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Namibia: Juristischer Erfolg für LGBTQ-Gemeinschaft

Jasko Rust Windhoek
21. Juni 2024

Namibias Hohes Gericht hat ein schwulenfeindliches Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Allen juristischen Erfolgen zum Trotz leben queere Menschen in Namibia gefährlich - und erleben Anfeindungen auf höchster Ebene.

Namibia, Windhoek | Eine Demonstrantin hält ein Banner in Regenbogenfarben mit der Aufschrift "Support Namibian Queer Rights"
Mit Bannern brachten Demonstranten am Tag der Urteilsverkündung Unterstützung für die queere Szene zum AusdruckBild: Opas Onucheyo/REUTERS

Ein kalter Winterabend in Windhoek. Auf einer kleinen Bühne im Garten eines Hauses in der namibischen Hauptstadt proben ein halbes Dutzend Dragqueens für ihre Show am nächsten Tag. Jede neue Pose wird von den Anwesenden frenetisch bejubelt. "Die am härtesten arbeitenden Beine im Drag", ruft jemand, als Aedin Mohrmann in die Hocke geht. Mohrmann, kräftig gebaut, trägt heute Abend eine graue Jogginghose. Doch einen Abend später wird er zu "Atlantis", seiner Drag-Identität. Die regelmäßigen Drag-Shows sind ein geschützter Raum für die LGBTQ-Gemeinschaft Namibias. Und ein Mittel, um sich zu zeigen.

"Die Menschen ändern sich. Ich glaube, dass sich durch die Sichtbarkeit mehr Köpfe öffnen", sagt Lize Ehlers. Die bekannte namibische Sängerin ist Mitgeschäftsführerin von Drag Night Namibia und stellt ihr Haus für die Proben zur Verfügung. Auch für Dragqueen Aedin Mohrmann ist es wichtig, auf die Menschen zuzugehen. Dialog, ein aufklärendes Gespräch, das sind seine Mittel gegen Queerfeindlichkeit. Dabei bleibt er im Alltag vorsichtig: "Wir müssen einfach achtsam sein. Selbst wenn es nur ins Einkaufszentrum geht. Einfach das tun, was man tun muss, und rausgehen", sagt er im DW-Gespräch.

LGBTQ-Community sieht sich nach Gerichtsurteilen unter Druck

Vor Gericht feiert die queere Gemeinschaft gerade Erfolge: Am Freitag (21.06.2024) hat das Hohe Gericht ein sogenanntes Sodomie-Gesetz für verfassungswidrig erklärt, das sexuelle Handlungen zwischen Männern kriminalisiert. Doch die Stimmung unter den Mitgliedern der LGBTQ-Gemeinschaft scheint seit dem vergangenen Jahr insgesamt angespannter geworden zu sein. Im Mai 2023 hatte das Oberste Gericht Namibias geurteilt, dass nicht-namibische Ehepartner von im Ausland geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehen ein Aufenthaltsrecht in Namibia erhalten müssen. Was folgte, war eine Welle der Homophobie. "Diese Gegenreaktion kam nicht von der Öffentlichkeit", erklärt Omar van Reenen, eine nicht-binäre Person, die sich für LGBTQ-Rechte einsetzt, gegenüber der DW. "Sie kam von zwei Akteuren: der Regierung und religiösen Extremisten, die die Flamme des Hasses geschürt haben."

Die Sängerin Lize Ehlers stellt ihr Haus für die Proben der Dragqueens zur VerfügungBild: Jasko Rust

Tatsächlich hatten hochrangige Mitglieder der Regierungspartei SWAPO das Urteil von 2023 scharf kritisiert. In einer Stellungnahme äußerte die Partei ihre "schwere Enttäuschung". Alle Arten von "unmoralischen und unsittlichen Handlungen" verurteile sie "aufs Schärfste". Die SWAPO-Jugendliga sprach gar von einem "ausländischen Kulturimperialismus".

Van Reenen sieht im Vorgehen der politischen Führung Anzeichen von staatlich geförderter Homophobie, beklagt eine Marginalisierung der queeren Gemeinschaft und einen Anstieg der Hassverbrechen. Tatsächlich gab es in den letzten zwölf Monaten eine ganze Reihe aufsehenerregender Fälle. Zuletzt war Ende April 2024 eine Transsexuelle in einem informellen Siedlungsgebiet von Windhoek brutal ermordet worden. Die 30-Jährige war mit dutzenden Stichwunden gefunden worden, ihre verstümmelten Genitalien lagen nach Polizeiangaben auf ihrer Brust.

