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KonflikteEuropa

Nahostkonflikt vor dem Internationalen Gerichtshof

18. Februar 2024

Der Nahostkonflikt hält den IGH weiter in Atem: Das UN-Gericht lehnt weitere Maßnahmen gegen Israel ab. Ab Montag finden zusätzlich Anhörungen zur Lage in den Palästinensergebieten statt.

Westjordanland | Gepanzertes Fahrzeug der israelischen Armee in der Stadt Nablus, Westjordanland
Israels Armee bei einem Einsatz zum Schutz jüdischer Siedler in der Stadt Nablus im WestjordanlandBild: Nasser Ishtayeh/SOPA Images/ZUMA Press Wire/picture alliance

Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat entschieden, keine weiteren vorläufigen Maßnahmen gegen Israel wegen einer geplanten Ausweitung der israelischen Militäroffensive auf Rafah zu verhängen. Dies ist die neueste Wendung in einem Rechtsstreit zwischen Südafrika und Israel über die Auslegung der Völkermordkonvention.

Südafrika wirft Israel vor, durch sein Vorgehen im Gazastreifen gegen die Völkermordkonvention aus dem Jahr 1948 zu verstoßen. Es hat am 29. Dezember 2023 eine Klage beim IGH eingereicht.

Israel weist die Vorwürfe entschieden zurück. Das Land führt als Reaktion auf den Terrorangriff der militant-islamistischen Hamas vom 7. Oktober massive Militärschläge im Gazastreifen aus. Bei dem Angriff wurden rund 1200 Menschen ermordet und mehr als 250 Geiseln genommen.

Nach Angaben des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums in Gaza sind dabei bis jetzt mehr als 28.700 Menschen getötet worden. Israel, die EU, die USA und andere Staaten stufen die Hamas als Terrororganisation ein.

Südafrika forderte neue Notfallmaßnahmen gegen Israel - hier Südafrikas Justizminister Ronald Lamola und der Botschafter in den Niederlanden Vusimuzi Madonsela bei einer Anhörung am IGH.Bild: REMKO DE WAAL/ANP/AFP/Getty Images

IGH lehnt Antrag Südafrikas ab

Mit einem Antrag vom 12. Februar ersuchte Südafrika den IGH, "aus eigenem Antrieb" heraus tätig zu werden und weitere Notfallmaßnahmen zu verhängen. In seiner Begründung führt das Land an, eine Militäroffensive in Rafah würde zu "weiteren groß angelegten Tötungen, Schädigung und Zerstörung" führen.

Der IGH lehnt die Verhängung von weiteren Maßnahmen ab. Die gefährliche Situation erfordere die sofortige und effektive Umsetzung der bereits verhängten Maßnahmen, teilte der höchste UN-Gerichtshof am 16. Februar mit. Diese seien im gesamten Gazastreifen – und somit auch in Rafah – gültig.

Mit Beschluss vom 26. Januar hatte der IGH Israel angewiesen, alles in seiner Macht stehende zu tun um einen Völkermord im Gazastreifen zu verhindern. Außerdem solle unter anderem humanitäre Hilfe im Gazastreifen ermöglicht werden. Laut der bindenden Anordnung muss Israel bis spätestens zum 26. Februar einen Bericht über die Umsetzung der Maßnahmen vorlegen.

Im Saal des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag sollen rund 50 Staaten zu der Lage der Palästinensergebiete angehört werdenBild: Thilo Schmuelgen/REUTERS

Politischer Druck auf Israel steigt

Die jüngste Entscheidung deckt sich mit der Erwartung des Völkerrechtsexperten Michael Becker. Er hatte bereits im Vorfeld der Entscheidung betont, dass es dem IGH völlig freistehe, wie er mit dem Antrag Südafrikas umgehe.

Der Assistenzprofessor für internationales humanitäres Recht am Trinity College in Dublin sagte im Gespräch mit der DW, es sei schwer zu erkennen, "was der Gerichtshof in dieser Sache sagen könnte, was sich signifikant von dem bereits Gesagten unterscheidet." 

Außerdem sei auch nicht klar, welchen Einfluss eine weitere Entscheidung haben könne, so Becker. Denn der politische Druck auf Israel - insbesondere durch seine engsten Verbündeten wie Deutschland, die USA und Großbritannien - sei bereits hoch.

Alle drei Länder hatten vor den Auswirkungen einer Militäroffensive in Rafah im südlichen Gazastreifen gewarnt. In Rafah befindet sich mehr als eine Millionen Menschen, darunter Geflüchtete aus anderen Gebieten des Gazastreifens.

Israel hatte das Gebiet zuvor zu einer sicheren Zone erklärt. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hatte letzte Woche das israelische Militär angewiesen, eine Bodenoffensive vorzubereiten.

