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NATO baut Speerspitze auf

Bernd Riegert1. Dezember 2014

Drei Monate nach dem NATO-Gipfel in Wales hat die Allianz ein Konzept für ihre "Speerspitze": Sie soll Russland abschrecken. In der Ukraine-Krise bleiben der NATO nur Appelle. Aus Brüssel Bernd Riegert.

Speerspitzen Speer Mittelalterfest Steiermark (Foto: imago/imagebroker/Handl)
Bild: imago/imagebroker/Handl

Im nächsten Frühjahr geht die NATO mit einer "vorläufigen Speerspitze" an den Start, kündigte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel an. Diese etwas schnellere Eingreiftruppe solle vor allem das Baltikum vor Bedrohungen aus dem Osten schützen, sagte Stoltenberg in seiner ersten größeren Pressekonferenz, seit er im Oktober sein neues Amt übernommen hat. Bislang hat die NATO nur eine "Reaktionstruppe" zu Lande zur Verfügung, die mehrere Wochen brauchen würde, um in Estland, Lettland oder Litauen einsatzbereit zu sein. Auf dem NATO-Gipfel Anfang September hatten die 28 NATO-Mitglieder in Wales vereinbart, diese Reaktionszeiten drastisch zu verringern. 2016 soll eine richtige "Speerspitze" einsatzbereit sein, die innerhalb von 48 Stunden an der Ostgrenze der NATO aufmarschieren kann. "In der Übergangszeit verstärken wir, was wir haben. Im nächsten Frühjahr werden die Alliierten eine Überbrückungs-Truppe mit einem hohen Grad an Einsatzfähigkeit vorhalten können. Dann sind wir noch besser darauf vorbereitet, in jedweder Krise an unseren Grenzen abzuschrecken oder zu verteidigen", sagte Stoltenberg vor der internationalen Presse.

Bundeswehr Teil der Einsatztruppe für das Baltikum

Zur vorläufigen Speerspitze, die die NATO-Außenminister am Dienstag (02.12.2014) in Brüssel offiziell absegnen wollen, gehören niederländische und deutsche Soldaten, die zurzeit im deutsch-niederländischen Korps in Münster stationiert sind. Diese Soldaten sollen in erhöhter Einsatzbereitschaft in den Kasernen Dienst schieben und gemeinsame Übungen mit den Armeen im Baltikum und in Polen veranstalten. Sie werden nicht dauerhaft in die jungen NATO-Mitgliedsstaaten im Osten verlegt. 5000 bis 8000 Mann sollen im Endausbau zur Speerspitze gehören. Gleichzeitig will die NATO im Baltikum, in Polen, Rumänien und Bulgarien Logistik, Waffen und Experten vorhalten, um die schnelle Eingreiftruppe im Falle eines Falles auch ausrüsten zu können. Diese neuen Standorte müssen noch aufgebaut werden. "Das wird der Porsche unter den Porsches", kommentierte der deutsche NATO-General Hans-Lothar Domröse schon im Oktober das Konzept.

Generalsekretär Stoltenberg: Wir können uns verteidigenBild: AFP/Getty Images/E. Dunand

Russland kritisiert Schritte der NATO

Die Reaktion aus Moskau ließ nicht lange auf sich warten. Der stellvertretende Außenminister Alexej Meshkow erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax, die NATO destabilisiere mit militärischen Übungen den Norden Europas. "Das ist alles sehr negativ", so Meshkow. Russland werde alles tun, um sich jederzeit an allen Grenzen verteidigen zu können. Der amerikanische Botschafter bei der NATO, Douglas Lute, sagte in Brüssel, militärische Übungen der NATO sollten nur demonstrieren, dass die Allianz in der Lage sei jedes Mitgliedsland zu verteidigen. Die russische Armee kündigte ihrerseits großangelegte Manöver an der russischen Westgrenze für den Sommer 2015 an.

"Russland kann wählen"

NATO-Generalsekretär Stoltenberg rief Russland auf, die Lage in der Ukraine nicht weiter durch fortgesetzte Unterstützung der Rebellen in der Ost-Ukraine zu destabilisieren. Die so genannten Hilfs-Konvois in die Ost-Ukraine seien eine Verletzung der ukrainischen Grenzen. Die beste humanitäre Hilfe wäre es, so Stoltenberg, einfach das Minsker Abkommen für eine friedliche Lösung des Ukraine-Konflikts umzusetzen. Russland habe die Wahl. "Es wäre gut für Russland und es wäre gut für die NATO, wenn Russland einen anderen Weg wählen würde, wenn es internationales Recht und die Souveränität aller Staaten und das System der Sicherheit in Europa wieder anerkennen würde."

