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KonflikteNahost

Nahost: Von der Leyens Punkte für Friedensgespräche

6. November 2023

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen sagte, es sei an der Zeit für internationale Bemühungen um Frieden im Nahen Osten. US-Außenminister Blinken ist am vierten Tag der Vermittlungsgespräche in Ankara. Ein Überblick.

Belgien Ursula von der Leyen in Brüssel
Ursula von der Leyen auf der EU-Botschafterkonferenz in BrüsselBild: Dursun Aydemir/Anadolu/picture alliance

Das Wichtigste in Kürze:

  • Von der Leyen stellt Plan für mögliche Friedensverhandlungen vor    
  • Israel teilt den Gazastreifen
  • Blinken kündigt Ausweitung humanitärer Hilfe im Gazastreifen an
  • Jordanien stellt Beziehung zu Israel auf den Prüfstand
  • U-Boot der US-Marine im Nahen Osten eingetroffen

 

Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte auf einer EU-Botschafterkonferenz in Brüssel, es dürfe nichts unversucht gelassen werden, um eine dauerhafte Lösung auf Basis zweier Staaten zu finden, die Seite an Seite in Frieden und Sicherheit existieren. Dazu brauche es fünf Grundprinzipien.

Als erstes mögliches Grundprinzip nannte sie eine Verständigung darauf, dass der Gazastreifen Terroristen keinen Unterschlupf bieten könne. Zweitens könnte nach Ansicht der Kommissionspräsidentin vereinbart werden, dass es nur eine Palästinensische Behörde und nur einen palästinensischen Staat geben könne. Als Terrororganisation dürfe die Hamas Gaza nicht kontrollieren oder regieren.

"Drittens kann es keine langfristige israelische Sicherheitspräsenz in Gaza geben", sagte von der Leyen weiter. Der Küstenstreifen sei ein essenzieller Bestandteil eines künftigen palästinensischen Staates. Viertens dürfe es keine gewaltsame Vertreibung von Palästinenserinnen und Palästinensern aus Gaza geben, weil dies nur für noch mehr Instabilität in der Region sorgen würde.

Als fünftes und letztes Grundprinzip nannte von der Leyen eine Verständigung darauf, dass es keine anhaltende Blockade Gazas geben dürfe. 70 Prozent der jungen Menschen dort seien arbeitslos. Dies führe zwangsläufig zu einer weiteren Radikalisierung. 
 

EU erhöht humanitäre Hilfe für Gaza

Die EU stellt für humanitäre Hilfe zugunsten der Zivilisten im Gazastreifen weitere 25 Millionen Euro bereit. Nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erhöhen sich die Zusagen damit auf insgesamt 100 Millionen Euro. Es werde außerdem daran gearbeitet, die Zahl der Hilfskonvois zu erhöhen und auch Transporte per Schiff zu ermöglichen. Ein Seekorridor von Zypern aus könnte dauerhafte und geregelte Hilfsleistungen garantieren. 

Israelische Panzer ziehen den Belagerungsring um die Stadt Gaza enger (Bild der IDF)Bild: Israel Defense Forces/Handout via REUTERS

 "Wir alle haben als Demokratien und als Menschen die Verantwortung, unser Möglichstes zu tun, um gefährdete Zivilisten zu schützen", betonte von der Leyen. Konkret wandte sie sich dabei auch an Israel, das derzeit als Reaktion auf den Großangriff der militant-islamistischen Hamas massiv Ziele im Gazastreifen bombardiert. Israel habe das
Recht, gegen die in Gaza herrschende Hamas zu kämpfen, sagte sie. Es sei aber auch wichtig, dass es sich bemühe, zivile Opfer zu vermeiden und so gezielt wie möglich vorzugehen. Denn jedes menschliche Leben zähle, sei es ein israelisches oder ein palästinensisches.


Israel teilt den Gazastreifen

Israelische Truppen haben den abgeriegelten Gazastreifen vollständig in zwei Hälften geteilt. Es gebe nun "ein Nordgaza und ein Südgaza", sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Einheiten der IDF (Israel Defense Forces) seien im Bereich Gaza-Stadt bis zur Küste vorgedrungen. Die Stadt Gaza sei vollständig eingekreist; dies sei ein entscheidender Schritt, fügte Hagari hinzu. Laut israelischen Medienberichten wird erwartet, dass IDF-Soldaten in den nächsten 48 Stunden in die Stadt vorrücken.

Zivilisten dürfen weiter in den Süden des Palästinensergebiets fliehen, sagt Armeesprecher Daniel Hagari (Archivbild)Bild: Gil Cohen-Magen/AFP

Nach Darstellung von Militärsprecher Hagari soll es für Zivilisten jedoch weiter möglich sein, in den südlichen Teil des Gazastreifens zu flüchten. Er machte aber deutlich: "Das ist ein Einbahnstraßen-Korridor in Richtung Süden."

