1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

NATO-Geburtstag: Kein Fest unter Freunden

4. April 2019

Die NATO wird 70 und die Bündnispartner streiten. Im Mittelpunkt stehen wieder einmal die USA, die sich die Türkei wegen des russischen Waffendeals und Deutschland wegen des Rüstungsetats vorgenommen haben.

USA, Washington: Mike Pence - NATO - Atlantischer Rat
Bild: picture-alliance/AP/C. Owen

So überbrachte Pence erneut die Kritik aus dem Weißen Haus an Deutschland: Zum wiederholten Male kritisierte er die deutschen Verteidigungsausgaben und rügte Deutschlands Kooperation mit Russland beim Bau der Erdgaspipeline "Nord Stream 2".

Der deutsche Außenminister Heiko Maas wies die Kritik an den Budgetplänen der Bundesregierung zurück. "Ich weiß, unser Haushaltsverfahren ist für Außenstehende manchmal schwer zu verstehen. Aber wir haben uns klar dazu bekannt, mehr Geld in Verteidigung zu investieren, und wir halten Wort", sagte Maas.

Bundesaußenminister Heiko MaasBild: DW/A. Cama

Die Staats- und Regierungschefs der NATO hatten 2014 vereinbart, dass sich alle Mitgliedstaaten bei ihren Verteidigungsausgaben bis 2024 einem Wert von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts annähern sollen. Deutschland hat 1,5 Prozent bis 2024 fest zugesagt.

Unklare Finanzierung

Wie die Bundesregierung diese Zusage einhalten will, ist bislang aber vollkommen unklar. Nach dem jüngsten NATO-Jahresbericht lagen die deutschen Ausgaben im vergangenen Jahr bei 1,23 Prozent. Die mittelfristige Planung sieht nach Angaben aus dem Verteidigungsministerium 1,26 Prozent für das Jahr 2023 vor. Demnach müssten die Verteidigungsausgaben von 2023 auf 2024 um einen zweistelligen Milliardenbetrag erhöht werden, wenn das Ziel erreicht werden soll.

Die US-Regierung blieb damit ihrem konfrontativen Kurs gegenüber anderen Bündnispartnern treu: Präsident Donald Trump hatte in der Vergangenheit mehrfach Zweifel geäußert, ob die USA im Fall eines Angriffs auf einen europäischen Alliierten wirklich bedingungslos militärische Unterstützung leisten würden. Aus Verärgerung über die seiner Meinung nach zu geringen Verteidigungsausgaben von Ländern wie Deutschland drohte er sogar mit einem Rückzug der USA aus dem Bündnis.

Von der Leyen weist Kritik zurück

Auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen wies erneut die US-Kritik zurück und betonte, dass Deutschland die Zusagen an die NATO zu wachsenden Verteidigungsausgaben einhalten werde. Die Bundesregierung habe bis 2024 1,5 Prozent zugesagt und danach weitere Steigerungen. Daran halte man sich, schreibt von der Leyen in einem Gastbeitrag für die "Passauer Neue Presse".

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen verweist auf den steigenden WehretatBild: Reuters/A. Gebert

Zugleich mahnte die Ministerin Nachbesserungen an den künftigen Verteidigungsetats an. "Gut ist, dass für 2020 das Budget erneut steigen wird, auf cirka 45 Milliarden Euro, über 1,3 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Aber der geplante Aufwuchs für die Folgejahre reicht noch nicht. Das muss sich noch ändern, tut es üblicherweise auch."

Von der Leyen betonte, es dürfe nicht allein auf die Verteidigungsausgaben geschaut werden. "Deutschland ist der zweitgrößte Truppensteller im Bündnis, wir führen in diesem Jahr und 2023 die Schnelle Eingreiftruppe der NATO, beheimaten das neue Herz der NATO-Logistik in Ulm und tun vieles mehr."

