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Kampf gegen Artensterben

Henrik Böhme19. Mai 2008

Jedes Jahr sterben 26.000 Pflanzen- und Tierarten aus. Statistisch verschwindet alle zwanzig Minuten eine Art unwiederbringlich - diese Entwicklung soll die Biodiversitätskonferenz der Vereinten Nationen in Bonn bremsen.

Chamäleon, Foto: DW
Artenvielfalt sichert auch das Überleben des MenschenBild: DW-TV

Die Pazifische Eibe: Stirbt sie aus, fehlt ein Wirkstoff zur Krebsbekämpfung. Die Rinde der Silberweide: Aus ihr wird der Ausgangsstoff für das weltbekannte Schmerzmittel Aspirin gewonnen.

Biodiversität als 'wesentliche Aufgabe der menschlichen Daseinsvorsorge'Bild: picture-alliance/ dpa

Noch heute beruht knapp die Hälfte der in Deutschland zugelassenen Medikamente auf pflanzlichem Material. Globaler gesagt: Schätzungsweise 40 Prozent des Welthandels basieren auf biologischen Produkten und Prozessen. Ob Nahrung, Arzneimittel, Baustoffe oder Bioenergie - das alles ist ohne die Artenvielfalt undenkbar. Stirbt diese Vielfalt aus – und sie tut dies derzeit mit atemberaubender Geschwindigkeit – stehen die Grundlagen des menschlichen Überlebens auf dem Spiel.

Tausendfache Aussterberate

Sigmar Gabriel, der deutsche Umweltminister, sagte im Interview mit der Deutschen Welle: "Wenn wir so weitermachen mit der internationalen Fischerei, dann wird es zur Mitte des Jahrhunderts – vielleicht sogar schon wesentlich früher - keine Fischbestände auf der Welt mehr geben, bei denen sich der kommerzielle Fischfang lohnt. Stellen sie sich vor, welche Folgen das für die Welternährung hat", warnte er: "Wir sind inzwischen bei der tausendfachen Geschwindigkeit der natürlichen Aussterbe-Rate, einfach nur durch menschliches Einwirken.“

So verbraucht der Mensch das Naturkapital in rasantem Tempo: Flussauen müssen Siedlungen weichen, aus Wäldern werden Agrarsteppen. Der Verlust von Arten und Lebensräumen schreitet viel schneller voran als der natürliche Prozess hergibt. Hier zumindest auf die Bremse zu treten, das ist das vorrangige Ziel der UN-Naturschutzkonferenz, die am Montag (19.05.08) in Bonn begonnen hat. Doch der Stopp der Naturzerstörung und der Erhalt der Artenvielfalt waren bereits Ziele des Übereinkommens, das 1992 auf der Erdgipfel in Rio de Janeiro beschlossen wurde. Vorgesehen ist darin, bis zum Jahr 2010 den Verlust der Artenvielfalt entscheidend zu verringern. Doch dieses Ziel scheint kaum noch erreichbar zu sein.

Artenrückgang durch Überfischung: In den 90er Jahren hat die Artenvielfalt bereits erheblich abgenommen. Nur in den gelben Regionen herrscht noch eine relativ hohe ArtendichteBild: IDW

Am Scheideweg

Die Konvention, die die biologische Vielfalt sichern soll, stehe am Scheideweg, sagt der deutsche Umweltminister: "Entweder erreichen wir in Bonn konkrete und praktische Ergebnisse und erste Erfolge. Oder wir werden scheitern. Dann muss sich die internationale Gemeinschaft auch die Frage stellen, warum sie solche Konventionen eigentlich verabschiedet." Gabriel will vor allem Forschritte beim so genannten "gerechten Vorteilsausgleich" ("Benefit Sharing") erreichen. Schwellen- und Entwicklungsländer fordern, dass sie im Gegenzug für die Nutzung ihrer Ressourcen, etwa zur Herstellung von Medikamenten, angemessen finanziell beteiligt werden.

Bedroht: Der AusternfischerBild: Nationalpark Wattenmeer

Um den Verlust der Artenvielfalt ähnlich wie den Klimawandel mehr ins Bewusstsein zu rücken, bräuchte es freilich einen ähnlichen Anstoß, wie ihn der Report des britischen Ökonomen Sir Nicholas Stern in der Klima-Debatte gebracht hat: Eine klare finanzielle Größe, die deutlich macht, was auf dem Spiel steht: "Wir brauchen eine Bewertung, was das unsere Kinder und Enkelkinder kosten wird, wenn wir hier so weitermachen", fordert Gabriel, "und wir brauchen ein internationales Gremium, das kontinuierlich die Entwicklung der Artenvielfalt beobachtet und bewertet." Dabei verweist er auf die Klimapolitik, die es mittlerweile erfolgreich geschafft habe, ins öffentliche und politische Bewusstsein zu gelangen.

Erste Ergebnisse einer solchen wirtschaftlichen Studie sollen während der Konferenz vorgestellt werden. Das könnte der Schlüssel zu einem möglichen Erfolg der Konferenz sein. Auch die Bundeskanzlerin will ihren Teil dazu beitragen: Sie eröffnet am 28. Mai den entscheidenden Abschnitt der Konferenz, bei dem dann die Fachminister aus aller Welt das Schluss-Dokument verabschieden sollen.

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