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Politik

NATO-Gipfel kehrt zur Normalität zurück

Barbara Wesel
11. Juli 2018

Nach dem ersten Tag des NATO-Gipfels in Brüssel war klar: Es gab Streit, aber kein totales Zerwürfnis. Nach US-Präsident Trumps Wutrede zu Beginn konnten die Mitglieder sich auf eine gemeinsame Schlusserklärung einigen.

Belgien Nato-Gipfel
Bild: Reuters/K. Lamarque

Der ganz große Krach in der NATO, wie ihn viele seit Wochen befürchtet hatten, blieb am Ende aus. Donald Trump kündigte weder das Bündnis auf noch den Abzug amerikanischer Soldaten etwa von deutschen Stützpunkten an. Nach dem verbalen Getöse des US-Präsidenten am Morgen, als er eine Breitseite vor allem gegen Deutschland abgefeuert hatte, blieb er während der Plenarsitzung bei seinen üblichen Vorwürfen. Die Verteidigungsausgaben bei den Partnern seien zu niedrig, und alle sollten eigentlich 4% ihrer Wirtschaftsleistung ansetzen statt der versprochen 2%, die auch noch nicht von allen erreicht werden. Aber das muss man wohl eher als Blendgranate verstehen - keiner von den Gipfelteilnehmern soll auf die Forderung eingegangen sein.

Angesehen davon aber stellte Donald Trump nach Berichten von Teilnehmern den Fortbestand des Bündnisses nicht infrage. Aus französischen Regierungskreisen war zu hören, er habe sogar recht positive und konstruktive Botschaften an die Gipfelteilnehmer übermittelt. Auch britische Quellen berichten, Trump habe sich sogar positiv über Europa geäußert.

Es gab Streit, das Leben geht weiter

"Wir hatten Diskussionen, wir hatten Meinungsverschiedenheiten", sagte ein erleichterter NATO-Generalsekretär Stoltenberg zum Abschluss. Aber das habe es in der Geschichte der NATO schon immer gegeben, die Hauptsache sei, dass man trotzdem zu Entscheidungen komme. Was dann festgehalten wurde, entspricht im wesentlichen den Beschlüssen des Gipfels von Wales 2014. NATO-Diplomaten hatten die gemeinsame Erklärung in wochenlanger Vorarbeit fein abgewogen. Die Regierungschefs der Mitgliedsländer bekräftigen ihr unwandelbares Festhalten an dem Ziel, in den nächsten fünf Jahren zwei Prozent ihres Bruttosozialproduktes für Verteidigung auszugeben. Aber weitergehende Festlegungen werden vermieden.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich mit den Ergebnissen des Gipfels zufriedenBild: Reuters/P. Hanna

Es gab einige konkrete Beschlüsse, etwa die Einladung an Mazedonien zu Beitrittsgesprächen mit der NATO, nachdem der Namensstreit endgültig beigelegt ist. Es soll eine neue Ausbildungsmission im Irak geben, die Kanada leiten will. Und von zwei neuen Hauptquartieren soll eines im deutschen Ulm gebaut werden, worauf die Bundesregierung besonders hinweist, um ihren Beitrag auch außerhalb der direkten Rüstungsausgaben für das Bündnis zu betonen. Man müsse auch die Zahl der gestellten Truppen und die Beteiligung an Einsätzen berücksichtigen, hieß es von deutscher Seite. Allerdings legt Berlin die Selbstverpflichtung auf das Zwei-Prozent-Ziel als schrittweise zu erreichenden späteren Endpunkt aus, nicht als etwas, das man unmittelbar erfüllen müsse. 

Ansonsten gibt es in den Gipfelbeschlüssen die üblichen Hinweise auf den destabilisierenden Einfluss Russlands, dem auch der Nervengiftanschlag in Salisbury offiziell zur Last gelegt wird. Und es wird Besorgnis geäußert angesichts der verstärkten Raketentests in Iran wie auch der "destabilisierenden regionalen Aktivitäten" Teherans, was etwa auf die militärische Einmischung in Syrien abzielt. 

