind, haben sie ein Vetorecht.

Israel will Hilfslieferungen aus Ägypten zulassen

Israel wird nach eigenen Angaben humanitäre Hilfslieferungen aus Ägypten in den Gazastreifen zulassen. Dies gab das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu unter Verweis auf eine Bitte von US-Präsident Joe Biden bekannt. Dabei dürfe es sich jedoch nur um Lebensmittel, Wasser und Medikamente für die Zivilisten im Süden des Küstenstreifens handeln. Israel werde dagegen nicht gestatten, dass humanitäre Hilfe von seinem Staatsgebiet aus in den Gazastreifen gelange, solange die von der Hamas verschleppten Israelis nicht wieder frei seien. 

Kolonnen von Sattelschleppern mit Hilfslieferungen für den Gazastreifen am - derzeit noch geschlossenen - Grenzübergang Rafah Bild: Anadolu/picture alliance

Zuvor hatte Bundeskanzler Scholz betont, er sehe Fortschritte bei den politischen Bemühungen um die Zivilbevölkerung im Gazastreifen. "Es hat sich was bewegt in den letzten Tagen", sagte der Sozialdemokrat nach einem Treffen mit Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi. Er hoffe, dass bald Grenzübergänge für humanitäre Einsätze geöffnet werden könnten. Scholz erläuterte, die Vereinten Nationen sähen sich in der Lage, diese Hilfe zu gewährleisten, "ohne dass die Hilfe in falsche Hände gerät". Das sei eine ganz wichtige Information.

Ägypten: Keine "Vertreibung der Bürger aus Gaza"

Aus Furcht vor einer Massenflucht lehnt Ägypten weiterhin die Aufnahme palästinensischer Flüchtlinge aus dem Gazastreifen ab. Staatschef Abdel Fattah al-Sisi sagte bei der Pressekonferenz mit Bundeskanzler Scholz: "Die Idee, die Menschen aus Gaza nach Ägypten (...) zu vertreiben, ist nicht umsetzbar und wir warnen vor den damit verbundenen Risiken."

Die Sinai-Halbinsel könnte in dem Fall Ausgangspunkt für Angriffe militanter Palästinenser auf Israel werden, für die dann Ägypten verantwortlich gemacht werden könnte. Al-Sisi sagte, sollte es die Idee geben, Palästinenser zu vertreiben, "dann gibt es die Negev-Wüste."

Der ägyptische Staatschef forderte die internationale Gemeinschaft auf, die "vorsätzlichen Praktiken" gegen Zivilisten im von Israel abgeriegelten Gazastreifen zu stoppen. Die Einsätze der israelischen Armee in dem Gebiet hätten militärische und humanitäre Auswirkungen, die außer Kontrolle geraten könnten.

Israel ruft Bürger zum Verlassen der Türkei auf

Israel hat seine Staatsbürger aufgefordert, die Türkei so schnell wie möglich zu verlassen. Für das Land gelte nun die höchste Warnstufe, teilte der Nationale Sicherheitsrat in Tel Aviv mit. Hintergrund seien mögliche Anschläge angesichts des Kriegs mit der islamistischen Hamas im Gazastreifen. Auch für Marokko sprach Israel eine Reisewarnung aus. Dort seien israelische Touristen zu "besonderer Vorsicht" aufgerufen.

Regierung und Steinmeier verurteilen Anschlag auf jüdisches Zentrum

Die Bundesregierung hat den versuchten Brandanschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum in Berlin-Mitte auf das schärfste verurteilt. "Anschläge gegen jüdische Einrichtungen, gewalttätige Ausschreitungen auf unseren Straßen - das ist menschenverachtend, abscheulich und nicht zu dulden", schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Plattform X. Justizminister Marco Buschmann sagte im Bundestag: "Jüdisches Leben gehört zu Deutschland. Und wer das nicht ertragen kann, der gehört eben nicht zu Deutschland."

Der betroffene Gebäudekomplex in der Berliner Brunnenstraße umfasst eine Synagoge, einen Kindergarten und ein Gemeindezentrum Bild: Markus Schreiber/AP Photo/picture alliance

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte die Attacke auf die Synagoge wie auch die von israelfeindlichen Parolen begleiteten Demonstrationen der vergangenen Tage scharf. "Das wollen und das werden wir in Deutschland nicht dulden", sagte Steinmeier im thüringischen Meiningen. Deutschland habe aufgrund der Geschichte ein besonderes Verhältnis zu Israel. Jeder, der in Deutschland lebt, müsse die Geschichte von Auschwitz kennen sowie den Auftrag und die Verantwortung, die sich daraus für den Kampf gegen Antisemitismus ableite, sagte Steinmeier.

In Berlin hatten laut Polizei in der Nacht zwei Unbekannte zwei mit Flüssigkeit gefüllte brennende Flaschen in Richtung einer Synagoge in der Brunnenstraße geworfen. Die Flaschen seien auf dem Gehweg aufgeschlagen und zerbrochen, dabei sei das Feuer erloschen. Die Suche nach den Verdächtigen blieb bisher erfolglos.

Im Bundestag verurteilten parteiübergreifend Vertreter der Fraktionen die jüngsten Israel-feindlichen Proteste sowie Antisemitismus in Deutschland. Nach den Unterstützungskundgebungen für die Hamas und der Gewalt gegen jüdische und israelische Einrichtungen hatten die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP gemeinsam mit den Unionsparteien eine aktuelle Stunde beantragt. Sie trug den Titel "Verherrlichung von Terror unterbinden - Antisemitismus bekämpfen".

Wieder Auseinandersetzungen in Berlin

Trotz eines Demonstrationsverbots ist es in Berlin-Neukölln an diesem Mittwochabend erneut zu Menschenansammlungen gekommen. Die Polizei sprach von einer aufgeheizten Stimmung auf der Sonnenallee. Es würden Steine und Flaschen auf Polizisten geworfen und Pyrotechnik abgebrannt, teilte die Polizei auf der Plattform X mit. Bei den Menschen handele es sich eindeutig um Teilnehmer einer ebenfalls verbotenen Ersatzveranstaltung einer pro-palästinensischen Kundgebung. Nach Beobachtungen von Reportern gab es Dutzende Festnahmen. 

Pro-palästinensische Demonstranten am Mittwochabend im Blick von Berliner Polizeibeamten Bild: FABRIZIO BENSCH/REUTERS

Auch am Auswärtigen Amt versammelten sich nach Polizeiangaben mehrere Hundert Menschen. Die Versammlung wurde laut Polizei jedoch direkt von der Veranstalterin beendet, weil sie keinen Einfluss auf die Teilnehmer habe. Angemeldet waren demnach 50 Teilnehmer, gekommen waren mehrere Hundert. Erst in der Nacht zum Mittwoch war es bei pro-palästinensischen Kundgebungen zu Ausschreitungen vor allem in Neukölln gekommen. 20 Polizisten seien verletzt worden, hieß es. Zwei hätten den Dienst beenden müssen. Nach Angaben der Polizei wurden dabei 39 Menschen festgenommen und 65 Strafverfahren eingeleitet. 

sti/jj/sth/rb/wa/fw/fab/cw (dpa, afp, rtr, kna)

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