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14:07

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UN-Gutachten zu Palästinensergebieten

Doch der Gerichtshof befasst sich nicht nur mit der aktuellen Lage in Gaza. Vom 19. Februar an werden in Den Haag Anhörungen zu der Frage der "rechtlichen Konsequenzen stattfinden, die sich aus den Politiken und Praktiken Israels in dem besetzten palästinensischen Gebiet, einschließlich Ost-Jerusalem, ergeben".

Die UN-Vollversammlung hatte den Gerichtshof bereits im Dezember 2022, also vor dem Beginn des Israel-Hamas-Krieg, um ein solches Gutachten ersucht. Zu dem "besetzten palästinensischem Gebiet" gehört auch das von Israel besetzte Westjordanland.

In der Resolution der UN-Vollversammlung vom 30. Dezember 2022werden verschiedene Sachverhalte vorgebracht, die unter anderem im Zusammenhang mit israelischen Siedlungsaktivitäten im besetzten Westjordanland und Ost-Jerusalem stehen sollen.

So wird beispielsweise die Notwendigkeit des Schutzes palästinensischer Zivilisten vor Gewalt von israelischen Siedlern angeführt. Auch die "desaströse humanitäre Lage," im Gazastreifen, welche - so die Resolution - auf "faktische Blockaden" zurückgehe, wird angeführt.

Die UN-Vollversammlung in New York (Archivbild mit der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock bei einer Dringlichkeitssitzung zur Ukraine 2023)Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur leben seit der Eroberung des Westjordanlands und Ost-Jerusalem während des Sechs-Tage-Krieges 1967 rund 600.000 Israelis in mehr als 200 Siedlungen.

Das Gebiet wird von den Palästinensern als Teil eines eigenen Staats beansprucht, so wie ihn unter anderem auch Deutschland und die USA innerhalb einer verhandelten Zweistaatenlösung befürworten. Der Siedlungsbau wird als Verstoß gegen internationales Recht gewertet.

Besonderer Blick auf Jerusalem

Mit seinem Ersuchen bittet nun die UN-Vollversammlung den IGH darum, die rechtlichen Konsequenzen zu erörtern, die "sich aus der andauernden Verletzung des Rechts des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung aus der andauernden Besetzung, Besiedlung und Annexion durch Israel" ergeben.

Ein besonderer Schwerpunkt wird auf Ost-Jerusalem gelegt, welches die Palästinenser für einen künftigen Staat als ihre Hauptstadt beanspruchen. Die Resolution fragt explizit nach der Bewertung von "Maßnahmen, die darauf abzielen, die demografische Zusammensetzung, den Charakter und den Status der Heiligen Stadt Jerusalem zu verändern."

Israel erklärte 1980 Jerusalem per Gesetz zu seiner "vereinten und ewigen" Hauptstadt, was einer faktischen Annektierung gleichkommt. Die meisten Länder erkennen diesen Schritt nicht an. 

Verlassene Altstadt: Beim "Globalen Gaza Streik" am 11.12.2023 in Ostjerusalem und im Westjordanland waren alle Geschäfte geschlossenBild: Mostafa Alkharouf/Anadolu/picture alliance

Mehr als 50 Staaten werden angehört

Die Anhörungen beginnen mit palästinensischen Vertretern, denen drei Stunden eingeräumt werden. Darauf folgen bis einschließlich zum 26. Februar Anhörungen von Vertretern aus 52 Staaten.

Auch die Arabische Liga, die Afrikanische Union und die Organisation für Islamische Zusammenarbeit erhalten jeweils eine halbe Stunde.

Unter den Staaten sind einige EU-Länder, wie etwa die Niederlande, Belgien, Spanien und Frankreich. Auch die USA und Kanada werden sich äußern. Deutschland ist nicht vertreten. 

Von den 193 UN-Staaten kennen fast 140 Länder Palästina als Staat an. Die USA, Deutschland und andere westeuropäische Staaten gehören nicht dazu.

Im Anschluss an die Anhörungen wird der IGH das von den UN gewünschte Gutachten erstellen. Völkerrechtsexperte Becker stellt klar, dass das Gutachten nicht rechtsverbindlich ist. Es gebe der UN-Vollversammlung lediglich Auskunft über die gestellte Rechtsfrage.

Allerdings: Das Gutachten werde als verbindliche Rechtsauskunft gelten und könnte etwa bei anderen Verfahren eine Rolle spielen, sagte Becker. Israel selbst habe bei dem Verfahren keine offizielle Funktion. Es könne aber sein, dass der IGH zu einem späteren Zeitpunkt Erkundigungen bei dem Land einholt.

Das Land hatte zwar eine schriftliche Stellungnahme beim IGH eingebracht, ist aber nicht unter den Staaten, die ab Montag angehört werden. 

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