Normalität zwischen Trump und Merkel

Wer erwartet hatte, Donald Trump würde seine anti-deutschen Tiraden beim Gespräch im kleinen Kreis mit Bundeskanzlerin Angela Merkel erneuern, sah sich getäuscht. Sein Ton schien seit dem Morgen, wo er hemmungslos mit falschen Tatsachen über Deutschland hergefallen war, plötzlich um 180 Grad gewendet: "Wir (!) haben ein sehr gutes Verhältnis mit der Kanzlerin, eine großartige Beziehung mit Deutschland, ihr hattet enormen Erfolg und wir beglückwünschen euch. Und ich glaube, dass unser Handel steigen wird, genauso wie viele andere Dinge auch."

Von Verteidigungsfragen war nicht die Rede. Trump nutzte stattdessen die Zusammenkunft mit Merkel, um sein Lieblingsthema, nämlich europäische und deutsche Exporte in die USA, weiter zu verfolgen. Dabei ging es um Autos, aber auch um Pharmaprodukte, denn der Präsident hat neuerdings das Thema der hohen Medikamentenpreise in den USA entdeckt. Angela Merkel habe ihm klar gemacht, so wird berichtet, dass Europa kein Interesse an einer Eskalationsspirale beim Handel habe und auf die anstehende Reise des EU-Kommissionspräsidenten zu Verhandlungen nach Washington hingewiesen.

Kanzlerin Merkel konterte die Vorwürfe von US-Präsident TrumpBild: picture-alliance/dpa/F. Mori

Außerdem wurde über Migration gesprochen: Die Bundeskanzlerin erklärte dem US-Präsidenten den Versuch der EU, durch eine Partnerschaft mit Afrika das Problem in den Heimatländern der Migranten anzugehen. Auch ihre Einschätzungen zur Politik Russlands, zur Lage in der Ukraine und zu Präsident Putin kamen zur Sprache. Merkel rückte natürlich auch die Behauptungen Trumps über deutsche Energieimporte aus Russland zurecht: Deutschland bezieht nur rund neun Prozent seiner Energie von dort, nicht etwa 60 bis 70 Prozent, wie er am Morgen behauptet hatte.

Sie selbst resümierte das Gespräch mit Trump kühl: Sie freue sich über die Gelegenheit (zum Gespräch), man habe sich über die wirtschaftliche Entwicklung unterhalten, über Migration, über künftige Handelsfragen "und über die anstehenden Reisen des Präsidenten". Der weitere Austausch mit den USA sei wichtig, "weil wir Partner sind und weiter zusammenarbeiten wollen". Mehr wollte sie vor den Mikrophonen der Presse nicht sagen. Jedenfalls soll das Treffen zwischen beiden in normaler Atmosphäre verlaufen sein, ohne weitere Ausbrüche von Seiten Trumps, der sogar Grüße von seiner Familie überbrachte und sich um eine Art öffentlicher Freundlichkeit ihr gegenüber bemühte.

Viel Lärm um Nichts?

Innerhalb eines Tages scheint der US-Präsidenten beim NATO-Treffen wieder auf Normaltemperatur zurück geschaltet zu haben. Am Morgen hantierte er noch mit wilden Angriffen und Unterstellungen – bis zum Nachmittag dann hielt sich sein Auftreten im Rahmen des Erwarteten. Der Bruch zwischen Europa und den USA blieb aus, den viele Kommentatoren befürchtet hatten. Auch das Treffen zwischen Trump und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron wird als freundlich und entspannt beschrieben. Macron übrigens hat es geschafft, dem US-Präsidenten zuvor zu kommen: Am Rande des Endspiels der Fußball-WM am Sonntag in Moskau wird er Präsident Putin begegnen. Trump trifft ihn erst tags darauf in Helsinki. 

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