Nach dem brutalen Terrorangriff der im Gazastreifen herrschenden Hamas auf Israel am 7. Oktober ist es erklärtes Ziel der israelischen Armee, die radikal-islamistische Organisation und ihre Stellungen, die weitgehend unterirdisch in einem Tunnelsystem verborgen sind, zu zerstören. Die palästinensische Hamas wird von Israel, der EU, Deutschland, den USA sowie weiteren westlichen Staaten und auch einigen arabischen Ländern als Terrororganisation eingestuft.

Jordanien stellt Beziehung zu Israel auf den Prüfstand

Jordanien hat Israel vor einer Vertreibung von Palästinensern aus dem Gazastreifen oder dem besetzten Westjordanland gewarnt. Jeder Versuch dazu wäre eine "Rote Linie" und würde von Jordanien als Kriegserklärung aufgefasst, erklärte Ministerpräsident Bischer Khasawneh nach einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur Petra. Die "brutalen Angriffe auf Krankenwagen und humanitäre Hilfskräfte" im Gazastreifen widersprächen "dem Prinzip der Selbstverteidigung". Das israelische Militär unterscheide nicht zwischen zivilen und militärischen Zielen. Sein Land habe in Bezug auf die israelische Aggression gegen den Gazastreifen und deren Folgen alle Optionen auf dem Tisch, erklärte Khasawneh demnach. Jordanien wolle deshalb seine wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Israel überprüfen.

Der jordanische Ministerpräsident Bisher KhasawnehBild: Rashed Al-Mansoori/UAE's Ministry of Presidential Affairs/AFP

Jordanien hatte als Reaktion auf den Israel-Hamas-Krieg bereits beschlossen, seinen Botschafter in Israel zurückzuberufen. Der israelische Botschafter, der das Königreich zuvor verlassen hatte, sollte gleichzeitig nicht zurück nach Amman kehren. Aus Furcht vor einer Massenflucht lehnen Jordanien und Ägypten die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Gazastreifen ab. Das hat auch mit der Sorge zu tun, dass daraus am Ende eine dauerhafte Vertreibung werden könnte.

Jordaniens Luftwaffe wirft Hilfsgüter über Gaza ab

Die jordanische Luftwaffe hat dringend benötigte medizinische Hilfe über einem jordanischen Feldlazarett im Gazastreifen abgeworfen. Dies meldet der persönliche Account des jordanischen Königs Abdullah II. auf der Social-Media-Plattform X. "Es ist unsere Pflicht, den Brüdern und Schwestern zu helfen, die im Krieg gegen Gaza verletzt wurden. Wir werden immer für unsere palästinensischen Brüder und Schwestern da sein", heißt es.

Die Aktion war nach israelischen Angaben mit Jordanien abgestimmt. "Über Nacht hat ein jordanisches Flugzeug in Zusammenarbeit mit den israelischen Verteidigungskräften (IDF) medizinische Ausrüstung und Lebensmittel für das jordanische Krankenhaus im Gazastreifen abgeworfen", erklärte das Militär. Die Ausrüstung werde "vom medizinischen Personal für Patienten verwendet", hieß es weiter. 

Israel hat ein Embargo gegen unkontrollierte Hilfslieferungen in den Gazastreifen verhängt und verlangt, dass alle Hilfsgüter, die bislang nur über den ägyptischen Grenzübergang Rafah in den Süden des Gazastreifens gelangen, kontrolliert werden. So soll verhindert werden, dass Waffen an die Hamas geschmuggelt werden. Hilfsorganisationen beklagen, dass die bislang mit Lastwagen in den Gazastreifen gelangten Hilfsgüter bei weitem nicht ausreichen.

Blinken kündigt Ausweitung humanitärer Hilfen an

US-Außenminister Antony Blinken setzt seine Pendeldiplomatie mit Gesprächen in der Türkei fort. In der Hauptstadt Ankara traf Blinken mit seinem Amtskollegen Hakan Fidan zusammen. Im Zentrum der Gespräche stehen auch hier der Krieg zwischen Israel und der Hamas und die Bemühungen, eine Ausweitung des Konflikts zu verhindern. 

Das rund zweieinhalbstündige Gespräch fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Aus türkischen Diplomatenkreisen hieß es im Anschluss, Fidan habe von Blinken eine "sofortige" Feuerpause im Gazastreifen gefordert. Israel müsse daran gehindert werden, "Zivilisten ins Visier zu nehmen" und Menschen innerhalb des palästinensischen Küstengebiets zu vertreiben, sagte der türkische Außenminister demnach. 

