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KonflikteNahost

Nahost: Scholz nennt Attacken Erdogans gegen Israel "absurd"

Veröffentlicht 14. November 2023Zuletzt aktualisiert 14. November 2023

Der türkische Präsident Erdogan hatte Israel "Faschismus" vorgeworfen und dessen Existenzrecht angezweifelt. US-Präsident Biden ist zuversichtlich, dass die Hamas-Geiseln bald freikommen. Ein Überblick.

Deutschland Bundeskanzler Olaf Scholz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis
Kanzler Olaf Scholz bei einer Pressekonferenz an diesem Dienstag in BerlinBild: Markus Schreiber)/AP Foto/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Scholz: Attacken Erdogans gegen Israel sind "absurd"
  • US-Präsident Biden zuversichtlich, dass Geiseln freikommen
  • Israel: Hamas kontrolliert nicht mehr den Gazastreifen
  • Zahlreiche Waffen im Keller eines Kinderkrankenhauses in Gaza-Stadt 
  • Vermutlich auch Geiseln in dem Krankenhaus-Keller gehalten 

 

Bundeskanzler Olaf Scholz hat gegen die Verbalattacken des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen Israel Stellung bezogen. Erdogan hatte Israel unter anderem "Faschismus" vorgeworfen und das Existenzrecht des israelischen Staates angezweifelt. Auf eine Frage danach sagte Scholz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis, Israel sei eine Demokratie und habe jedes Recht, sich gegen die Terrororganisation Hamas zu verteidigen.

Israel sei außerdem ein Land, "das sich den Menschenrechten, das sich dem Völkerrecht verpflichtet fühlt und in seinen Aktionen auch dementsprechend handelt", verteidigte Scholz das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen. "Und deshalb sind die Vorwürfe, die da gegen Israel erhoben werden, absurd. Und daran kann es gar keinen Zweifel geben."

Erdogan am Freitag zu Gast in Berlin

Erdogan wird am Freitag zu einem Besuch in Berlin erwartet. Scholz hatte ihn nach dessen Wiederwahl als Präsident im Mai eingeladen. Die beiden sind zu einem Abendessen verabredet, vorher trifft Erdogan auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Der türkische Präsident hat im Konflikt zwischen Israel und der Hamas eine dezidiert andere Haltung eingenommen als alle anderen seiner 30 Partner in der NATO. Die Hamas hat er eine "Befreiungsorganisation" genannt. Israel hat er dagegen schon früher als Terrorstaat bezeichnet.

US-Präsident Joe Biden hat eine Botschaft an die Geiseln: "Haltet durch, wir kommen" (Archivbild)Bild: Matt Rourke/AP/picture alliance

Biden zuversichtlich, dass Geiseln freikommen

US-Präsident Joe Biden hat sich optimistisch über die Aussichten auf eine Vereinbarung zur Freilassung von Hamas-Geiseln im Gazastreifen gezeigt. "Ich spreche jeden Tag mit Menschen, die darin involviert sind", sagte Biden im Weißen Haus. "Ich glaube, es wird passieren, aber ich will nicht ins Detail gehen."

Auf die Frage, ob er eine Botschaft an die Familien der Geiseln habe, antwortete Biden: "Haltet durch. Wir kommen." Die USA haben Israel wiederholt zu Feuerpausen aufgerufen, um eine Freilassung von Geiseln in der Gewalt der islamistischen Terrororganisation Hamas zu ermöglichen.

240 Geiseln in Gazastreifen verschleppt

Hunderte Hamas-Terroristen waren am 7. Oktober nach Israel eingedrungen und hatten schwerste Gräueltaten an Zivilisten verübt. Israelischen Angaben zufolge wurden bei dem Angriff 1200 Menschen getötet und rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Darunter sind auch mehrere US-Staatsbürger.

Verteidigungsminister Joav Galant: Hamas hat die Kontrolle verloren Bild: Ariel Hermoni/Israel Mod/IMAGO

Israel: Hamas kontrolliert nicht mehr den Gazastreifen

Die islamistische Terrororganisation Hamas hat nach den Worten des israelischen Verteidigungsministers Joav Galant "die Kontrolle in Gaza" verloren. Die Hamas-Terroristen seien dabei, in den Süden des Gazastreifens zu flüchten. Zivilisten plünderten Hamas-Stützpunkte, sagte Galant in einem von israelischen Fernsehsendern ausgestrahlten Video. Die Zivilbevölkerung habe "kein Vertrauen mehr in die Regierung" der Hamas im Gazastreifen, sagte Galant. 

