Mit harschen Bedingungen zurechtzukommen, ist eine Sache. Was diese Pflanzen schaffen, ist eine ganz andere. Hier sind zwei Pflanzen, die das Leben in der Wüste zur Perfektion gebracht haben.
Anzeige
Sogar die Marketing-Abteilung einer Vermögensverwaltungsfirma hat die Welwitschia-Pflanze für sich entdeckt - und vor allem ihren Werbenutzen: "Wir haben unsere Antwort in der Welwitschie gefunden", heißt es auf einer Werbetafel am Flughafen Windhoek in Namibia. "Sie überdauert und besteht fort. Aber noch viel wichtiger: Sie erblüht dort, wo andere wanken, und wächst stetig mit der Zeit."
Manchmal sagen Werbetafeln die Wahrheit: Die Wüstenpflanze Welwitschia mirabilis ist tatsächlich eine außergewöhnliche Pflanze. Sie meistert das Leben in der heißen trockenen Wüste - einem Ort, wo viele andere Pflanzen nicht überleben können.
Die Welwitschie wächst nur in der Namib-Wüste in Namibia und Südangola. In Namibia ist sie Nationalpflanze - selbst die namibische Rugby-Nationalmannschaft trägt ihren Namen: "the Welwitschias". Wie schon ihr lateinischer Name zeigt, waren selbst die Entdecker der Pflanze beeindruckt von ihr: "mirabilis" bedeutet "wunderbar". Als lebendes Fossil zieht sie noch heute Forscher und Naturliebhaber in ihren Bann - und Touristen.
1500 Jahre alt
Noch junge Welwitschiapflanzen sehen erst einmal nach nichts Besonderem aus. Sie wachsen nahe am Boden und von ihren hellgrünen Blättern mal abgesehen, könnte man meinen, sie sei tot. Wirklich beeindruckend und sogar zur Touristenattraktion werden sie, wenn sie größer werden - wie die Riesen-Welwitschie.
Die Riesen-Welwitschie wächst 50 Kilometer östlich von der namibischen Stadt Swakopmund an der Atlantikküste. Sie ist so groß wie ein Mensch und schätzungsweise um die 1500 Jahre alt. Ein Zaun schützt die Pflanze vor den Besuchern und deren trampelnden Füßen: Diese könnten sonst das empfindliche Wurzelsystem gleich unter der Erdoberfläche schädigen.
"Nebel hat die Pflanze so viele Jahre am Leben gehalten", sagt Titus Shuuya, Forscher an der Gobabeb-Wüstenforschungsstation in der Namib. "Mit ihren extrem dünnen Haarwurzeln nimmt sie die Feuchtigkeit auf."
Nebel ist charakteristisch für die Namib-Wüste. Er bildet sich an der Atlantikküste, wenn dort der kalte Benguelastrom auf warme, feuchte Luftmassen trifft. Wind weht den Nebel dann ins Landesinnere.
Die Welwitschie hat nur zwei Blätter, die ein ganzes Pflanzenleben lang wachsen. Wie Titus Shuuya herausgefunden hat, wachsen die Blätter durchschnittlich 0,37 Millimeter pro Tag. "Sind die Umweltbedingungen aber weniger vorteilhaft, nimmt das Wachstum ab", ergänzt Monja Gerber, Biologin und Pflanzenexpertin in Gobabeb.
Das macht die Welwitschie so langlebig: ihre Geduld, schlechte Bedingungen einfach auszusitzen und auf bessere Zeiten zu warten. "Die Pflanze könnte uns Menschen viel beibringen", sagt Shuuya und lacht.
Sich selbst Schatten machen
Sogar 1500 Jahre alte Welwitschia-Pflanzen haben nur zwei Blätter. Auf den ersten Blick ist das allerdings kaum zu sehen, denn die Blätter werden sehr lang und spalten sich viele Male an ihren Enden auf.
