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Nationalmannschaft bei EM 2024 als Vorbild für Deutschland

9. Juli 2024

Nach dem dramatischen Ausscheiden gegen Spanien bei der EURO 2024 richtet Bundestrainer Julian Nagelsmann emotionale Worte an die Menschen in Deutschland. Zudem sieht er das DFB-Team auch in Zukunft gut aufgestellt.

Fußball-EM 2024 | Achtelfinale | Deutschland vs. Dänemark | Elfmeter
Bild: Kenzo Tribouillard/AFP/Getty Images

"Geht ihr bitte weiter, es wird nichts mehr passieren". Der Volunteer steht im Ausgangsbereich des Stuttgarter Stadions, es läuft die Nachspielzeit beim EM-Viertelfinalspiel der EURO 2024. Die DFB-Elf liegt 0:1 gegen Spanien zurück und sieht wie der sichere Verlierer aus. Einige Medienvertreter hatten sich bereits auf den Weg in den Medienbereich des Stadions gemacht, um sich für die Spieler-Interviews in Stellung zu bringen.

Vor einigen Monaten hätte der Volunteer mit seiner Aussage sicherlich recht behalten und die Mannschaft hätte sich mit der Niederlage abgefunden. Doch diese Europameisterschaft hat das DFB-Team auf und neben dem Platz verändert. Bundestrainer Julian Nagelsmann hat seiner Mannschaft mehr Selbstbewusstsein gegeben und dafür gesorgt, dass die Zuschauer die Nationalmannschaft wieder leidenschaftlich anfeuern - auch wenn es mal nicht so gut läuft. "Wir haben es geschafft, die Fans zu einen", sagte Nagelsmann.

Florian Wirtz sorgt mit seinem Ausgleichstreffer gegen Spanien für Hoffnung beim DFBBild: Kai Pfaffenbach/REUTERS

Tatsächlich fiel kurz vor dem Abpfiff noch der Ausgleich. Der auf das Tor von Florian Wirtz folgende Gefühlsausbruch im ganzen Stadion war ein weiterer Beleg für den wiedergewonnen Zusammenhalt zwischen Fans und Team. Durch den Ausgleichstreffer rettete sich die DFB-Elf unter emotionalen Jubelstürmen und ohrenbetäubendem Fan-Rufen in die Verlängerung. Das Tor des Offensivspielers von Double-Sieger Bayer 04 Leverkusen sorgte für Gänsehautstimmung im ganzen Stadion.

Thomas Müller: "Stolz, Deutsche zu sein"

Doch die 119. Minute als Merino den 2:1-Siegtreffer für Spanien erzielte, änderte alles. "Das hat uns das Herz rausgerissen", sagte Bengt Kunkel der DW. "Es war einfach unverdient. Vor allem für diese Nation, für dieses Land und diese Fans, weil wir uns auf den Tribünen die Seele aus dem Leib geschrien haben und alle mitgezogen sind." Der 25-Jährige ist einer der Stimmungsmacher bei den DFB-Fans und hat in den vergangenen Wochen auch dazu beigetragen, dass eine Euphorie rund um die Nationalmannschaft entstanden ist.

Trotzdem war das abschließende Fazit positiv. "Man hat immer gemerkt, dass wir eine Mannschaft sind, dass wir zusammen Spaß haben, auf dem Platz zu stehen und dass wir alles füreinander tun", resümierte Manuel Neuer. Das Turnier sei eine positive Veranstaltung, wo viele Menschen zusammenkommen und Freude empfinden, ergänzte Thomas Müller. "Wir können stolz auf die Mannschaft sein und auch ein bisschen stolz, Deutsche zu sein." Es sei eine "traumhafte Reise auch für uns Fans" gewesen, sagte Fan-Einheizer Kunkel. "Das Turnier hatte eine ganze besondere Magie."

Auch sportlich habe sich das Team deutlich verbessert, freute sich DFB-Sportdirektor Rudi Völler. "Es war unser Wunsch, uns wieder an die Weltspitze zu spielen. Das ist uns in guter Hinsicht gelungen", lobte er. "Wir haben auch eine Verpflichtung gegenüber den Fans, diesen guten Fußball zu spielen. Wir wollen genau in dieser Art und Weise weitermachen."

Bei der Abschluss-Pressekonferenz in Herzogenaurach kämpft Bundestrainer Julian Nagelsmann mit den TränenBild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance

Stolz und immer noch emotional zeigte sich auch der Bundestrainer einen Tag nach dem Ausscheiden. "Ich kämpfe mit den Tränen, weil es sehr emotional war, sowohl mit der Mannschaft als auch mit den Fans." Das EM-Aus hat bei Nagelsmann und seiner Mannschaft Spuren hinterlassen.

Wer beendet seine DFB-Karriere?

"Ich war noch nicht bei vielen Turnieren dabei, aber ich habe mir sagen lassen, dass es nicht oft vorkam, dass Spieler das Camp mit Tränen in den Augen verlassen", sagte der 36-Jährige zur Abreise der Nationalspieler aus dem Basecamp in Herzogenaurach und verriet: "Ilkay [Gündogan] hat als letzter das Camp verlassen. Er ist ein stiller Leader, der nicht ständig Ansprachen hält vor der Mannschaft. Er hat große Erfahrung und hatte viele große Trainer."