SPD-Kritik an Trump

Der SPD-Verteidigungspolitiker Karl-Heinz Brunner wies die Forderungen nach einer stärkeren Anhebung der deutschen Verteidigungsausgaben allerdings als völlig überhöht zurück. Würde Deutschland schon jetzt wie von Trump gefordert zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigung stecken, "wären das 68 Milliarden Euro im Jahr", sagte Brunner der "Augsburger Allgemeinen". "Das ist mehr als die russische Föderation für ihr Militär ausgibt."

"Wir sollten Trump nicht auf den Leim gehen", sagte der SPD-Politiker weiter. "Über unseren Verteidigungsetat entscheidet nicht Washington, sondern der Bundestag."

Türkisch-russischer Waffendeal

Aber US-Vizepräsident Pence beließ es zum Bündnis-Geburtstag nicht bei den Attacken auf die Deutschland. Auch die Türkei ist in Washington in Ungnade gefallen. Der Streit zwischen beiden Ländern dreht sich um den Kauf eines umstrittenen russischen Raketenabwehrsystems durch die Regierung in Ankara. Vor dem NATO-Außenministertreffen in Washington erhöhten die USA den Druck auf die Türkei, die an dem Deal mit Moskau aber unbeirrt festhält.

US-Vizepräsident Mike Pence (Artikelbild) sagte: "Die Türkei muss wählen: Will sie ein entscheidender Partner des erfolgreichsten Militärbündnisses der Weltgeschichte bleiben, oder will sie die Sicherheit dieser Partnerschaft riskieren, indem sie unverantwortliche Entscheidungen trifft, die dieses Bündnis untergraben?" Sollte die Türkei das S-400-Raketenabwehrsystem kaufen, riskiere das Land den Ausschluss aus dem Programm des F-35-Kampfjets.

Die Antwort kam prompt: "Die Vereinigten Staaten müssen wählen", schrieb der türkische Vizepräsident Fuat Oktay mit ähnlicher Wortwahl auf Twitter. "Wollen sie ein Verbündeter der Türkei bleiben, oder wollen sie unsere Freundschaft riskieren, indem sie sich mit Terroristen zusammentun, um die Verteidigung ihres NATO-Verbündeten gegen seine Feinde zu untergraben?"

Oktay spielte auf die Unterstützung der USA für die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien an. Ankara sieht in der YPG einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Nach Angaben seines Ministeriums warnte US-Außenminister Mike Pompeo seinen türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu bei einem Treffen in Washington, eigenmächtige Militäroperationen der Türkei in Nordsyrien könnten "potenziell verheerende Konsequenzen" nach sich ziehen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat wiederholt angedroht, militärisch gegen die YPG vorzugehen. US-Präsident Donald Trump hatte der Türkei im Januar mit wirtschaftlicher Zerstörung gedroht, sollten sie die Kurden in Syrien angreifen.

Erdogans Feindbild: Kurdische YPG-Kämpfer in SyrienBild: Getty images/A. Sik

Die Türkei erteilte den US-Forderungen nach einem Verzicht auf den Kauf des russischen Raketenabwehrsystems erneut eine klare Absage. "Der S-400-Deal ist geschlossen, wir werden davon nicht zurücktreten", sagte Cavusoglu. Er halte es auch nicht für ausgemacht, dass die Türkei deswegen auf amerikanische F-35-Kampfjets verzichten müsse. Das Raketenabwehrsystem S-400 müsse nicht mit NATO-Systemen kompatibel sein, sagte er. Es sei ein Verteidigungssystem für den Eigengebrauch.

Cavusoglu warnte die USA auch davor, die Türkei vor die Wahl zu stellen, entweder gute Beziehungen zu Russland oder zu den USA zu haben. Das Beispiel Ukraine habe gezeigt, wohin so etwas führen könne, sagte er mit Blick auf den dortigen Bürgerkrieg.

Festtagsfloskeln

Die von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg trotz der massiven Uneinigkeit vorgebrachten Festtagsfloskeln wirkten da eher mau: "Immer wieder haben Europa und Nordamerika gemeinsam unter derselben Flagge für Frieden und Demokratie gedient", erklärte er. Die Verbündeten stünden weiterhin Seite an Seite, um sich den Herausforderungen der heutigen Zeit zu stellen.

cgn/as (afp, dpa)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen