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KonflikteNahost

Nahost: Israel weitet Gaza-Bodenoffensive aus

Veröffentlicht 4. Dezember 2023Zuletzt aktualisiert 4. Dezember 2023

Israel verstärkt den Krieg gegen die terroristische Hamas - auch im Süden des Gazastreifens, in den viele Zivilisten geflohen waren. Die USA bemühen sich um eine Deeskalation. Unser Nachrichtenüberblick.

Nahostkonflikt | Ein Israelischer Soldat im Gazastreifen (Aufnahmeort unbekannt) (04.12.2023)
Ein Israelischer Soldat im Gazastreifen (Aufnahmeort unbekannt)Bild: IDF/Xinhua/picture alliance

 

Das Wichtigste im Überblick:

  • Israel weitet Gaza-Bodenoffensive im Süden aus
  • Hamas setzt Raketenbeschuss fort
  • Forderungen an UN nach Solidarität mit von Hamas misshandelten Frauen
  • Scharfe Kritik von Kinderhilfsorganisationen
  • US-Vizepräsidentin Harris bemüht sich um Entschärfung des Konflikts

 

Israels Armee hat im Kampf gegen die radikalislamischen Terroristen der Hamas ihre Bodenoffensive im "gesamten Gazastreifen" ausgeweitet. "Die Armee operiert überall dort, wo die Hamas Hochburgen hat", teilte Armee-Sprecher Daniel Hagari am späten Sonntagabend mit. "Die Streitkräfte begegnen den Terroristen von Angesicht zu Angesicht und töten sie."

Die Taktik im Süden des Gazastreifens soll der im Norden ähneln. "Wir haben im nördlichen Gazastreifen stark und gründlich gekämpft, und wir tun es jetzt auch im südlichen Gazastreifen", teilte Generalstabschef Herzi Halevi mit.

Hamas setzt Raketenbeschuss fort

Die Hamas, die von der Europäischen Union ebenso wie den USA, Deutschland und weiteren Ländern als Terrororganisation eingestuft wird, feuerte ihrerseits hunderte Raketen auf Israel ab. Die israelische Armee gab an, dass ein Großteil Raketen aus dem Gazastreifen abgefangen worden sei. Zwei ihrer Soldaten wurden demnach bei dem Beschuss getötet.

In der Nacht wurde nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA und der Hamas-geführten Regierung bei einem Angriff ein Eingang des Krankenhauses Kamal Adwan im Norden der Stadt Gaza getroffen und mehrere Menschen getötet. Die israelische Armee reagierte bislang nicht auf eine Anfrage der Nachrichtenagentur AFP dazu, ob das Krankenhaus gezielt unter Beschuss genommen worden sei. Israel wirft der Hamas vor, Stellungen unter Krankenhäusern installiert zu haben und Zivilisten als Schutzschilde zu benutzen.

Zerstörungen durch Israels Militäreinsatz in Chan JunisBild: Ibraheem Abu Mustafa/REUTERS

Während sich die israelischen Angriffe wochenlang auf den Norden des von der Hamas kontrollierten Palästinensergebiets konzentriert hatten, wurde am Wochenende auch der Süden stark unter Beschuss genommen, darunter das Gebiet um die Stadt Chan Junis. Die Armee rief die Zivilbevölkerung auf, bestimmte Regionen im Großraum der Stadt zu verlassen und sich in bekannte Schutzeinrichtungen für Flüchtlinge westlich der Stadt zu begeben. Auch weiter nach Süden in Richtung Rafah an der Grenze zu Ägypten sollten die Palästinenser fliehen.

Offensive im nördlichen Gazastreifen geht weiter

Auch Israels Armee-Einsatz gegen die Hamas im Norden des Gazastreifens ist noch nicht beendet. "Wir haben sie im Norden noch nicht vollständig militärisch besiegt, aber wir haben gute Fortschritte gemacht", sagte der israelische Armeesprecher Jonathan Conricus dem US-Sender CNN. Man habe von Anfang gesagt, dass der Kampf gegen die Hamas nicht leicht werde und Zeit benötige. Man habe es mit einem Feind zu tun, "der kein Problem damit hat, Zivilisten für seine militärische Sache zu opfern", so Conricus.