Diese langen, aufgesplitterten Blätter wickeln sich um den unteren Teil der Pflanze. "Sie schatten die Haarwurzeln ab und schützen sie vor Wasserverlust", erklärt Titus Shuuya.
Welwitschia kann auch die Farbe ihrer Blätter anpassen. Wenn es sehr heiß ist, stellen die Blätter mehr rote Pigmente her, die die Pflanze vor Sonnenstrahlung schützen. Fallen die Temperaturen wieder und ist Wasser wieder verfügbar, bilden die Blätter Chlorophyll - das grüne Pigment, das die Photosynthese betreibt. "Diese Farbänderungen sind mit dem Auge sichtbar", sagt Monja Gerber.
Sanddünen bauen
Nicht so berühmt wie die Welwitschia - aber nicht minder beeindruckend - ist die Nara-Pflanze (Acanthosicyos horridus). Sie ist ein blattloser dornenbesetzter Strauch, der ebenfalls nur in der Namib wächst. Indem sie auf Blätter verzichtet, minimiert sie Wasserverluste. Ihre Photosynthese betreibt sie stattdessen direkt in ihren grünen Stängeln und Dornen. Auch Feuchtigkeit kann sie direkt durch ihre Stängel aufnehmen.
"Je mehr Zeit ich mit ihr verbringe, desto mehr könnte ich denken, dass sie intelligent ist", sagt Monja Gerber, die ihre Masterarbeit über die Nara-Pflanze schreibt. "Sie kann sogar ihre Umwelt verändern, damit diese besser zu ihr passt." Nara-Pflanzen wachsen auf Sanddünen in der Wüste. Allerdings: Diese Sanddünen waren vorher nicht da. Die Pflanze errichtet sie sich selbst.
Das funktioniert so: Wenn die Pflanze langsam auf dem Wüstenboden gedeiht, sammelt sie langsam Sand um sich herum an, der vom Wind herangeblasen wird. Der untere Teil der Pflanze ist irgendwann komplett von Sand bedeckt. Dann stirbt er ab und stellt sich selbst als Nährstoffe für den Rest der Pflanze zur Verfügung. Die neue Pflanze wächst oben auf der alten weiter. So arbeitet sich die Pflanze bis zu drei Meter in die Höhe und häuft dabei immer mehr Sand an.
"Eine Melone in der Wüste ist nicht normal"
Das Besondere an der Nara-Pflanze sind auch ihre Früchte: Weibliche Naras produzieren wohlschmeckende orange-gelbe Melonen, etwa so groß wie Straußeneier. Recht ungewöhnlich, sagt auch Monja Gerber: "Eine Melone in der Wüste ist nicht normal."
Die Melonen sind nicht nur eine wasserreiche Nahrungsquelle für Tiere in der Wüste - sondern auch für Menschen: Die Topnaars - ein namibisches Wüstenvolk - erntet die Melonen regelmäßig. Sie essen das Fruchtfleisch und verkaufen die Samen. Aus den Samen stellt man aufgrund des hohen Anteils an Omega-3-Ölen Kosmetikprodukte her.
"Für die Topnaars ist die Nara-Pflanze eine Existenzgrundlage", sagt Monja Gerber. Sie ist Teil eines Projektteams, das untersucht, wie sich die Nara-Pflanze im größeren Maßstab anbauen lässt - das wäre eine große Hilfe für viele am Rande der Existenz lebenden Topnaar-Gemeinden.
Bisher ist es nicht möglich, Nara-Pflanzen selbst anzubauen. Sobald man versucht, einen gekeimten Nara-Setzling an eine andere Stelle zu bewegen, stirbt er sofort ab - keiner weiß, wieso, sagt Gerber.
Genau wie die Welwitschia ist die Nara-Pflanze hochspezialisiert. Sie wächst nur in bestimmten Teilen der Namibwüste - sonst nirgendwo auf der Welt.
Gewusst wie: Überleben in der Namib-Wüste
Brütendheiß am Tag, eiskalt in der Nacht, wenig Wasser, wenig Nahrung - die Namib-Wüste im südlichen Afrika ist ein lebensfeindlicher Ort. Oder doch nicht? Diese Tiere wissen mit den harschen Bedingungen gut umzugehen.
Bild: R. Dückerhoff
Nehmen, was man kriegen kann
Strauße kommen mit dem heißen Wüstenklima gut klar. Die Laufvögel können ihre Körpertemperatur anheben, damit sie nicht schwitzen und kein Wasser verlieren. Das Wasser, das sie brauchen, holen sie sich über ihre pflanzliche Nahrung. Sie schlucken auch kleine Steine herunter - die zermahlen in ihrem Magen das Futter. So schaffen sie es, Sachen zu verdauen, die andere Tiere nicht verwerten können.
Bild: picture-alliance/Arco Images/C. Hütter
Immer schön cool bleiben
Auch Oryx-Antilopen können ihre Körpertemperatur hochregulieren, und zwar bis auf 45°C. Ein Netz von winzigen Blutgefäßen in ihrer Nase kühlt die Einatemluft. So überhitzt das Gehirn nicht. Der Bauch der Antilope ist weiß und reflektiert die Hitze vom heißen Wüstenboden. Die Tiere nehmen ihr Wasser über Wurzeln, Knollen und die Tsama-Melone auf, die in der Wüste wächst.
Bild: picture-alliance/Photoshot
Welche Farbe soll's heute sein?
Zu heiß? Dann verändert das Namaqua-Chamäleon einfach seine Farbe. Denn hellere Haut reflektiert mehr Licht. An den kühleren Morgen aber ist das Chamäleon schwarz. Sein Schwanz ist im Vergleich zu anderen Chamäleonarten recht kurz - in der Wüste muss man nicht so viel klettern. Höchstens mal auf einen Busch, um vom heißen Boden wegzukommen.
Bild: R. Dückerhoff
Hoch oben ist es kühler
Die Beine der Wüstenameise Camponotus detritus sind etwa 5 Millimeter lang. So kann die Ameise der heißen Sandoberfläche entgehen. Denn schon 5 Millimeter weiter oben ist es bis zu 10 Grad kühler. Die Ameise stillt ihren Durst an Honigtau, dem Ausscheidungsprodukt von Blattläusen. Gefressen wird die Ameise nur selten, denn ihr Ameisensäuregeschmack schreckt andere Tiere ab.
Bild: DW/B. Osterath
Auf Entenfüßen unterwegs
Der Namibgecko Pachydactylus rangei versteckt sich tagsüber in seiner Höhle unter der Erde. Er kommt nur nachts heraus. Seine übergroßen Augen lassen ihn auch im Dunkeln hervorragend sehen. Seine Füße mit Schwimmhäuten sind wie gemacht dafür, zu buddeln und auf Sand zu laufen. Daher wird er auch Schwimmfußgecko genannt.
Bild: R. Dückerhoff
Tanzende Spinne ohne Netz
Auch die Wüstenspinne Leucorchestris arenicola meidet das Sonnenlicht. Sie errichtet einen halben Meter unter der Erde eine Höhle aus Sand und Spinnenseide. Da sie nur nachts zum Vorschein kommt, braucht sie keinen Sonnenschutz - deshalb ist sie weiß. Bei der Paarung tippen die Männchen mit ihren Vorderbeinen auf den Sand. Im Englischen wird die Spinne daher "Dancing White Lady Spider" genannt.
Bild: R. Dückerhoff
Immer schön langsam
Das ist das Motto des Skorpions Opisthophthalmus flavescens, wenn es um den Stoffwechsel geht. Das Tier braucht nur wenig Energie und kann Monate ohne eine Mahlzeit auskommen. Das Sauerstofftransportsystem im Blut des Skorpions funktioniert - im Gegensatz zum menschlichen - auch bei hohen Temperaturen zufriedenstellend. Perfekt für ein Leben in der Wüste!
