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KonflikteNahost

Nahost: Bundeswehr fliegt Deutsche aus Israel aus

14. Oktober 2023

Die Luftwaffe teilte mit, es würden mehrere Militärtransporter vom Typ A400M eingesetzt. Derweil fliehen Zehntausende Menschen aus dem Norden des Gazastreifens. Ein Überblick.

Luftwaffe Airbus A400M Transportflugzeug der Bundeswehr
Bundeswehr-Militärtransporter vom Typ Airbus A400M (Archivbild)Bild: Political-Moments/IMAGO

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Bundeswehr fliegt Deutsche aus Israel aus
  • Zehntausende Palästinenser fliehen gen Süden
  • Israels Militär will Hamas-Kommandeure getötet haben
  • Diplomaten: Saudi-Arabien setzt Annäherung an Israel aus
  • Bundesaußenministerin Baerbock in Ägypten

 

Die Bundeswehr will deutsche Staatsbürger aus Israel ausfliegen. Dazu würden zwei Militärtransporter vom Typ A400M eingesetzt, bestätigte die Luftwaffe. Diese hätten "Material" nach Tel Aviv gebracht und würden auf dem Rückweg Ausreisewillige mitnehmen. Die Flugzeuge sollten bereits in der Nacht zum Sonntag wieder im Fliegerhorst im niedersächsischen Wunstorf landen, sagte eine Sprecherin. Später stellte die Bundeswehr klar, es handele sich nicht um den "Einstieg in eine militärische Evakuierung", da weiterhin kommerzielle Ausreisemöglichkeiten bestünden.

Die Lufthansa hatte zuvor mitgeteilt, sie werde aus Sicherheitsgründen keine weiteren Sonderflüge aus Israel anbieten. Zur Lufthansa-Gruppe gehören neben der Hauptmarke auch Swiss, Austrian und Brussels Airlines. Die Gesellschaften hatten ihre jeweiligen Heimatländer mit 15 Sonderflügen unterstützt.

Menschen hoffen am palästinensischen Grenzübergang Rafah auf eine mögliche Ausreise nach ÄgyptenBild: Hatem Ali/AP/picture alliance

Zehntausende Palästinenser fliehen gen Süden

Unterdessen sind nach Schätzungen des UN-Nothilfebüros (OCHA)  Zehntausende Menschen im Gazastreifen in Richtung Süden geflohen. Israel hatte den Palästinensern zunächst 24 Stunden Zeit gegeben, um den Norden des Küstengebiets zu verlassen. Später sicherte das israelische Militär den Einwohnern des nördlichen Gazastreifens an diesem Samstag erneut einen Zeitraum ohne Angriffe zu.

Die Vereinten Nationen hatten eine Evakuierung des dicht besiedelten Küstengebiets binnen 24 Stunden als unmöglich bezeichnet und vor einem humanitären Desaster gewarnt. Wie OCHA mitteilte, wurden bereits vor der Aufforderung zur Evakuierung insgesamt 400.000 Palästinenser im Zuge des Konflikts vertrieben.

Israels Armee kündigt "koordinierten Angriff aus der Luft, zu Wasser und zu Lande" an

Das israelische Militär bereitet sich nach eigenen Angaben auf einen "koordinierten Angriff aus der Luft, zu Wasser und zu Lande" auf den von der Hamas beherrschten Gazastreifen vor. In einer Erklärung der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) heißt es: "Bataillone und Soldaten sind im ganzen Land im Einsatz und bereiten sich darauf vor, die Bereitschaft für die nächsten Phasen des Krieges zu erhöhen - mit dem Schwerpunkt auf einer bedeutenden Bodenoperation."

Israelische Soldaten auf einem Panzer - sie befinden sich schon in der Nähe des Gazastreifens bei SderotBild: Ilia Yefimovich/dpa/picture alliance

Es wurde jedoch nicht genau angegeben, wann dies geschehen soll. Beobachter rechnen damit, dass eine größere Bodenoffensive in Kürze bevorsteht. Die IDF haben in einer beispiellosen Mobilisierung über 300.000 Reservisten einberufen.

Schlimmstes Blutbad seit der Staatsgründung

Die militant-islamistische Hamas hatte am Samstag vergangener Woche einen großangelegten Terrorangriff auf Israel verübt. Es war das schlimmste Blutbad im Land seit der Staatsgründung 1948. Seither gab es weitere Attacken.