Wenig später richtete Nagelsmann den Blick auf die Zukunft, denn der DFB steht möglicherweise vor einem großen Umbruch. Neben Toni Kroos könnten auch Thomas Müller, Manuel Neuer oder eben Ilkay Gündogan ihren Rücktritt bald verkünden. Der Bundestrainer wolle in den kommenden Wochen mit allen Gespräche führen. Er gehe aber bei seinem Kapitän davon aus, dass "er uns weiterhin zur Verfügung steht."

Viele Talente für die Zukunft stehen bereit

Sorge um die Zukunft mache er sich aber nicht. Und mit Jamal Musiala, Florian Wirtz, Jonathan Tah, Antonio Rüdiger oder auch Maximilian Mittelstädt sowie David Raum hat Nagelsmann ein mannschaftliches Grundgerüst, was auch in Zukunft für Euphorie sorgen kann.

Verabschiedung nach dem Aus gegen Spanien: Wer vom EM-Kader wird auch weiterhin beim Nationalteam dabei sein?Bild: Markus Ulmer/Teamfoto/IMAGO

"Wir werden den Kader nicht großartig umbauen", kündigte Nagelsmann an. "Wir haben mit dem Trainerteam eine gute Mannschaft zusammengestellt mit vielen Entscheidungen und werden nur Nuancen verändern, wenn alle weiter so performen. Ich sehe bei keinem die Gefahr, dass er in den nächsten ein, zwei Jahren abfällt."

Allerdings wird das DFB-Team auch Führungsspieler wie Gündogan brauchen, um den Umbruch einigermaßen unfallfrei über die Bühne zu bekommen. Zudem hat der Bundestrainer noch junge Spieler wie Rocco Reitz von Borussia Mönchengladbach, den Mainzer Brajan Gruda, Angelo Stiller aus Stuttgart oder Münchens Aleksandar Pavlovic in der Hinterhand.

Auch der scheidende Toni Kroos, der die Spiele der Nationalelf in Zukunft als Zuschauer begleiten wird, sieht eine positive Zukunft auf das Team zukommen. "Die Mannschaft glaubt an sich und ich hoffe, dass sie auch in Zukunft an sich glaubt, wenn ich dann zuschaue", so der 34-Jährige.

Fußball-Turnier kann Vorbild für Gesellschaft sein

Mindestens genauso wichtig wie eine sportlich erfolgreiche Zukunft auf dem Platz, sind die Momente, die während der EM neben dem Platz passiert sind. Durch ihr Auftreten hat die DFB-Elf die Fans wieder versöhnt und hinter sich gebracht.

Bengt Kunkel (rotes Trikot) sorgt für Stimmung bei den DFB-Fans und will jetzt auch eine "WM-Euphorie" entfachenBild: Matthias Koch/picture alliance

Nach vielen schlechten Turnierergebnissen und schwachen Länderspielen in der jüngeren Vergangenheit war das vor der EM anders gewesen. Die wiederbelebte Euphorie soll das Team nun bis zur WM 2026 tragen. "Ich glaube, dass da eine Grundlage entstanden ist, auf der wir wachsen können", sagte DFB-Vorsänger Kunkel der DW. "Wir sind auf jeden Fall dabei, und ich glaube, dass Deutschland wieder Bock auf diese Nationalmannschaft hat. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass diese 'EUROphie' sich in eine WM-Euphorie umwandelt."

Den neuen Zusammenhalt nutzte der Bundestrainer aber schon jetzt für einen Appell an alle Menschen in Deutschland. "Es ist wichtig zu realisieren, in welch schönen Land wir leben, landschaftlich und kulturell", sagte Nagelsmann. "Was wir für Möglichkeiten haben, wenn wir alle zusammenhalten und nicht alles extrem schwarzmalen, dem Nachbarn nichts gönnen und von Neid zerfressen sind. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der Dinge alleine macht und dann automatisch schneller, besser weiterkommt, als wenn er sie mit jemandem zusammen macht. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Es ging zum Glück schnell, dass wir die Fans geeint haben und ihnen was zurückgegeben haben."

Bernd Neuendorf: "Er hat eine unglaubliche Energie"

Nagelsmann erinnerte an das Gemeinschaftsgefühl, dass innerhalb der Nationalmannschaft entstanden sei und den positiven Verlauf der Heim-EM. Er hofft, dass das ganze Turnier ein Vorbild für die Gesellschaft sein könne. Der 36-Jährige imponierte den anwesenden Journalistinnen und Journalisten mit seinem Appell an die Gesellschaft.

Auch wegen solcher Sätze freute sich der DFB-Präsident, dass man auch die zukünftigen Aufgaben gemeinsam mit Nagelsmann angehen wird. "Er hat das Amt des Bundestrainers für mich auch ein Stück weit neu definiert in den vergangenen Wochen, so wie er aufgetreten ist", lobte Bernd Neuendorf. "Er hat eine unglaubliche Energie ausgestrahlt, einen unglaublichen Spirit."