Politik geeint gegen Homosexualität

Als Reaktion auf das Urteil des Obersten Gerichts hatte der SWAPO-Hinterbänkler Jerry Ekandjo eine private Gesetzesvorlage ins Parlament eingebracht. Sie sieht eine Anpassung des Ehegesetzes vor, um die Ehe ausschließlich als Zusammenschluss zwischen Mann und Frau zu definieren. Auch die Bezeugung, Bewerbung und Förderung gleichgeschlechtlicher Ehen soll damit unter Strafe gestellt werden.

Der Gesetzesvorschlag wurde ohne großen Protest von der Opposition in beiden Kammern des Parlaments abgesegnet und liegt nun seit Monaten zur Unterschrift beim Präsidenten. "Ich denke, dass der Präsident das Gesetz noch nicht unterzeichnet hat, weil er weiß, dass es undemokratisch ist", mutmaßt Omar van Reenen. Auch der bevorstehende Wahlkampf könnte hier eine Rolle spielen. DW-Anfragen bei Jerry Ekandjo blieben bislang unbeantwortet.

Aedin Mohrmann präsentiert seine Drag-Identität "Atlantis"Bild: Aedin Mohrmann

Homosexualität ist in Namibia nicht illegal. Lediglich sexuelle Beziehungen zwischen zwei Männern hätten unter der sogenannten Sodomie-Gesetzgebung, die ihren Ursprung in der Kolonialzeit hat, strafrechtlich verfolgt werden können, bekräftigte vor dem jüngsten Urteil Yolande Engelbrecht vom Legal Assistance Centre (LAC), einer namibischen Nichtregierungsorganisation.

Sie sieht in der Reaktion auf das Urteil des Obersten Gerichts von 2023 auch ein Missverständnis. Es gehe nicht um die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen in Namibia. Die Rechtsprechung betreffe lediglich den Einwanderungsaspekt. "Um die gleichgeschlechtliche Ehe in Namibia zu erlauben, müsste man die Verfassung anfechten. Denn die namibische Verfassung besagt eindeutig, dass eine Ehe zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen werden muss", so Engelbrecht im Gespräch mit der DW.

"Präzedenzfall" zum Schutz von Homosexuellen

Die queere Community hat nun jedoch zunächst dem Sodomie-Gesetz den Kampf angesagt - mit Erfolg: In der Begründung seiner heutigen Entscheidung führte das Hohe Gericht aus, dass hier sexuelle Praktiken allein auf Grundlage des Geschlechts kriminalisiert würden. Das verstoße gegen das Gebot der Gleichbehandlung.

Für die Aktivisten ist klar: Nicht Homosexualität, sondern die schwulen- und lesbenfeindliche Politik ist ein Vermächtnis der KolonialzeitBild: Opas Onucheyo/REUTERS

"Welche Bedrohung stellt ein schwuler Mann für die Gesellschaft dar - und wer muss vor ihm geschützt werden?", fragt das Gericht - um anzuschließen: "Wir sind der festen Überzeugung, dass das Erzwingen privater Moralvorstellungen eines Teiles der Gesellschaft (selbst wenn er die Mehrheit stellt), nicht als legitimer Zweck gelten können."

Geklagt hatte der LGBTQ-Aktivist Friedel Dausab, der sich dadurch in seinen verfassungsmäßig garantierten Menschenrechten verletzt sieht. Der heutige Sieg vor Gericht könnte weitreichende Folgen haben. Omar van Reenen dazu gegenüber der DW: "Wir brauchen einen Präzedenzfall, auf den wir uns stützen können und der die Grundlage für den Schutz künftiger Generationen bildet." Für van Reenen ist der Gang vor das Oberste Gericht der nächste Schritt. Es sei höchste Zeit, dass sich das höchste Gericht des Landes zum Status der LGBTQ-Rechte in Namibia äußere.

Omar van Reenen gründete die Organisation "Equal Namibia", die sich für die Rechte queerer Menschen einsetztBild: Jasko Rust

Trotz des politischen und religiösen Gegenwindes sieht van Reenen in der breiten Öffentlichkeit dabei durchaus Unterstützung. Denn der durchschnittliche Namibier sei nicht homophob. Dem stimmt auch Drag-Queen Aedin Mohrmann zu. Er fordert einen Volksentscheid zu den Rechten von Schwulen und Lesben in Namibia: "Es würde sicher eng, aber die Mehrheit würde am Ende für Ja stimmen." Dabei setzt er vor allem auf die Jugend des Landes, die verstehe, dass ein geeintes Namibia stärker sei.

Der Kampf einer iranischen LGBTQ-Aktivistin in Deutschland

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