Bild: R. Dückerhoff
Schaufelnase
Der Sand in den Dünen der Namib-Wüste ist so fein, dass Tiere einfach hindurch schwimmen können - sie müssen nicht mal graben. Das gilt auch für die Echse Meroles anchietae. Ihre Kopfform erlaubt es ihr, sich ohne viel Widerstand durch Sand zu bewegen und so Fressfeinden zu entkommen. Ihre Nasenlöcher zeigen nach hinten und haben einen Knorpeldeckel, der verhindert, dass Sand eindringt.
Bild: R. Dückerhoff
Ein Leben im Sand
Auch die Blindschleiche Typhlacontias brevipes schwimmt durch den Sand. Sie verbringt sogar ihr ganzes Leben im Sand der Dünen und sucht dort nach kleinen Insekten. Ihre Beute nimmt sie über Erschütterungen wahr, die die Insekten verursachen, wenn sie sich bewegen.
Bild: R. Dückerhoff
Perfekt versteckt
Die Zwergpuffotter hat den perfekten Weg gefunden, Beute in der Namib-Wüste zu fangen. Sie vergräbt sich komplett im Sand, so dass nur noch ihr Kopf heraus schaut - und selbst der sieht aus wie Sand. Die Schlange bewegt sich mit charakteristischen seitlichen Schlängel-Bewegungen durch die Dünen. Das verhindert, dass sie im heißen Wüstensand überhitzt.
Siedelweber aus der Familie der Webervögel bauen riesige Nester, in denen mehrere hundert Vögel verschiedener Generationen gleichzeitig Platz finden. Die Kammern im Inneren der Netzstruktur bieten Schatten und sind kühler als die Außenluft. Die zentrale Kammer in der Mitte allerdings ist immer kuschelig warm und perfekt für kalte Wüstennächte.
Bild: R. Dückerhoff
Das große Krabbeln
Käfer sind ein gefundenes Fressen in der Namib. Sie ernähren sich von Detritus, abgestorbenen Pflanzenresten, die der Wind in die Wüste bläst. Am frühen Morgen sammeln sie Wassertröpfchen aus dem Nebel, der für die Namib so typisch ist. Andere Tiere fressen die Käfer und bekommen so gleichzeitig Wasser und Nahrung. Etwa 200 Käferarten krabbeln durch die Namib-Wüste.
Bild: DW/B. Osterath
Wasser ernten
Der Nebeltrinkerkäfer hat einen besonders effektiven Trick entwickelt, in der Namib-Wüste an Wasser zu kommen. Frühmorgens läuft er die Dünen hoch und macht einen Kopfstand. Nebel kondensiert auf seinem Hintern, und Wassertröpfchen laufen bis zu seinem Mund herunter. So kann er an einem einzigen Morgen bis zu 40 Prozent seiner Körpermasse an Wasser aufnehmen.
Bild: picture-alliance/Wildlife/M. Harvey
Lass mich, ich bin tot
Die Nahrungskette der Namib-Wüste basiert auf Käfern - aber das gefällt dem Rüsselkäfer ganz und gar nicht. Er hat sich etwas überlegt: Wenn er sich bedroht fühlt, lässt er sich auf den Rücken fallen und stellt sich tot - in der Hoffnung, dass andere Tiere auf tote, ausgetrocknete Käfer keinen Appetit haben.
Bild: DW/B. Osterath
Leben unter Steinen
Überall in der Namib-Wüste gibt es Leben - sogar unter Steinen! Dort wachsen Cyanobakterien - hier als bräunliche Masse. Die Bakterien brauchen Sonnenlicht für ihre Photosynthese. Knallende Sonne allerdings können sie nicht vertragen. Die Lösung: Sie siedeln sich unter solchen weißen Steinen an - durch sie dringt noch genügend Licht hindurch. Clever!