Nach Behördenangaben wurden auf israelischer Seite mehr als 1300 Menschen getötet; rund 150 Personen wurden von den Terroristen verschleppt. Die IDF nahmen in der Folge den von der Hamas beherrschten Gazastreifen unter Beschuss, dabei wurden nach jüngsten Angaben der Hamas-Behörden mehr als 2200 Palästinenser getötet - darunter mehr als 700 Kinder. Die Hamas wird von Deutschland, der EU, den USA, Israel und weiteren Ländern als Terrororganisation eingestuft.

Hamas-Kommandeure sterben bei Luftangriffen 

Israels Militär flog derweil weitere Bombenangriffe auf Hamas-Ziele und unternahm zudem erste begrenzte Vorstöße in den Gazastreifen. Laut einem israelischen Armeesprecher ist es das Ziel dieser Einsätze, das Gebiet von Terroristen und Waffen zu "säubern". Boden- und Panzertruppen hätten nach Spuren gesucht und "Terrorzellen ausgeschaltet". 

Die Armee teilte in diesem Zusammenhang mit, sie habe zwei hochrangige Kommandeure der militant-islamistischen Hamas getötet. Die Luftwaffe habe Schaltzentralen bombardiert und dabei den Chef der "Luftaktivitäten" der Hamas, Merad Abu Merad, getötet. Er sei maßgeblich für die Steuerung der Terroristen verantwortlich gewesen. Der zweite Kommandeur - Ali Kadi - habe als Anführer einer Eliteeinheit den Überfall auf die Ortschaften im Süden Israels vor einer Woche geleitet, hieß es von der Armee weiter.

Armee: "Terroristen" aus dem Libanon getötet 

Das israelische Militär hat zudem mutmaßliche Terroristen beim versuchten Eindringen vom Libanon aus getötet. Soldaten hätten eine "Terrorzelle" identifiziert, die versucht habe, auf israelisches Gebiet vorzudringen. Eine Drohne des Militärs habe "einige der Terroristen" getötet, hieß es von der Armee.

Seit dem Terror-Angriff der Hamas kommt es auch an Israels Grenze zum Libanon im Norden immer wieder zu Kampfhandlungen mit der schiitischen Hisbollah-Miliz. Es wächst die Sorge, dass sich der Konflikt zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen zum Flächenbrand entwickelt. Die Hisbollah - schon 2006 in einen Krieg mit Israel verwickelt - gilt als treuer Verbündeter des Irans. Die militant-islamistische Miliz wird von den USA, Deutschland und mehreren sunnitischen Staaten der Region als Terrororganisation eingestuft, während die EU nur den militärischen Teil der Gruppe so bezeichnet, den politischen Arm davon jedoch ausnimmt.

WHO: "Wir sind bereit"

Ein Flugzeug mit medizinischen Hilfsgütern zur Versorgung der Bevölkerung im Gazastreifen ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf dem Flughafen Al-Arisch im Nordosten Ägyptens in der Nähe des Grenzübergangs Rafah gelandet. "Wir sind bereit, die Hilfsgüter zu verteilen, sobald ein humanitärer Zugang über den Übergang gewährleitet ist", schrieb WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus auf der Plattform X. Rafah ist derzeit gesperrt. 

Saudi-Arabien legt Kontakte mit Israel auf Eis 

Saudi-Arabien setzt offenbar die Gespräche über eine Annäherung an Israel aus. "Saudi-Arabien hat beschlossen, die Gespräche über eine mögliche Normalisierung zu unterbrechen", hieß es aus Diplomatenkreisen in der Hauptstadt Riad. Die US-Regierung sei über diesen Schritt informiert worden. Außenminister Anthony Blinken hält sich derzeit in Riad auf.

Zwischen Israel und Saudi-Arabien hatte sich jüngst eine Annäherung abgezeichnet. Der Krieg zwischen Israel und der Hamas könnte diese nun aber gefährden. Das Außenministerium in Riad hatte am Freitag erklärt, es lehne Israels Aufforderung "zur Zwangsumsiedlung der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen" kategorisch ab und verurteile "die anhaltende Bombardierung wehrloser Zivilisten".

Blinken führt "produktives" Telefonat mit chinesischem Kollegen

Die Vereinigten Staaten und China haben die jeweils andere Seite aufgefordert, ihre diplomatischen Kanäle in der Region zu nutzen. US-Außenminister Antony Blinken und sein chinesischer Amtskollege Wang Yi führten ein einstündiges Telefonat, das der Sprecher des State Department, Matthew Miller, als "produktiv" bezeichnete.