Die Außenminister der USA und der Türkei, Antony Blinken (l.) und Hakan Fidan, in Ankara Bild: Jonathan Ernst/AP Photo/picture alliance

Im Hinblick darauf erklärte Blinken, Washington sei sich der "großen Besorgnis in "der Türkei "über die schrecklichen Opfer" im Gazastreifen bewusst. Die USA bemühe sich, die humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen auszuweiten. "Wir arbeiten mit Nachdruck daran, mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu bringen, und wir haben sehr konkrete Möglichkeiten, dies zu tun", sagte Blinken.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wird nach eigenen Angaben beim kurzfristig angesetzten Besuch des US-Chefdiplomaten in Ankara nicht dabei sein. Aus Blinkens Umfeld hatte es zunächst geheißen, ein Treffen mit Erdogan sei "wahrscheinlich".

US-Außenminister berät in Zypern über Seekorridor

Im Rahmen seiner Vermittlungsbemühungen in Nahost hatte US-Außenminister Antony Blinken am Sonntag bei einem Kurzbesuch in Zypern mit Präsident Nikos Christodoulides die Einrichtung eines humanitären Seekorridors zwischen der Mittelmeerinsel und dem Gazastreifen besprochen. Bei dem Gespräch der beiden Politiker auf dem Flughafen von Larnaca sei es um einen "einseitigen Seekorridor" gegangen, sagte Regierungssprecher Konstantinos Letymbiotis im Onlinedienst X. Dieser Korridor solle die "anhaltende humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen von Zypern aus" ermöglichen.

Palästinensische Binnenflüchtlinge im Süden des GazastreifensBild: Abed Rahim Khatib/AA/picture alliance

Der Vorstoß Nikosias werde von Frankreich, der EU-Kommission und Israel unterstützt, hatte Präsident Christodoulides zuvor vor Journalisten mitgeteilt. Aus seiner Sicht ist Zypern aufgrund seiner guten Beziehungen zu umliegenden arabischen Ländern sowie wegen seiner geografischen Nähe zum nordwestlichen Gazastreifen gut als Ausgangspunkt für humanitäre Hilfslieferungen in den Gazastreifen geeignet.

Blinken überraschend auch im Irak - Warnung an Milizen

Nach seinem Zwischenstopp in Zypern war Blinken auch zu einem unangekündigten Kurzbesuch im Irak. Dort kam er mit Regierungschef Mohamed Schia al-Sudani zusammen, um die Gefahr einer möglichen Ausweitung des Krieges zwischen Israel und der Hamas zu besprechen. Der Besuch stand auch vor dem Hintergrund zunehmender Angriffe proiranischer Milizen auf US-Truppen im Irak. "Wer auch immer den Konflikt in Gaza ausnutzen will, um unsere Mitarbeiter hier oder anderswo in der Region zu bedrohen - lasst es", sagte Blinken im TV-Sender "Sky News" in einer Warnung an die pro-iranischen Milizen. Deren Angriffe und Drohungen seien "absolut inakzeptabel". Die USA suchten keinen Konflikt mit dem Iran, würden aber "jeden nötigen Schritt unternehmen, um unsere Leute zu schützen".

US-Außenminister Blinken mit Iraks Regierungschef Mohamed Schia al-Sudani in BagdadBild: raqi Prime Minister's Media Office/Handout via REUTERS

Das Treffen mit Al-Sudani bezeichnete Blinken als "produktiv, offen und wichtig". Die ohnehin instabile Sicherheitslage im Irak hat sich seit Beginn des Gaza-Kriegs zwischen der islamistischen Hamas und Israel verschärft.

USA melden Ankunft von atomwaffenfähigem U-Boot

Das US-Militär ist nach eigenen Angaben mit einem atomwaffenfähigen U-Boot im Nahen Osten präsent. Am Sonntag sei ein U-Boot der Ohio-Klasse in seinem Zuständigkeitsbereich angekommen, teilte das Regionalkommando des US-Militärs (Centcom) auf der Plattform X mit. Das Militär nannte keine weiteren Details zu Zielort, Namen oder Bewaffnung. Bei der Ohio-Klasse handelt es sich um rund 170 Meter lange atomwaffenfähige U-Boote, die die USA schon seit dem Kalten Krieg vor allem zur Abschreckung einsetzen. Sie können auch mit zahlreichen konventionellen Tomahawk-Marschflugkörpern bewaffnet sein.

Ein US-amerikanisches U-Boot der Ohio-Klasse (Archivfoto) Bild: U.S. Navy/Zumapress/picture alliance

Der US-Sender CNN sieht in dem Einsatz eine Botschaft der Abschreckung an den Iran und seine Stellvertreter in der Region. Eine solche Ankündigung seitens des Militärs über Einsätze eines U-Boots der Ohio-Klasse sei selten, so CNN. Direkt nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober hatten die Vereinigten Staaten Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer verlegt, darunter zwei Flugzeugträger. Auch diese dienen zunächst der Abschreckung, um weitere militante Gruppen im Nahen Osten davon abzuhalten, im großen Stil in den Gaza-Krieg einzusteigen.

qu/ack/sti/se/MM/hf/kle/rb (dpa, rtr, afp, kna ap)

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