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Politik

Nahost-Experte: "Kerry hat letzte Chance genutzt"

Marc Saha
29. Dezember 2016

Die Nachwehen der Abrechnung von US-Außenminister John Kerry mit Israel sind noch spürbar. Mit Obamas Nachfolger Trump wird sich der Kurs der USA ändern - zugunsten Israels, so Nahost-Experte Günter Meyer im Interview.

Westbank Siedlung Givat Zeev
Die Siedlung Givat Zeev im Westjordanland Bild: Reuters/B. Ratner

Deutsche Welle: Herr Meyer, was treibt den scheidenden US-Außenminister John Kerry an, kurz vor dem Wechsel der US- Präsidentschaft Israel derart zu brüskieren? 

Günter Meyer: Was John Kerry in seiner Rede dargestellt hat, ist im Wesentlichen die abschließende Zusammenfassung dessen, wofür Obama und Kerry sich während der letzten acht Jahre eingesetzt haben. Sie fordern klar: Die Zwei-Staaten Lösung ist der einzige Weg zum Frieden! Das heißt, wir haben es mit der Fortsetzung dessen zu tun, was in der jüngsten UN-Resolution festgelegt worden ist. Die israelische Regierung von Premier Benjamin Netanjahu hat sich zwar immer in Form von Lippenbekenntnissen für eine solche Zwei-Staaten Lösung eingesetzt, aber die Realität sieht vollkommen anders aus. Es hat nie zuvor eine so radikale rechte Regierung in Israel gegeben, die im Wesentlichen mit Extremisten und Förderern der Siedlungspolitik besetzt ist und die systematisch die Umsetzung einer Zwei-Staaten Lösung verhindert. 
Wie müsste Ihrer Meinung nach eine funktionierende Zwei-Staaten-Lösung aussehen?

Günter Meyer leitet das Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt Bild: Inka Meyer

John Kerry hat die Rahmenbedingungen in seiner Rede ja noch einmal genannt: Es geht erstens darum, sichere und anerkannte Grenzen auf der Basis von 1967 zu schaffen. Damit verbunden ist ein Landaustausch, dem beide Seiten zustimmen müssen, damit es tatsächlich zu einem zusammenhängenden Staat Palästina kommen kann. Was die Hauptstadt-Frage anbelangt, so muss ein freier Zugang zu den heiligen Stätten gewährleistet sein - für Juden, Muslime und Christen. Also keine erneute Teilung von Jerusalem. Israel müsste außerdem Sicherheitsgarantien geben und Forderungen fallen lassen, die eine Normalisierung des Verhältnisses zwischen Israel und Palästinensern bisher behindert haben. Das ist ein durchaus realistisches Szenario, an dessen Verwirklichung die Netanjahu-Regierung allerdings kein Interesse hat.

War es denn klug, dass der scheidende Außenminister Kerry wenige Wochen bevor Donald Trump die Amtsgeschäfte übernimmt mit seiner Rede ein solches Signal in die Welt setzte? 

Es ist quasi die letzte oder genauer gesagt die vorletzte Chance, wenn man das geplante Außenministertreffen zum Nahost-Konflikt in Paris Mitte Januar berücksichtigt, ehe der Wechsel in den USA am 20. Januar stattfindet. Trump hat von Anfang an klar gemacht, dass er einer Siedlungsausweitung in den besetzten Gebieten positiv gegenübersteht. Wir werden von ihm in Nahost eine Abkehr von der bisherigen US-Politik erwarten müssen. Darüber hinaus hat er sich sogar bereit erklärt zu einer Verlagerung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Damit würde die USA Jerusalem als israelische Hauptstadt anerkennen.

Vom designierten US-Präsidenten Donald Trump erwartet Meyer eine Abkehr von der bisherigen PolitikBild: picture-alliance/AP Photo/A. Harnik

Wird die Trump-Regierung zu sehr auf Netanjahu und auch auf dessen politisches Lager fixiert sein? 

Das ist eindeutig der Fall. Das äußert sich auch schon darin, dass der neue US-Botschafter David Friedman zu den stärksten Befürwortern und Unterstützern der Siedlungspolitik gehört. 

Wie friedlich wird die Situation in Nahost zwischen Israel und den Palästinensern und den Nachbarstaaten 2017 sein? 

Es wird mit Sicherheit eine massive Verschärfung der politischen Spannungen im Nahen Osten geben. Wenn Jerusalem von den USA als israelische Hauptstadt anerkannt und die Siedlungspolitik weiter gestärkt wird, wird das innerhalb der arabischen Welt, innerhalb der islamischen Welt, den Widerstand gegen Israel aber auch den Widerstand gegen die USA erheblich erhöhen.

Das bedeutet, es ist Wasser auf die Mühlen derer, die sich durch eine Politik wie sie von Trump zu erwarten ist, nur bestärkt fühlen - gerade auch islamistische Terroristen. Die Gefahr ist groß, dass dadurch internationale Terroranschläge vor allem auch in der westlichen Welt im Jahre 2017 noch weiter zunehmen werden. 

Professor Günter Meyer vom Geographischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt.

Das Interview führte Marc Saha.

 

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