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Politik

NATO stockt Eingreiftruppe massiv auf

27. Juni 2022

Fast achtmal so viele Soldaten wie bisher will das Verteidigungsbündnis abstellen, um für einen möglichen Angriff gewappnet zu sein. Die Bundeswehr spielt dabei eine wichtige Rolle.

NATO Gipfel | Generalsekretär Jens Stoltenberg
"Bedeutendste Bedrohung durch Russland": NATO-Generalsekretär Jens StoltenbergBild: Olivier Matthys/AP Photo/picture alliance

Die NATO will vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs die Zahl ihrer schnellen Eingreifkräfte von rund 40.000 auf mehr als 300.000 erhöhen. Wie Generalsekretär Jens Stoltenberg vor dem NATO-Gipfel in Madrid ankündigte, soll dazu die Eingreiftruppe NRF umgebaut werden. Diese ist wegen der Spannungen mit Russland seit mehreren Monaten in Alarmbereitschaft.

Der geplante Umbau ist Teil eines neuen Streitkräfte-Modells für das gesamte Bündnisgebiet. Es sieht mehr Kräfte in hoher Bereitschaft vor. Zudem sollen Kräfte auch bestimmten Gebieten zugeordnet werden. Damit könnten deutsche Soldaten etwa fest dafür eingeplant werden, litauische Truppen im Fall eines russischen Angriffs zu unterstützen.

Schutz der Ostflanke hat höchste Priorität

Nach Angaben von Stoltenberg hat der Schutz der Ostflanke oberste Priorität für das Bündnis mit derzeit 30 Mitgliedstaaten. Er erwarte, dass bei dem an diesem Dienstag beginnenden NATO-Gipfel deutlich gemacht werde, dass die Alliierten Russland als die "bedeutendste und direkteste Bedrohung" ansehen.

Stoltenberg zufolge sollen deswegen auch die existierenden multinationalen NATO-Gefechtsverbände in den Mitgliedstaaten an der Ostflanke auf Brigade-Niveau ausgebaut werden. Derzeit umfasst beispielsweise der Gefechtsverband in Litauen 1600 Soldaten. Eine Brigade besteht in der Regel aus etwa 3000 bis 5000 Soldaten.

Bundeswehr-Soldaten in Litauen (Archivbild)Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Deutschland hat bereits angekündigt, dass es die Kampftruppen-Brigade in Litauen führen will. In dem an die russische Exklave Kaliningrad grenzenden Land ist die Bundeswehr aktuell mit rund 1000 Soldaten Führungsnation in dem existierenden NATO-Gefechtsverband. Die so genannte Battlegroup ist in die litauische Infanterie-Brigade "Iron Wolf" eingegliedert. Die künftig mehr als 300.000 Mann starken Eingreifkräfte sollen in Friedenszeiten in der Regel unter nationalem Kommando stehen. Im Ernstfall könnten sie vom Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte in Europa angefordert werden.

Für die Truppen würden zudem feste Zeiten für die Einsatzbereitschaft vorgegeben. Im Gespräch ist, dass manche Einheiten innerhalb von höchstens zehn Tagen verlegebereit sein müssen, andere in 30 oder 50 Tagen. Details für den Ernstfall sollen in neuen regionalen Verteidigungsplänen festgelegt werden, die nächstes Jahr fertig sein sollen.

Herausforderung: China

Auf dem Gipfel, der von diesem Mittwoch an stattfindet, will der Nordatlantikpakt unter anderem ein neues strategisches Konzept beschließen. Die aktuelle Fassung stammt aus dem Jahr 2010. Damals hatten die Alliierten noch gehofft, dass die Zeit der großen Spannungen mit Russland vorbei sei, und auf eine "echte strategische Partnerschaft" mit dem Land gesetzt.

Auch wurde China mit keinem Wort erwähnt, was sich nun ändern soll. In dem neuen Konzept werde man sich erstmals mit der Volksrepublik und den Herausforderungen befassen, die sie für die Sicherheit, die Interessen und die Werte der NATO darstelle, sagte Stoltenberg.

Der Gipfel-Tagungsort in der spanischen Hauptstadt wird schon durch Polizeikräfte gesichert Bild: Manu Fernandez/AP Photo/picture alliance

Unklar ist, ob der Gipfel von der anhaltenden Weigerung der Türkei überschattet wird, einem Start von NATO -Beitrittsgesprächen mit Finnland und Schweden zuzustimmen. Die beiden Länder hatten bereits Mitte Mai die Aufnahme in die Verteidigungsallianz beantragt und darauf gehofft, beim Gipfel in Madrid dabei sein zu können - als zum Beitritt eingeladene Staaten. Die Türkei blockiert bislang aber den Aufnahmeprozess. Sie begründet dies damit, dass Finnland und Schweden "Terrororganisationen" wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die syrische Kurdenmiliz YPG unterstützten - was beide Länder zurückweisen.

jj/bru (dpa, afp, rtr)