Blinken habe übermittelt, "dass es in unserem gemeinsamen Interesse liegt, eine Ausweitung des Konflikts zu verhindern". Dabei könne es hilfreich sein, wenn China seinen Einfluss geltend mache. Die Volksrepublik pflegt enge Beziehungen zum Iran.

US-Außenminister Antony Blinken (rechts) telefonierte mit seinem chinesischen Kollegen Wang Yi - hier ein Archivbild von einem Treffen beider Politiker im JuliBild: Dita Alangkara/AP Photo/picture alliance

Wang sagte unterdessen, Washington solle in dem Konflikt eine "konstruktive und verantwortungsvolle Rolle" spielen. Wenn es um internationale Krisenherde gehe, müssten die wichtigsten Länder Ruhe und Zurückhaltung bewahren und auf die Einhaltung des internationalen Rechts dringen, sagte Wang laut einer Erklärung des chinesischen Außenministeriums. Peking rufe dazu auf, "so bald wie möglich ein internationales Friedenstreffen einzuberufen". Wang sagte, der "grundlegende Ausweg für die palästinensische Frage" liege in einer Zwei-Staaten-Lösung.

Scholz und Netanjahu: Einmischung der Hisbollah verhindern

Bundeskanzler Olaf Scholz hat den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erneut der "vollen Solidarität Deutschlands" nach dem Terroranschlag der Hamas versichert. Beide Politiker seien sich einig, dass es darauf ankomme, "einen regionalen Flächenbrand und insbesondere eine Einmischung der Hisbollah in den Konflikt zu vermeiden", teilte der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit.

Scholz habe Netanjahu auch über seine anderen diplomatischen Kontakte der vergangenen Tage informiert. Der Kanzler hatte mit den Staatschefs von Ägypten, der Türkei und Katar gesprochen. Am Dienstag ist er mit dem König von Jordanien, Abdullah II., in Berlin verabredet.

Hebestreit sagte, Netanjahu habe Scholz auch über die israelischen Bemühungen unterrichtet, Schaden von der Zivilbevölkerung im Gazastreifen abzuwenden; allerdings würden diese von der Hamas konterkariert. Beide Regierungschefs stimmten bei der Bedeutung dieses Themas überein.

Baerbock mahnt zu "größtmöglicher Rücksichtnahme" auf humanitäre Situation

Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat an Israel appelliert, den Kampf gegen die Hamas "mit größtmöglicher Rücksicht auf die humanitäre Situation, auf unschuldige Frauen, Kinder, Männer" zu führen. In Kairo, wo sie Gespräche mit ihrem ägyptischen und dem türkischen Amtskollegen führte, sprach Baerbock von einem "großen Dilemma", das schwer zu lösen sei.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und der türkische Ressortchef Hakan Fidan (2. v. r.) mit ihren Delegationen in Kairo Bild: Florian Gaertner/photothek/picture alliance

"Der Terror ist das Grundübel. Er muss bekämpft werden, sonst wird es keinen Frieden und keine Sicherheit geben", sagte die Grünen-Politikerin. Andererseits werde neues großes Leid unter der Zivilbevölkerung in Gaza "nicht nur den Nährboden für neuen Terrorismus schaffen, sondern auch jegliche bisher erreichte Annäherungsschritte mit den arabischen Nachbarn der letzten Monate in Gefahr bringen". Dieses terroristische Kalkül dürfe nicht aufgehen.

Deutschland prüfe derzeit, wie humanitäre Hilfe über den Grenzübergang Rafah aus Ägypten in den Gazastreifen gebracht werden könne. Den Menschen dort "fehlt es gerade an allem", so Baerbock. Berlin bemühe sich auch um eine Lösung für die deutschen Geiseln, die von der Hamas festgehalten werden, sagte sie. Die Ministerin rief erneut zur Freilassung aller Verschleppten auf. Dies sei ein "Gebot der Menschlichkeit".

"Selbst Kriege haben Regeln"

UN-Generalsekretär António Guterres hat angesichts der Terrorattacken auf Israel und dessen Gegenangriffen auf die Hamas die Einhaltung der Menschenrechte angemahnt. "Selbst Kriege haben Regeln", sagte er in New York. Die Situation im Gazastreifen habe "einen gefährlichen neuen Tiefpunkt" erreicht. "Wir brauchen sofortigen humanitären Zugang zum gesamten Gazastreifen, damit wir Treibstoff, Nahrungsmittel und Wasser zu jedem Menschen in Not bringen können." 

