Nahost: Große Hoffnung auf Frieden in Gaza
9. Oktober 2025
Israel und die militant-islamistische Hamas haben der ersten Phase eines von den USA vorgeschlagenen Friedensplans für den Gazastreifen zugestimmt. "Dies bedeutet, dass sehr bald alle Geiseln freigelassen werden und Israel seine Truppen auf eine vereinbarte Linie zurückziehen wird, als erste Schritte zu einem starken, dauerhaften und ewigen Frieden", verkündete US-Präsident Donald Trump auf seiner Online-Plattform Truth Social. Trump dankte allen Unterhändlern für diesen "großartigen Tag" und dieses "historische und beispiellose Ereignis".
Jubelfeiern auf beiden Seiten
Direkt nach Bekanntwerden der Einigung kam es zu spontanen Jubelfeiern im Gazastreifen. Zahlreiche Menschen strömten singend und klatschend auf die Straßen und zeigten sich erleichtert und hoffnungsfroh, dass die Angriffe der israelischen Armee bald ein Ende haben könnten.
Gejubelt wurde auch auf dem sogenannten "Platz der Geiseln" in Tel Aviv. Hier waren seit Kriegsbeginn regelmäßig Angehörige der von Hamas-Terroristen nach Gaza verschleppten Menschen und ihre Unterstützer zusammengekommen, um gegen den Gazakrieg und für eine Waffenruhe sowie die Freilassung der Geiseln zu demonstrieren. Nun ist die Erfüllung dieser Forderungen zum Greifen nah: Israels Regierung erklärte, die ersten Geiseln könnten womöglich schon am Wochenende nach Hause zurückkehren. Nach dem formellen Abschluss des Abkommens, dass am Donnerstag unterzeichnet werden soll, werde Israels Militär innerhalb von 24 Stunden mit dem Teilabzug aus Gaza beginnen.
Noch im Laufe des Donnerstags will das israelische Sicherheitskabinett zusammenkommen, um das Abkommen zu ratifizieren.
Noch viele Fragen offen
Laut US-Plan sollen in einer ersten Phase zunächst die Waffen schweigen und die verbliebenen israelischen Geiseln gegen palästinensische Gefangene ausgetauscht werden. Insgesamt sollen noch 48 Geiseln im Gazastreifen sein. Es wird jedoch befürchtet, dass nur rund 20 von ihnen noch leben. Im Gegenzug sollen rund 2000 Palästinenser freigelassen werden, darunter wohl 250, die in Israel zu lebenslanger Haft verurteilt worden waren. Zudem soll nach dem Teilabzug der israelischen Truppen rasch auch die umfassende Versorgung der Menschen im Gazastreifen wiederaufgenommen werden.
Erst in einem zweiten Schritt sollen dann die deutlich kritischeren Fragen geklärt werden. Dazu gehören etwa die Entwaffnung der Hamas, die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung sowie der Wiederaufbau im Gazastreifen. Erste diplomatische Schritte dazu sollen auf einer Konferenz in Paris in die Wege geleitet werden, an der auch US-Außenminister Marco Rubio und Deutschlands Außenminister Johann Wadephul teilnehmen sollen.
Insbesondere ein möglicher Wiederaufbau des nahezu vollständig in Trümmern liegenden Küstenstreifens dürfte eine Herkulesaufgabe werden, die noch Jahre oder gar Jahrzehnte dauern könnte. UN-Angaben zufolge sind über 90 Prozent aller Wohnhäuser zerstört oder stark beschädigt - darunter auch zahlreiche Krankenhäuser, Schulen und andere öffentliche Einrichtungen. Mehr als 50 Millionen Tonnen Schutt müssen weggeräumt werden. Unklar bleibt, wie viele Tote sich noch unter den Trümmern befinden. Offiziellen Angaben des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums zufolge sollen rund 67.000 Menschen seit Beginn des Gazakrieges vor zwei Jahren getötet worden sein. Die tatsächliche Zahl könnte jedoch weit höher liegen.
Auch in welchem Zeitraum die nächsten Schritte unternommen werden sollen und wer letztendlich den Gazastreifen nach Kriegsende regieren wird, ist bislang noch unklar. In der ersten Übergangsphase soll ein internationales Gremium unter Führung von US-Präsident Donald Trump und dem ehemaligen britischen Premier Tony Blair zunächst eine aus Technokraten zusammengesetzte Übergangsregierung koordinieren.
Hamas äußert Bedenken
Die Hamas erklärte, ihre Macht nur an eine Technokraten-Regierung abzugeben, die unter Aufsicht der Palästinensischen Autonomiebehörde stünde und von arabischen sowie muslimischen Ländern unterstützt würde. Eine von Vertretern westlicher Staaten kontrollierte Regierung im Gazastreifen lehnt sie ab.
Außerdem hat sich die Hamas, die von der EU, den USA und anderen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, bislang geweigert, über ihre Entwaffnung zu verhandeln. Vielmehr forderte sie US-Präsident Trump auf, sicherzustellen, dass Israel die vorgesehene Waffenruhe auch vollständig umsetze. Unterdessen hatte das israelische Militär trotz der generellen israelischen Zustimmung zum Abkommen die Bewohner Gazas davor gewarnt, zu schnell in ihre Heimatorte zurückzukehren. Einige Gegenden seien weiterhin "gefährliche Kampfzonen". Insbesondere der Aufenthalt in Gaza-Stadt, wo bis zuletzt eine israelische Großoffensive tobte, bleibt laut Militärangaben "extrem gefährlich".
Ein "Friedhof für politischen Optimismus"?
Bis zu einem endgültigen Friedensschluss sind also noch einige hohe Hürden zu meistern. Und die haben es durchaus in sich. "Trumps 20-Punkte-Friedensplan steckt voller Minenfelder", warnt Fawaz Gerges, Nahostexperte an der London School of Economics. Im DW-Interview äußerte er große Zweifel daran, dass sich die Hamas tatsächlich entwaffnen lasse und Israel wirklich alle Truppen aus Gaza zurückziehen werde. Noch gebe es viele Dinge, an denen der Plan scheitern könnte.
"Der Nahe Osten war in der Vergangenheit immer wieder ein Friedhof für politischen Optimismus", bilanziert Gerges. "Die entscheidende Frage für mich ist, ob Präsident Trump die Aufmerksamkeit aufbringen wird, um auch nach dem Ende der ersten Phase - dem Austausch von Geiseln gegen palästinensische Gefangene - engagiert weiterzumachen."