Israelische Medien berichteten unter Berufung auf Armeevertreter, die vor Kriegsbeginn in 24 Bataillone unterteilten Hamas-Truppen hätten in den vergangenen fünf Wochen "große Schläge" erlitten. Mehrere Bataillone seien nach dem Tod ihrer Kommandeure führerlos und nicht mehr voll kampffähig. Die Hamas wird von Israel, Deutschland, der EU, den USA und anderen Staaten als Terrororganisation gelistet.

Viele Straßenzüge in Gaza-Stadt sind inzwischen zerstört Bild: Bashar Taleb/APA Images via ZUMA Press/picture alliance

Israelische Soldaten im Parlamentsgebäude

Die israelische Armee hat eigenen Angaben zufolge die Kontrolle über mehrere Regierungsgebäude der islamistischen Hamas in der Stadt Gaza übernommen. Dazu gehörten das Parlament und Gebäude der Polizei, erklärte das israelische Militär. In sozialen Medien kursiert ein Foto, das Soldaten einer Infanterieeinheit mit israelischen Flaggen im Sitzungssaal des Legislativrats im Stadtviertel Rimal zeigt.

Die islamistische Hamas hatte 2006 bei der Parlamentswahl gegen die gemäßigtere Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas gewonnen. Ein Jahr später übernahm die Hamas gewaltsam die alleinige Kontrolle des Gazastreifens. 

Waffen im Keller einer Kinderklinik in Gaza-Stadt

Israelische Soldaten haben nach Angaben der Armee zahlreiche Waffen im Keller eines Krankenhauses in der Stadt Gaza gefunden. Es gebe auch Anzeichen dafür, dass im Keller des Rantisi-Krankenhauses Geiseln festgehalten worden seien, sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari. Er sei selbst vor Ort gewesen und dabei von ausländischen Journalisten begleitet worden.

Hagari zeigte Videoaufnahmen von Waffen in einem Keller und sagte, unter anderem seien dort Sprengstoffgürtel, Handgranaten, Sturmgewehre und Sprengsätze, aber auch Computer und Geld sichergestellt worden. Man wolle "der Welt zeigen, wie die Hamas die Krankenhäuser in eine Terror-Maschinerie verwandelt hat", so Hagari.

Zu Hinweisen auf einen möglichen Aufenthalt von Geiseln in dem Keller sagte Hagari, es seien unter anderem eine improvisierte Toilette, Windeln, eine kleine Küche, ein Seil an einem Stuhl sowie eine Babyflasche entdeckt worden. In sozialen Medien kursieren entsprechende Bilder.

Biden fordert Schutz des Al-Schifa-Krankenhauses 

US-Präsident Joe Biden hat Israel dazu aufgerufen, im Kampf gegen die Terrororganisation Hamas Rücksicht auf das Al-Schifa-Krankenhaus in der Stadt Gaza zu nehmen. "Das Krankenhaus muss geschützt werden", sagte Biden im Weißen Haus zu Journalisten. Die USA stünden mit Israel deswegen in Kontakt.

Augenzeugen berichteten von heftigen Gefechten rund um den riesigen Krankenhauskomplex. Israelische Panzer stehen demnach nur wenige Meter von der Zufahrt entfernt. Die israelische Armee wirft der Hamas vor, ihr militärisches Hauptquartier in Tunneln unter dem größten Krankenhaus des Palästinensergebiets errichtet zu haben.

Gaza: Al-Schifa-Krankenhaus zwischen den Fronten

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UN: 200.000 Menschen flohen bisher in den südlichen Gazastreifen

Nach UN-Angaben sind im Gazastreifen bisher etwa 200.000 Menschen in den Süden des abgeriegelten Küstengebiets geflohen. So viele Menschen hätten schätzungsweise den von der israelischen Armee geöffneten "Korridor" genutzt, um den Norden des Gebiets zu verlassen, teilte das UN-Nothilfebüro OCHA mit. "Die Sorge wegen überfüllter Unterkünfte sowie begrenztem Zugang zu Unterkünften, Essen und Wasser im Süden wächst". Zwei Wasserversorger im Süden des Gazastreifens hätten mangels Treibstoff ihre Arbeit bereits eingestellt. Zugleich hielten sich im Norden trotz zunehmender Kämpfe weiter Hunderttausende Menschen auf, die sich nicht in den Süden bewegen könnten oder wollten. Diese hätten Mühe, zum Überleben an eine Mindestmenge Trinkwasser und Essen zu kommen, so OCHA weiter.