Zugleich warnte Guterres davor, Geiseln als menschliche Schutzschilde zu benutzen. "Internationales humanitäres Recht und Menschenrechte müssen respektiert und eingehalten werden", forderte er. "Zivilisten müssen geschützt und dürfen niemals als Abwehrschilde eingesetzt werden."

Die Hamas erklärte an diesem Samstag, dass neun der von ihr festgehaltenen Geiseln in den vergangenen 24 Stunden bei israelischen Luftangriffen auf den Gazastreifen getötet worden seien, vier davon seien ausländische Staatsangehörige. Bereits am Freitag hatte die Hamas den Tod von 13 Geiseln gemeldet und ebenfalls israelische Angriffe als Ursache genannt. Beweise wurden in beiden Fällen nicht vorgelegt. Die Behauptungen lassen sich nicht unabhängig prüfen.

Die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) teilten ebenfalls am Samstag mit, dass die Hamas im Gazastreifen noch über 120 Geiseln festhalte.

Terrorangriff der Hamas: Israelis bangen um Vermisste

03:26

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Schon elf Journalisten seit Angriff auf Israel getötet

Seit dem Großangriff der Hamas auf Israel sind nach Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) bislang mindestens elf Journalisten getötet worden. Mehrere gelten als vermisst, wie die in New York ansässige Organisation mitteilte. Unter den Toten seien neun Palästinenser, ein Israeli und der im Libanon ansässige Kameramann der Nachrichtenagentur Reuters, der am Freitag an der Grenze zu Israel durch Beschuss getötet worden war.

"CPJ betont, dass Journalisten Zivilisten sind, die in Krisenzeiten wichtige Arbeit leisten und nicht ins Visier von Kriegsparteien geraten dürfen", sagte Scherif Mansur, Programmkoordinator für den Nahen Osten. Alle Konfliktparteien müssten Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit von Journalisten zu gewährleisten.

Russischer und brasilianischer Vorstoß im UN-Sicherheitsrat

Russland hat bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats einen Resolutionsentwurf vorgelegt. Darin werden unter anderem eine "humanitäre Feuerpause" sowie die Freilassung der von der Hamas in den Gazastreifen verschleppten Geiseln gefordert. Die Hamas wird in dem Papier allerdings nicht direkt genannt.

Ob und wann Russland die Resolution im mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen zur Abstimmung stellen wollte, war zunächst nicht klar. Eine Verabschiedung gilt als äußerst unwahrscheinlich. Eine Resolution im Sicherheitsrat braucht mindestens neun Ja-Stimmen, zudem darf es kein Veto der neben Russland vier anderen ständigen Mitglieder USA, Großbritannien, Frankreich und China geben, die Berichten zufolge vorab nicht wegen der Resolution konsultiert worden waren. Am vergangenen Wochenende war bereits eine Dringlichkeitssitzung des Rates ohne eine einmütige Verurteilung der Hamas zu Ende gegangen.

Auch Brasilien legte einen Entwurf vor. Das Land, das dem mächtigsten UN-Gremium derzeit vorsitzt, verlangt in seinem Entwurf neben dem Zugang für humanitäre Hilfe unter anderem, dass Israel seine Aufforderung zur Evakuierung der Zivilbevölkerung aus dem nördlichen Gazastreifen rückgängig macht.

Facebook löscht verstörende Beiträge zum Nahost-Krieg

Der Facebook-Konzern Meta ergreift nach der Attacke der islamistischen Hamas auf Israel zusätzliche Maßnahmen gegen die Verbreitung illegaler und irreführender Inhalte im Netz. Allein in den ersten drei Tagen nach dem Angriff am Samstag vergangener Woche seien 795.000 Beiträge auf Arabisch und Hebräisch entfernt oder als verstörend markiert worden, teilte Meta mit. In dieser Zeit seien in diesen Sprachen täglich sieben Mal mehr Beiträge als im Durchschnitt der vergangenen zwei Monate gelöscht worden.

Zu den weiteren Schritten gehöre, auf Hinweis jene Beiträge zu löschen, bei denen mutmaßliche Geiseln klar zu erkennen seien. Für eine Reihe von Schlagwörtern (Hashtags) bei Instagram, unter denen es zahlreiche Verstöße gegen Inhalte-Regeln gegeben habe, sei die Suchfunktion deaktiviert worden. Bei Live-Video lasse Meta besondere Vorsicht walten, auch angesichts von Drohungen der Hamas, Geiseln zu zeigen. Für einige Nutzer, die zuvor gegen Regeln verstoßen hätten, sei die Funktion deaktiviert worden.

sti/as/fab/ack/cw/glb/jj/hf (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert.