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Politik

Trump verweigert Treueschwur

25. Mai 2017

Überraschend hat US-Präsident Trump seinen Auftritt beim NATO-Gipfel für eine Breitseite gegen die Verbündeten genutzt. Er bekannte sich nicht ausdrücklich zum Bündnis. Er verlangt Geld. Bernd Riegert aus Brüssel.

Belgien Trump und Stoltenberg
NATO-Generalsekretär Stoltenberg beobachtet Präsident Trumps StandpaukeBild: Reuters/C. Hartmann

Die Miene von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg war versteinert. Die Mundwinkel von Bundeskanzlerin Angela Merkel wurden länger und länger. Der belgische Premier, der Regierungschef von Luxemburg und der französische Präsident tuschelten und schauten ungläubig. Bei der feierlichen Einweihung des neuen NATO-Hauptquartiers in Brüssel nutzte US-Präsident Donald Trump seine Redezeit für einen scharfen Angriff auf die Verbündeten. "Es wird Zeit, dass die NATO-Mitglieder endlich ihren fairen Anteil zahlen", polterte Trump. 23 der 28 Mitgliedsstaaten würden nicht zahlen, was sie müssten. "Das ist unfair gegenüber dem amerikanischen Volk", behauptete Trump. Seine Standpauke gipfelte in der These, viele NATO-Mitglieder hätten "massive Schulden" aus vergangenen Jahren.

Während dieser Passage schaute Bundeskanzlerin Angela Merkel angestrengt in eine andere Richtung. Die gleichen Vorwürfe, die die NATO stets zurückweist, hatte sie sich schon bei ihrem Besuch im Weißen Haus im März anhören müssen. NATO-Generalsekretär Stoltenberg hatte zuvor allen Mitgliedsstaaten bescheinigt, sie seien auf gutem Weg, das Ausgabenziel von zwei Prozent Verteidigungsetat gemessen am Bruttoinlandsprodukt bis 2024 zu erreichen. NATO-Diplomaten, selbst amerikanische, hatten immer wieder darauf hingewiesen, dass man keine Schulden bei der NATO haben kann, weil sie weder einen gemeinsamen Haushalt noch gemeinsame Militärausgaben kennt. Jeder Staat zahlt seine Lasten selbst. Bundeskanzlerin Merkel hatte schon vor der Trumpschen Rede gesagt, die 2014 beim Gipfel in Wales beschlossenen Ausgabenziele würden erreicht: "Nicht mehr und nicht weniger." Präsident Trump hingegen verlangte überraschend mehr als zwei Prozent: "Das ist das absolute Minimum."

Merkel: Die Rede von Präsident Trump kam nicht so gut anBild: Getty Images/AFP/E. Dunand

Trump schweigt zum Beistand für die NATO-Staaten

Erstaunt waren viele Staats- und Regierungschefs, dass der US-Präsident kein öffentliches Bekenntnis zur Beistandsklausel in Artikel 5 des NATO-Vertrages ablegte. Das hatte man von dem Gast aus Washington, der die NATO noch bis vor kurzem für überflüssig hielt, eigentlich erwartet. Für diesen Schritt hatte ihm NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg eine goldene Brücke gebaut. Schließlich sollte Trump zur Einweihung eines Mahnmals für die Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 sprechen. Damals hatte die NATO zum ersten und einzigen Mal den Beistandsartikel, den Bündnisfall, angewendet. US-Außenminister Rex Tillerson hatte am Mittwoch angekündigt, der US-Präsident werde sich explizit zu den Verpflichtungen der USA in der NATO bekennen. Das blieb nun öffentlich aus. Der Sprecher des Präsidenten, Sean Spicer, versuchte anschließend zu beschwichtigen. "Es ist auch ohne Worte deutlich geworden, dass der Präsident die NATO unterstützt, alleine dadurch, dass er hier anwesend ist." In ihrer kurzen Rede zur Einweihung eines Mahnmals an die Berliner Mauer und die Teilung Europas im Kalten Kriege brachte Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Wink mit dem Zaunpfahl an Trump unter: "Nicht Abschottung und nicht Mauern" seien erfolgreich, sondern "offene Gesellschaften". Das könne sie als ehemalige DDR-Bürgerin, die die Freiheit entbehrt habe, sagen. Donald Trump hingegen will eine Mauer an der Südgrenze seines Staates bauen, um sich gegen Einwanderer aus Mexiko abzuschotten. Der US-Präsident forderte in seiner Ansprache, die NATO nicht nur gegen Terrorismus, sondern auch gegen Migration einzusetzen.