Nach israelischen Militärangaben griffen Soldaten etwa die "Terror-Infrastruktur" in einer Schule in dem Ort Beit Hanun im Norden des Gazastreifens. Israelische Soldaten seien aus der Schule heraus angegriffen worden. Auf dem Gelände sollen sich Angaben aus Israel zwei Tunnelschächte befunden haben, einer sei unter anderem mit Sprengfallen versehen gewesen.

Forderungen an UN nach Solidarität mit von Hamas misshandelten Frauen

Vor dem UN-Hauptsitz in New York haben dutzende Frauen gegen die aus ihrer Sicht geringe Aufmerksamkeit der Vereinten Nationen für die massive sexuelle Gewalt gegen israelische Frauen bei dem Hamas-Großangriff am 7. Oktober protestiert. Die rund 150 Teilnehmerinnen schwenkten israelische Flaggen, forderten die Befreiung der noch in der Gewalt der radikal-islamischen Palästinenserorganisation befindlichen Geiseln und trugen Transparente mit Slogans wie "Schande über die UN".

Demonstrierende vor dem UN-Hauptquartier: Wer schweigt macht sich mitschuldigBild: Charly Triballeau/AFP/Getty Images

Die Protestierenden warfen den Vereinten Nationen Untätigkeit angesichts der Berichte über die Vergewaltigung und Misshandlung zahlreicher israelischer Frauen während der terroristischen Hamas-Attacken vor. An der Spitze des Protestierenden marschierten 20 mit Kunstblut beschmierte Frauen, die teils nur in Unterwäsche bekleidet waren. Auf Transparenten wurde den UN vorgeworfen, mit Blick auf Israelis und Palästinenser mit zweierlei Maß zu messen.

Die israelische Polizei ermittelt nach eigenen Angaben wegen Verbrechen von Hamas-Kämpfern gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die von Gruppenvergewaltigungen bis hin zu Leichenschändung reichten.

Scharfe Kritik von Kinderhilfsorganisationen

Vorwürfe von Hilfsorganisationen, den Hunderttausenden von Zivilisten im völlig überfüllten Süden des abgeriegelten Küstenstreifens werde von Israels Armee nicht genug Zeit gegeben, sich vor Angriffen in Sicherheit zu bringen, wies Armeesprecher Conricus im CNN-Interview zurück. Man tue alles, um Zivilisten zu schützen. Wenn die Hamas außerhalb städtischer Gebiete kämpfen würde, "dann wäre die Zivilbevölkerung natürlich nicht betroffen. Aber das hat die Hamas nicht getan, sie nutzt die Zivilisten", sagte Conricus.

Der Sprecher des UN-Kinderhilfswerks UNICEF, James Elder, hatte die israelischen Angriffe zuvor scharf kritisiert. Im Süden finde ein "Blutbad" statt. Die Angaben über sogenannte "sichere Zonen" für die Bevölkerung in Gaza bezeichnete Elder als "Falschdarstellung".

Die UNICEF-Angaben werden von Save The Children bestätigt. "Es gibt keinen einzigen sicheren Ort mehr für Kinder in Gaza", bekräftigt Jason Lee, der Länderdirektor der Nichtregierungsorganisation in den palästinensischen Gebieten. Er hält sich nach Angaben von Save The Children derzeit selbst im Gazastreifen auf.

Provisorisches Flüchtlingslager in einer UN-Schule in Chan JunisBild: Ibraheem Abu Mustafa/REUTERS

"Sie sollen in Gebiete gehen, die von Geflüchteten bereits völlig überlaufen sind. Orte, an denen es kein Wasser, keine Plätze in Notunterkünften und keine Sanitärversorgung mehr gibt. Orte, die ebenfalls Luftangriffen und Granatenbeschuss ausgesetzt sind – durch Straßen, die sie vor lauter Trümmern kaum passieren können. Wie sollen das kleine Kinder, alte und kranke Menschen schaffen?", so Save-The Children-Länderdirektor Lee in einem Statement, das der Deutschen Welle vorliegt.

