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PolitikIsrael

Nahost aktuell: Hamas lässt zwei US-Geiseln frei

Veröffentlicht 20. Oktober 2023Zuletzt aktualisiert 20. Oktober 2023

Die israelische Regierung bestätigt die Freilassung zweier Geiseln durch die Hamas. Bundesaußenministern Baerbock versucht, die Gefahr eines Flächenbrands in Nahost zu bannen. Unser Überblick.

Israel | Angehörige der Geiseln protestieren in Tel Aviv
Angehörige der Verschleppten gehen am Mittwoch in der israelischen Stadt Tel Aviv auf die StraßeBild: Ilia Yefimovich/dpa/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Hamas lässt zwei US-Geiseln frei
  • Baerbock warnt vor Aufspringen auf "Trittbrett des Terrors"
  • Deutschland stellt 50 Millionen Euro als humanitäre Soforthilfe für Gaza bereit
  • Israel benennt Aktionsplan für Gazastreifen 
  • Zeichen für Öffnung des Grenzübergangs Rafah mehren sich

 

Die Hamas hat zwei der aus Israel verschleppten Personen freigelassen. Wie die israelische Regierung mitteilte, handelt es sich um eine Mutter und deren Tochter. Sicherheitskräfte hätten beide US-Bürgerinnen an der Grenze zum Gazastreifen in Empfang genommen.

Das Büro von Premierminister Benjamin Netanjahu bestätigte damit entsprechende Medienberichte. Vertreter der Hamas hatten im Kurznachrichtendienst Telegram erklärt, der Schritt sei nach Bemühungen Katars aus "humanitären Gründen" erfolgt.

Das Golfemirat Katar gilt als wichtiger Finanzier der Hamas. Mehrere westliche Länder hatten den Golfstaat in ihre diplomatischen Bemühungen in Nahost einbezogen. So hatte Bundeskanzler Olaf Scholz den katarischen Emir Tamim bin Hamad Al Thani in Berlin empfangen.

Steinmeier sichert Angehörigen von Geiseln volle Unterstützung zu

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Hamas aufgefordert, alle aus Israel verschleppten Menschen freizulassen. "Die ganze Welt schaut auf dieses Verbrechen - beenden Sie die Barbarei!". Bei einem Treffen mit Angehörigen der Geiseln sagte das Staatsoberhaupt in seinem Berliner Amtssitz: "Wir leiden, beten und flehen mit Ihnen." Die Bundesregierung stehe in engem Austausch mit allen zentralen Akteuren in der Region "und darüber hinaus".

"Wir leiden, beten und flehen mit Ihnen": Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Mitte) mit Angehörigen von Geiseln im Schloss BellevueBild: Soeren Stache/dpa/picture alliance

Es bedrücke ihn sehr, dass unter den Entführten auch Menschen seien, deren Familien in besonderem Maße für die deutsch-israelische Geschichte stünden - Familien, die einst von den Nationalsozialisten verfolgt und aus ihrer damaligen deutschen Heimat vertrieben worden seien. Deutschland stehe "in dieser schweren Zeit fest an Israels Seite", betonte Steinmeier.

Baerbock warnt vor Aufspringen auf "Trittbrett des Terrors"

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat den Iran, die Hisbollah, schiitische Milizen im Irak und die Huthi-Rebellen im Jemen mit Nachdruck aufgefordert, keine Angriffe gegen Israel auszuführen. Sie warne all jene Akteure davor, "zu zündeln und aufs Trittbrett des Terrors zu springen", sagte die Grünen-Politikerin in Tel Aviv nach Treffen mit ihrem israelischen Kollegen Eli Cohen und Oppositionspolitiker Benny Gantz. Gantz gehört auch dem lagerübergreifenden Kriegskabinett von Regierungschef Netanjahu an.

Baerbock bekräftigte ihre Unterstützung für das israelische Vorgehen. "Der Terror der Hamas muss bekämpft werden, sonst wird es keinen Frieden geben und keine Sicherheit - weder für Israel noch für die Palästinenser", sagte die Ministerin. Neues großes Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen würde allerdings "nicht nur den Nährboden für neuen Terrorismus schaffen, sondern auch jegliche bisher erreichten Annäherungsschritte mit den arabischen Nachbarn in Gefahr bringen, weil ein regionaler Flächenbrand droht", erklärte sie. Gerade dies sei das Kalkül der Terroristen.