NATO-Übung im Baltikum: Bereitschaft zeigenBild: Raigo Pajula/AFP/Getty Images

Hinter den Kulissen bemühe sich der ehemalige norwegische Ministerpräsident neue Gesprächskanäle nach Moskau aufzubauen und den Dialog im NATO-Russland-Rat wieder aufzubauen, berichten NATO-Diplomaten in Brüssel. Die Sitzungen des Gremiums sind seit der Annexion der Krim durch Russland ausgesetzt. Stoltenberg bemühe sich auch etwas weniger scharfe Rhetorik an den Tag zu legen als sein Vorgänger Anders Fogh Rasmussen. Trotzdem nannte Jens Stoltenberg gerade die Übungen der russischen Luftwaffen nahe des Luftraums der NATO "zunehmend aggressiv". Eine direkte militärische Rolle werde die NATO im Konflikt in der Ost-Ukraine nicht spielen, betonte Stoltenberg. Allerdings könnten einzelne Mitgliedsstaaten bilateral Material und Ausrüstung an die ukrainischen Regierungstruppen liefern.

Tür zur NATO bleibt offen

Die Ukraine und Georgien können nach wie vor Mitglieder der NATO werden. Die von Moskau offenbar verlangten Garantien, dass dies nicht geschehe, werde es nicht geben. "Die Politik der offenen Tür wird fortgesetzt", sagte Stoltenberg. Jeder souveräne Staat entscheide selbst über seine Sicherheitsbündnisse. "Meine Botschaft ist: Ich respektiere die Entscheidungen, die von der Ukraine getroffen werden. Die Ukraine hat vor Jahren beschlossen, blockfrei zu bleiben. Das habe ich respektiert. Die neue Regierung hat jetzt angekündigt, das ändern zu wollen. Das respektiere ich ebenfalls." Die Abkommen, die Russland mit den abtrünnigen Gebieten Abchasien und Süd-Ossetien geschlossen habe, würden nicht anerkannt, so der NATO-Generalsekretär. Die territoriale Integrität Georgiens müsse erhalten bleiben.

Norwegen: Eiszeit an der NATO-Grenze

04:55

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NATO zieht Kampftruppen aus Afghanistan ab

Die Außenminister der NATO, die sich am Dienstag unter Vorsitz Stoltenbergs in Brüssel treffen, werden sich neben der Ukraine auch mit der neue Mission der Allianz in Afghanistan beschäftigen. Dort zieht die NATO bis zum Jahresende ihre Kampftruppen ab, die 13 Jahre lang die schwierigste und längste Operation der NATO geführt hätten, sagte Jens Stoltenberg. Von Januar an soll eine stark verkleinerte Mission "Entschlossene Unterstützung" die afghanischen Streitkräfte ausbilden, beraten und notfalls auch mit Waffengewalt unterstützen. Die angespannte Sicherheitslage in Afghanistan sei ihm wohl bewusst, so der NATO-Chefdiplomat. Militante Taliban verstärken zurzeit ihre Bombenanschläge und Attacken auf Militärposten. "Mir ist sehr bewusst, dass es dort Angriffe gegeben hat. Wir haben auch Opfer gesehen. Gleichzeitig aber sehen wir eine starke und fähige nationale Sicherheitstruppe in Afghanistan, die Verantwortung für die Sicherheit im ganzen Land übernehmen kann." Der neue afghanische Präsident Ashraf Ghani reist nach Brüssel, um den NATO-Außenministern die geplanten Reformen an der Spitze der 350 000 Mann umfassenden afghanischen Sicherheitstruppen zu erläutern.

Nur wenige Wochen nach seinem Amtsantritt wünschte sich Jens Stoltenberg eine weniger große Aufmerksamkeit für die NATO. "Der Grund, warum die NATO wieder eine größere Rolle spielt, ist ja, dass wir in einer gefährlicheren Welt leben. Natürlich finde ich eine gefährlichere Welt nicht gut", sagte er der Presse in Brüssel.

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