Die Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Mirjana Spoljaric, beklagte, dass derzeit keine angemessene humanitäre Hilfe möglich sei. "Das Ausmaß des menschlichen Leids ist unerträglich", sagte sie bei einem Besuch im Gazastreifen. Es sei inakzeptabel, dass es für die Bevölkerung keine sicheren Zufluchtsorte gebe.

Suche nach Verschütteten in Chan JunisBild: Ahmad Hasaballah/Getty Images

Die deutsche Bundesregierung fordert von Israel, die Zivilbevölkerung möglichst zu schonen. Es drohe sich die humanitäre Not zu verschärfen, so ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. Deshalb appelliere er dafür, die notwendige Hilfe in das Gebiet zu lassen.

Im südlichen Gazastreifen hielten sich nunmehr 1,8 Millionen Menschen auf. "Daher ist es uns besonders wichtig, dass Israels Vorgehen diesem Umstand Rechnung trägt und ziviles Leid vermeidet", sagte der Sprecher des deutschen Außenministeriums. "Und es ist genauso wichtig, dass sich Israel an das humanitäre Völkerrecht hält."

Hisbollah-Terrormiliz beschießt Ziele in Nordisrael

Auch an Israels Grenze zum Libanon flammten Kämpfe auf. Die israelische Armee teilte mit, sie habe Artillerie als Antwort auf Beschuss von der anderen Seite der Grenze abgefeuert. Kampfflugzeuge hätten mehrere Ziele der libanesischen Hisbollah-Miliz angegriffen.

Die israelische Armee hat mehrere Abschüsse aus dem Libanon auf Ziele in Israel gemeldet. Bei den Angriffen seien drei israelische Soldaten leicht verletzt worden. Die Armee attackierte demnach die Orte, von denen die Angriffe ausgingen.

Die Terrororganisation Hisbollah im Libanon übernahm die Verantwortung für eine Attacke auf israelische Soldaten in der Nacht zu Montag sowie den Beschuss weiterer Ziele. Von libanesischen Stellen wurde das Gefecht bestätigt. Es habe einen Angriff aus dem Libanon heraus auf einen Posten im Nachbarland gegeben, hieß es auch aus libanesischen Sicherheitskreisen. Israel reagierte demnach mit Gegenbeschuss.

US-Vizepräsidentin Harris bemüht sich um Entschärfung des Konflikts

Auch die diplomatischen Bemühungen um eine Entschärfung des Konflikts gehen weiter. US-Vizepräsidentin Kamala Harris sprach auf ihrem Rückflug von der Klimakonferenz in Dubai mit Israels Staatspräsidenten Izchak Herzog sowie mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, über die Lage in Gaza, wie das Weiße Haus mitteilte.

Außenminister Antony Blinken habe zudem mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, über "die laufenden Bemühungen, die sichere Rückkehr aller verbleibenden Geiseln zu ermöglichen und die Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu erhöhen", gesprochen.

Harris habe die Unterstützung der USA für das Recht Israels auf Selbstverteidigung bekräftigt. Zudem äußerte sie demnach ihre Besorgnis über Schritte, die zu einer Eskalation der Spannungen führen könnten, wie der Gewalt extremistischer israelischer Siedler im Westjordanland.

Sie habe erneut darauf hingewiesen, wie wichtig die Planung für den Tag nach Ende der Kämpfe in Gaza sei, hieß es. Die USA setzten sich für eine Zweistaatenlösung ein. Das habe sie auch Abbas gesagt. Harris habe Abbas die Unterstützung der USA "für das palästinensische Volk und dessen Recht auf Sicherheit, Würde und Selbstbestimmung" zugesichert. Das palästinensische Volk brauche eine "klare politische Perspektive", teilte das Weiße Haus mit.

Der Krieg zwischen Israel und der Hamas dauert inzwischen bereits mehr als acht Wochen an. Am 7. Oktober waren hunderte Terroristen der Hamas vom Gazastreifen aus nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Israelischen Angaben zufolge töteten die Terroristen etwa 1200 Menschen in Israel und verschleppten 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen.

AR/sti/MM/uh/qu/rb (afp, dpa, rtr)

Redaktionsschluss 20.00h MEZ. Dieser Artikel wird nicht weiter aktualisiert.