Neues Hauptquartier für die NATO in BrüsselBild: Reuters/Nato Handout/M. Moors

NATO tritt Anti-Terror-Koalition bei

Trotz der Verstimmungen mit dem amerikanischen Präsidenten beschloss die NATO, ihren Kampf gegen den Terror des sogenannten "Islamischen Staates" wenigstens symbolisch zu verstärken. Das Bündnis wird offiziell der von den USA seit 2014 geführten Koalition gegen den Terror beitreten. Diesen Schritt hatte schon Trumps Vorgänger Obama gefordert. Zusätzliches militärisches Engagement sei damit aber nicht verbunden, stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel klar. "Das sendet ein klares Signal der Entschlossenheit der NATO im Kampf gegen Terrorismus", sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu Beginn des Gipfeltreffens. "Wir werden die Koordination verbessern, aber das heißt nicht, dass die NATO jetzt Kampfhandlungen ausführen wird." Der Anti-IS-Koalition gehören bereits mehr als 60 Länder an, darunter alle NATO-Mitgliedsstaaten. Als Gegenleistung für diesen Schritt auf die Amerikaner zu hatten die übrigen NATO-Verbündeten eigentlich erwartet, dass Präsident Trump sich zur Solidarität in der NATO verpflichtet, so NATO-Diplomaten. Die NATO berät zurzeit darüber, auch die Truppenstärke in Afghanistan wieder zu erhöhen, um die Taliban und den "IS" dort besser bekämpfen zu können. Als erste Nation sagte Großbritannien am Abend die Entsendung von Soldaten zu, die sich aber nicht an Kampfhandlungen beteiligen, sondern ausbilden und beraten sollen.

NATO will auch über russische Bedrohung sprechen

Der König der Belgier, Philippe, übergab der NATO schließlich das noch nicht ganz fertig gestellte neue Hauptquartier. Die 28 Flaggen der NATO-Staaten wurden gehisst. Militärmusik und Überflüge von Kampfjets gehörten ebenfalls zur Zeremonie. US-Präsident Trump verfolgte das Schauspiel mit einer Hand in der Hosentasche. Wortmeldungen zu Trumps Vorwürfen gab es während der öffentlichen Zeremonie nicht. Die Staats- und Regierungschefs zogen sich anschließend zum Abendessen hinter verschlossenen Türen zurück. Sie besprachen auch die Bedrohung durch Russland und den Ukraine-Konflikt an der Ostflanke der NATO. Welche Meinung der amerikanische Präsident dort vertrat, ist nicht bekannt. Zuvor hatte der Ratspräsident der EU, Donald Tusk, aus seinem Gespräch mit Trump berichtet, er sei nicht "zu 100 Prozent " sicher, ob Trump und er die gleiche Meinung zu Russland hätten. Der US-Präsident steht zuhause unter schwerem innenpolitischen Druck, weil ein Sonderermittler die Verbindungen seines Wahlkampfteams und führender Mitarbeiter zu russischen Geheimdiensten prüfen soll. Außerdem könnte Trump versucht haben, Ermittlungen in dieser "Russland-Affäre" zu behindern. Er hatte wegen dieser Ermittlungen unter anderem FBI-Chef James Comey gefeuert, was auf scharfe Kritik stieß.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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