Knapp 1,6 Millionen der rund 2,2 Millionen Einwohner des Küstengebiets sind nach UN-Angaben infolge der Kämpfe auf der Flucht. Israel hat die Zivilbevölkerung im Norden, inklusive der Stadt Gaza, aufgerufen, in den Süden des Gebiets zu fliehen und dafür mehrfach stundenweise Fluchtkorridore ausgewiesen. Das UN-Hilfswerk für Palästinenser (UNRWA) gibt an, in seinen Gebäuden im Süden des Gazastreifens - darunter viele Schulen - aktuell fast 630.000 Binnenflüchtlinge zu beherbergen.

Lula: Israels Reaktion "ebenso schwerwiegend" wie Hamas-Angriff

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat Israels Vorgehen im Gazastreifen als "ebenso schwerwiegendes" Handeln eingestuft wie den Angriff der radikalislamischen Hamas am 7. Oktober auf das Land. "Nach dem von der Hamas provozierten Terrorakt sind die Konsequenzen, die Lösung des Staates Israel, ebenso schwerwiegend wie die der Hamas", sagte Lula in Brasília. "Sie töten unschuldige Menschen ohne jegliche Kriterien", fügte Lula hinzu. Vertreter der jüdischen Gemeinschaft in Brasilien wiesen die Äußerungen zurück.

Der brasilianische Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva begrüßt in Brasilia aus dem Gazastreifen evakuierte Mitbürgerinnen Bild: Evaristo Sa/AFP/Getty Images

Der Staatschef beschuldigte Israel auch, "Bomben dort abzuwerfen, wo Kinder, Krankenhäuser sind, unter dem Vorwand, dass dort ein Terrorist ist". "Dies ist unerklärlich. Erst muss man Frauen und Kinder retten, dann kämpft man, mit wem man will", fuhr Lula fort. Er sprach bei einer Zeremonie, bei der er 22 aus dem Gazastreifen evakuierte Brasilianer und zehn ihrer Familienmitglieder in Brasília willkommen hieß.

Konzept für Zukunft des Gazastreifens

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat einen Plan für die Zukunft des Gazastreifens nach dem Ende des Kriegs zwischen Israel und der Hamas vorgestellt. Die internationale Gemeinschaft habe "politisch und moralisch" dabei versagt, eine dauerhafte Lösung für den lang anhaltenden Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu erreichen, sagte Borrell am Montagabend in Brüssel vor Journalisten. Es sei nun an der Zeit, die Bemühungen um eine Zwei-Staaten-Lösung zu verstärken.

Josep Borrell am Montagabend in Brüssel Bild: European Union

Es dürfe keine Zwangsvertreibung von Palästinensern aus dem Gazastreifen geben, keine dauerhafte Wiederbesetzung durch das israelische Militär und keine Veränderung der Größe des Gazastreifens und keine Rückkehr der Hamas, erläuterte der EU-Chefdiplomat. Es sollte eine "palästinensische Behörde" geben, die vom UN-Sicherheitsrat definiert und beschlossen werden sollte.

Die arabischen Länder müssten die "palästinensische Behörde" stärker unterstützen und die EU sollte sich ebenfalls stärker in der Region engagieren, insbesondere beim Aufbau eines palästinensischen Staates, so Borrell.

Ermordung israelischer Friedensaktivistin bestätigt

Vivian Silver, eine der prominentesten Friedensaktivistinnen in Israel, ist bei dem Anschlag der Hamas auf den Kibbuz Beeri im Süden Israels am 7. Oktober getötet worden. Gerichtsmediziner teilten der Familie mit, man habe die sterblichen Überreste der 74-Jährigen identifiziert, wie israelische Medien berichteten. Die israelisch-kanadische Friedensaktivistin aus dem südisraelischen Kibbuz Beeri galt seit 7. Oktober als vermisst. Zunächst wurde angenommen, dass sie in den Gazastreifen entführt worden sei.

Silver wurde in Winnipeg geboren und wanderte vor 50 Jahren mit einer sozialistisch-zionistischen Jugendbewegung nach Israel ein. Demonstranten setzten sich für ihre Freilassung ein. Bild: Ahmad Gharabli/AFP/Getty Images

Die feministische Aktivistin setzte sich für den Frieden mit Palästinensern ein und wurde für ihre Arbeit mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt. Sie startete Hilfsprogramme für Bewohner des Gazastreifens und half ihnen, in Israel medizinisch behandelt zu werden. Im Jahr 2014 half sie bei der Gründung der Friedensbewegung Women Wage Peace, die mittlerweile mehr als 45.000 Mitglieder hat.

nob/uh/se/wa/pg/sti/al (dpa, afp, rtr, ap, kna)

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