Bundeaußenministerin Annalena Baerbock mit ihrem israelischen Kollegen Eli CohenBild: Jörg Blank/dpa/picture alliance

In der libanesischen Hauptstadt Beirut führte Baerbock Gespräche mit dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Najib Mikati und dem geschäftsführenden Außenminister Abdallah Bou Habib. Zudem gab es ein Treffen mit dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Joseph Aoun. De facto wird der Libanon von der Hisbollah kontrolliert. Seit dem Großangriff auf Israel vor zwei Wochen feuert diese immer wieder Raketen auf den Norden Israels ab. Die israelische Armee griff als Reaktion Ziele im Südlibanon an.

Außer Israel stufen auch Deutschland, die USA und einige sunnitische arabische Staaten die Hisbollah als Terrororganisation ein. Die EU listet lediglich ihren bewaffneten Flügel als Terrorgruppe. Die schiitische Miliz gilt als wesentlich mächtiger als die Hamas. Ihre Kämpfer sind besser ausgebildet, und sie verfügt über ein großes Arsenal an Raketen und Kampfdrohnen. Als ihre wichtigste Schutzmacht gilt der Iran.

Deutschland stellt 50 Millionen Euro als humanitäre Soforthilfe für Gaza bereit

Auf ihrer Nahostreise hatte Baerbock in Jordanien 50 Millionen Euro als Soforthilfe Deutschlands für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zugesagt. Mit dem Geld würden internationale Organisationen wie das Welternährungsprogramm, UNICEF und das UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) unterstützt, sagte sie bei einem gemeinsamen Auftritt mit ihrem jordanischen Kollegen Ayman Safadi in Amman.

"Wir bereiten uns darauf vor, medizinische Teams auch nach Gaza entsenden zu können und zudem Möglichkeiten zu schaffen, dass insbesondere schwer verletzte Kinder behandelt werden können", fügte die Ministerin hinzu. Das Gastgeberland versprach, für den gleichen Zweck fünf Millionen Dollar (4,72 Millionen Euro) bereitzustellen.

Baerbock will an diesem Samstag mit zentralen Akteuren der Region an einem von Ägypten ausgerichteten "Gipfel für den Frieden" in Kairo teilnehmen. Israel ist nach eigenen Angaben nicht eingeladen. EU-Ratspräsident Charles Michel rief vor seinem geplanten Besuch in Kairo dazu auf, Ägypten zu helfen. Das Land könnte nach einer Grenzöffnung in Rafah für Hilfslieferungen in den Gazastreifen von einer massiven Flüchtlingswelle betroffen sein. "Ägypten braucht Unterstützung", appellierte Michel an die Weltgemeinschaft.

Schuster: "Enttäuschende Reaktion" muslimischer Verbände

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat die Stellungnahmen muslimischer Institutionen nach dem Angriff der Hamas auf Israel kritisiert. "Wenn ich mir so anschaue, was wir innerhalb der letzten 14 Tage seitens der in Deutschland ansässigen muslimischen Verbände zu dem Terroranschlag (…) gehört haben, dann hat mich das ausgesprochen enttäuscht", sagte Schuster der Deutschen Welle. Dies betreffe insbesondere die Beurteilung von Terror der Hamas.

Der Angriff auf Israel habe auch Auswirkungen auf Juden in Deutschland gehabt. "Es war ein Unsicherheit- und Angstgefühl quer durchs Land zu beobachten", so der Zentralratspräsident. Nachdem Islamisten vor einer Woche zu einem weltweiten Protesttag aufgerufen hatten, sei die Zahl jüdischer Kinder und Jugendlicher, die an jenem Tag zur Schule gingen, stark gesunken. "Das hat mich besonders erschüttert", sagte Schuster. Man erkenne daran die Angst der Eltern.

