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Politik

Nahostpolitik: Kollision der Weltbilder

19. Februar 2017

Am Abschlusstag behandelte die Münchner Sicherheitskonferenz den Krieg in Syrien. Die Weltbilder der Akteure klaffen auseinander und zeigen: Einigung wird schwer. Aber Gespräche lohnen. Aus München Matthias von Hein.

Syrien Krieg - Kämpfe in Daraa
Während in München diskutiert wird, gehen die Kämpfe in Syrien weiterBild: Getty Images/AFP/M. Abazeed

Was ist wahr, was ist falsch, wenn es um die Krisen und Kriege im Nahen und Mittleren Osten geht? Wer hat sie verschuldet? Und vor allem: Was ist zu tun? Zumindest für die letzte Frage gibt es bei der Münchner Sicherheitskonferenz eine naheliegende Antwort: Reden und Zuhören! Zuhören war auch am dritten und letzten Tag eine spannende Angelegenheit. Dem Publikum wurde eine extrem breite Palette von Deutungsmöglichkeiten für die Probleme der Region geboten - etwas, was die Qualität dieser Konferenz ausmacht und die verhärteten Fronten der Akteure spiegelt.

Der Tag begann mit dem iranischen Außenminister Dschawad Sarif. Der gab sich moderat, stellte den Iran als missverstandene und ausgegrenzte Nation dar. Er verneinte nicht nur, dass der Iran Atomwaffen entwickeln wolle, sondern forderte auch ihre weltweite Abschaffung. Die Probleme der Region führte er auf unkluge militärische Interventionen zurück. Und als ausgestreckte Hand bot Sarif einen regionalen Sicherheitsdialog mit den arabischen Nachbarn an. Israel solle, sagte er auf Nachfrage, davon erst einmal ausgeschlossen bleiben.

Terrorismus ist eine Frage der Perspektive

Das besänftigt die USA vermutlich kaum, denn Washington identifiziert Teheran als vermeintlichen Urheber der meisten Übel im Nahen und Mittleren Osten. Und so war denn auch ein Ergebnis der Diskussionsrunde US-amerikanischer Kongressmitglieder: Der Druck auf den Iran wird zunehmen. Aber auch Russland will der Kongress - so formulierte es der Republikaner Lindsey Graham - in diesem Jahr "kräftig in den Hintern treten", um zu verhindern, dass sich der Kreml in die Wahlen in Frankreich und Deutschland einmische, wie er es möglicherweise in den USA getan habe.

Erzfeind Iran verteufelt: Saudi-Arabiens Außenminister Adel al-DschubeirBild: Reuters/M. Rehle

Divergierende Perspektiven präsentierten anschließend Vertreter Israels, der Türkei und Saudi-Arabiens. Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman freute sich, dass die arabische Welt erstmals den Iran als größere Bedrohung wahrnehme als Israel. Der saudische Außenminister Adel al-Dschubeir machte Teheran direkt für eine Reihe von Terroranschlägen verantwortlich und untermauerte seine Behauptung mit einer Frage: Warum sei der Iran das einzige Land der Region, dass nicht vom "Islamischen Staat" oder Al-Kaida angegriffen werde? Sein türkischer Kollege Mevlüt Çavuşoğlu wiederum beschwerte sich über europäische und US-amerikanische Waffen für kurdische Peschmerga, die in seinen Augen Terroristen sind.

Fakten gegen Falschmeldungen

Der US-amerikanische Think Tank Atlantic Council versuchte anschließend, Tatsachen von Behauptungen zu trennen: Er stellte in einer mit der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright und dem früheren schwedischen Ministerpräsidenten Carl Bildt hochkarätig besetzten Pressekonferenz den Bericht "Breaking Aleppo" vor. Der Report soll den Falschmeldungen über den Syrienkrieg Fakten gegenüberzustellen. Er belegt russische Kriegsverbrechen bei der Belagerung Ost-Aleppos, etwa den gezielten und wiederholten Beschuss des Krankenhauses M2.

Vor den Toren Aleppos: Flüchtlinge vor dem UN-FlüchtlingshilfswerkBild: Reuters/A. Hashisho

"Die Taktiken bei der Eroberung Aleppos", sagte Madeleine Albright, "erinnern an die schlimmsten Kriegsverbrechen des 20. Jahrhunderts. Aber sie wurden mit den Technologien des 21. Jahrhunderts festgehalten." Sie hatte auch eine Botschaft an die Trump-Regierung: Putin könne kein Partner sein und ein Frieden mit Assad sei unmöglich. Die USA und ihre Verbündeten müssten in Syrien sichere Zonen für die Bevölkerung einrichten.

Syrien braucht eine politische Lösung

Schließlich hatte der Mann seinen großen Auftritt, der im Auftrag der Vereinten Nationen für den Frieden in Syrien kämpft: Staffan de Mistura. In seinen fast 50 Jahren als Vermittler habe er noch nie so einen brutalen Krieg gesehen, sagte de Mistura. Er hielt sich mit Schuldzuweisungen zurück und stellte klar: Beide Seiten begingen Menschenrechtsverletzungen - wenn auch nicht in gleichem Umfang.

Weiter optimistisch: UN-Syrien-Gesandter Staffan de MisturaBild: Reuters/M. Rehle

Trotz der schleppenden Syrien-Gespräche zeigte de Mistura Optimismus. Er setzt auf die von Russland, der Türkei und dem Iran garantierte Waffenruhe - trotz wiederholter Verletzungen. Allerdings liefe die Zeit: "Der Waffenstillstand hält nicht ohne politische Lösung", bekräftigt der UN-Sondergesandte. Und diese Lösung müsse alle Beteiligten einschließen und in eine neue, von den Syrern selbst geschriebenen Verfassung münden. Die Waffenstillstandsgespräche in Astana sind für de Mistura eine wichtige Vorbereitung für die Friedensgespräche, die kommende Woche in Genf fortgesetzt werden.

Auf eine Frage hatte auch de Mistura keine Antwort: Wie wir die künftige Nahostpolitik der USA aussehen? Stattdessen nannte die drei Prioritäten, die seiner Ansicht nach Washingtons Politik beherrschen werden: Gegen den "Islamischen Staat" zu kämpfen, die Macht des Iran einzuschränken und dem verbündeten Saudi-Arabien beizustehen.

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