Überraschungsangriff der Hamas

Hunderte Hamas-Terroristen hatten am 7. Oktober israelische Grenzanlagen überwunden und Soldaten wie auch wehrlose Zivilisten getötet. Etliche Opfer wurden gefoltert. Hunderte Personen wurden in den Gazastreifen verschleppt. Die Hamas feuerte Tausende Raketen auf Israel ab.

Nach jüngsten Angaben des israelischen Militärs wurden bei der Attacke mehr als 1400 Menschen auf eigenem Gebiet getötet und über 200 Personen als Geiseln entführt. Bei darauf folgenden israelischen Angriffen wurden nach Zahlen der Hamas-Behörden, die stetig höher angegeben werden, mehr als 4100 Menschen im Gazastreifen getötet. Die Hamas wird außer von Israel auch von den USA, der EU, Deutschland und weiteren Staaten als Terrororganisation eingestuft.

Israel benennt Aktionsplan für Gazastreifen

Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant hat erklärt, sein Land wolle sich nach der "Eliminierung der Hamas" aus der Verantwortung für das Leben im Gazastreifen zurückziehen. Wer die Geschicke in dem Küstengebiet dann übernehmen soll, teilte er nicht mit. Der Hamas sollen den Angaben nach durch den Krieg ihre militärischen und ihre Regierungsfähigkeiten genommen werden.

Der Krieg selbst sei in drei Phasen unterteilt, sagte Galant im Außen- und Verteidigungsausschuss des Parlaments. "Wir befinden uns jetzt in der ersten Phase - einer Militärkampagne, die derzeit Angriffe und später auch Manöver umfasst, mit dem Ziel, Terroristen zu neutralisieren und die Hamas-Infrastruktur zu zerstören." In der zweiten Phase soll es demnach nur noch Kämpfe mit geringer Intensität geben, um Widerstandsnester zu beseitigen. Die dritte erfordere dann die Schaffung einer "neuen Sicherheitsrealität", sagte er ohne weitere Details zu nennen.

Israel hatte den Gazastreifen am Ende des Sechs-Tage-Kriegs 1967 von Ägypten erobert. Im Jahr 2005 räumte Israel alle seine Siedlungen dort und zog sein Militär ab. Die militant-islamistische Hamas gewann 2006 die Parlamentswahl in dem Küstengebiet. Im Jahr 2007 übernahm sie nach schweren Kämpfen mit der Fatah die Kontrolle über den Gazastreifen. Israel hat seither eine strenge Blockade über die Enklave verhängt, die umfassende Beschränkungen für Exporte und Importe vorsieht und die Ein- und Ausreise von Personen stark einschränkt. Ziel ist dabei auch, den Schmuggel von Waffen und Munition einzudämmen.

Pistorius in Israel: Freilassung der Geiseln vordringlichste Aufgabe

Verteidigungsminister Boris Pistorius (rechts) trifft in Tel Aviv seinen israelischen Kollegen Joav GalantBild: Fabian Sommer/dpa/picture alliance

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius hat seinem israelischen Kollegen Joav Galant die Unterstützung Deutschlands beim Kampf gegen die islamistische Hamas zugesichert. Vordringlichste Aufgabe sei es, eine Freilassung der Verschleppten zu erreichen, sagte der SPD-Politiker in Tel Aviv bei einem Treffen mit Galant. Deutschland wolle auch dies wo immer möglich unterstützen. Zudem sei man bereit, die israelischen Streitkräfte mit Material zu beliefern.

Die Bundesregierung und Deutschland stünden an der Seite Israels, betonte Pistorius. Galant habe deutlich gemacht, dass Israel sich der enormen Verantwortung bewusst sei und sich bemühe, zivile Opfer zu vermeiden, wie es das Völkerrecht vorgebe. "Das hat nichts mit einem Krieg zu tun, was die Hamas hier begonnen hat. Das ist ein terroristischer Anschlag", sagte der Minister. "Diese unmenschliche Brutalität hat uns in Deutschland zutiefst erschüttert."

Vereinte Nationen verlangen internationale Untersuchung von Krankenhaus-Beschuss

Nach der verheerenden Explosion auf dem Gelände des Al-Ahli-Krankenhauses im Gazastreifen verlangt das UN-Menschenrechtsbüro eine unabhängige Untersuchung durch internationale Experten. "Wir tun, was wir können, um zusammenzutragen, was passiert ist", sagte eine Sprecherin in Genf. Nötig sei allerdings eine Untersuchung mit ausländischer Beteiligung.

Der Vorplatz des Al-Ahli-Krankenhauses am Tag nach der ExplosionBild: MAHMUD HAMS/AFP/Getty Images

Die Hamas hatte sehr rasch nach der Explosion erklärt, hierdurch seien Hunderte Menschen getötet worden. Bisher gibt es dafür keine Belege. Israel weist den Vorwurf zurück, für den Beschuss verantwortlich zu sein, und macht eine fehlgeleitete Rakete der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad dafür verantwortlich. In den vergangenen Tagen kursierten vor allem in Social-Media-Kanälen viele Falschmeldungen zur Explosion.

WHO hofft auf Hilfslieferungen in den Gazastreifen

Knapp zwei Wochen nach Beginn des Krieges zwischen der radikalislamischen Hamas und Israel sollen offenbar in Kürze erste Hilfsgüter den abgeriegelten Gazastreifen erreichen. Am Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Palästinensergebiet wurden dafür beschädigte Straßenabschnitte repariert. Rafah ist der einzige Zugang zum Gazastreifen, der nicht von Israel kontrolliert wird.

UN-Generalsekretär António Guterres war an diesem Freitagvormittag im Norden der ägyptischen Sinai-Halbinsel eingetroffen, um sich vor Ort persönlich für die Öffnung des Grenzübergangs Rafah einzusetzen. In den vergangenen Tagen hatte er bereits darauf gedrängt, die Hilfsleistungen wieder auf täglich 100 Lastwagen hochzufahren. So viele Lastwagen hatten den Gazastreifen vor der jüngsten Eskalation jeden Tag mit Hilfsgütern versorgt. 

Auf der ägyptischen Seite des Grenzübergangs Rafah stauen sich die Lastwagen mit humanitären Gütern - hier eine Aufnahme vom DienstagBild: Omar Aziz/AP Photo/picture alliance

Seit Tagen warten laut Augenzeugen "150 Lastwagen in Rafah", die Hilfsgüter in den Gazastreifen bringen wollen. Auf der anderen Seite der Grenze warteten derweil dutzende Palästinenser und hofften darauf, nach Ägypten zu gelangen. Die Öffnung von Rafah war von US-Präsident Joe Biden und Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi vereinbart worden. Zuvor hatte Israel, das den Gazastreifen seit dem Großangriff der Hamas komplett abgeriegelt hat, auf Ersuchen Bidens den Lieferungen zugestimmt. Laut Biden sollen zunächst 20 Lastwagen in den Gazastreifen fahren dürfen.

US-Zerstörer fängt Raketen von Huthi-Rebellen ab

Ein Zerstörer der US-Marine im nördlichen Roten Meer hat am Donnerstag drei Marschflugkörper und mehrere Drohnen abgeschossen, die nach US-Angaben von Huthi-Rebellen im Jemen gestartet worden sein sollen. "Wir können nicht mit Sicherheit sagen, worauf diese Raketen und Drohnen abzielten, aber sie wurden vom Jemen aus in Richtung Norden über das Rote Meer abgeschossen, möglicherweise auf Ziele in Israel", sagte ein Pentagon-Sprecher in Washington.

Der US-Zerstörer "USS Carney" (Archivbild) Bild: U.S. Naval Forces/AP/picture alliance

Das Vorgehen der Besatzung der "USS Carney" habe die Verteidigungsfähigkeiten der Vereinigten Staaten im Nahen Osten demonstriert. Die USA seien bereit, diese bei Bedarf einzusetzen, um ihre Partner und Interessen in der Region zu schützen. Weiterhin gelte es, eine regionale Eskalation zu verhindern. Die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen hatten 2014 weite Teile des Jemens förmlich überrannt und kontrollieren heute große Gebiete im Norden samt der Hauptstadt Sanaa.

jj/sti/cw/kle/mak/djo/nob (dpa, afp, rtr, DW)

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