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Politik

NATO: Trumps Mann stresst Europa

16. Februar 2017

Seit Donald Trump im Weißen Haus sitzt, wissen die Europäer, dass es mit der Gemütlichkeit in Sicherheitsfragen vorbei ist. Werden sie sich in Zukunft selbst verteidigen müssen?

Brüssel NATO Treffen
US-Verteidigungsminister James Mattis im NATO-Hauptquartier in BrüsselBild: Reuters/F. Lenoir

Die neue Trump-Administration fährt mit den NATO-Partnern Achterbahn. Donald Trump hatte das Bündnis im Wahlkampf als "veraltet" bezeichnet, im Amt ruderte er dann zurück. Der als "verrückter Hund" bezeichnete neue Verteidigungsminister James Mattis besänftigte die Partner zunächst mit den Worten, die NATO sei "die erfolgreichste Militärallianz der Geschichte". Bei seinem ersten Treffen mit seinen NATO-Kollegen in Brüssel ging er dann in die Gegenrichtung und forderte die Partner ultimativ auf, mindestens zwei Prozent ihres Wohlstands für Verteidigung auszugeben. Sonst werde Amerika "sein Engagement für das Bündnis verringern". Das hat er dann wiederum relativiert: "Die USA stehen felsenfest zu unserem gegenseitigen Beistand." Doch die Unsicherheit ist groß, wie es nun weitergeht.

Zwar ist die Forderung nach höheren Rüstungsausgaben nichts Neues, die US-Amerikaner liegen den Europäern seit vielen Jahren damit in den Ohren. Die NATO-Staaten hatten sich sogar bei ihrem Gipfel 2014 in Wales selbst dieses Ziel gesetzt. Aber mit Unverbindlichkeiten ist es nun offenbar vorbei.

30 Milliarden, die woanders fehlen

Die übrigen NATO-Länder müssen sich allerdings unterschiedlich stark angesprochen fühlen. Die zwei Prozent oder mehr erfüllen außer den USA nur Großbritannien, Polen, Griechenland und Estland. Deutschland steht dagegen besonders schwach da. Es kommt auf einen Anteil von nur 1,2 Prozent. In absoluten Zahlen ausgedrückt: Deutschland müsste, laut NATO-Angaben, jährlich statt 45 satte 75 Milliarden Euro in seine Rüstung stecken.

Verteidigung ist der zweitgrößte Haushaltsposten - er müsste drastisch aufgestockt werden

Gerade im Wahljahr ist es keine schöne Aussicht, wenn 30 Milliarden Euro für andere Dinge fehlen. Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, hat eine so drastische Erhöhung in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" bereits "abenteuerlich" genannt. Auch Michael Gahler, CDU-Europaabgeordneter und für Verteidigungspolitik zuständig, gibt im DW-Gespräch zu: "Auch ohne die Wahl wäre das, zumindest kurzfristig, nicht durchsetzbar."

Dagegen glaubt Roland Freudenstein, Sicherheitsexperte beim Brüsseler Martens Centre, die Deutschen hätten Verständnis für eine Ausgabenerhöhung, auch "weil die Deutschen sich bedroht fühlen, und zwar von Süden wie von Osten". Die Einstellung habe sich in diesem Punkt gewandelt. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen meint ebenfalls, dass die Forderung der US-Amerikaner grundsätzlich berechtigt sei und macht schon vorsorglich ein größeres Budget für die Truppen geltend.

Bündnispflicht gilt "bedingungslos"

Doch politisch einfach wird das nirgendwo. Die NATO-Partner fragen sich auch, was nun aus der Aufrüstung in den östlichen NATO-Ländern wird, die noch unter Trumps Vorgänger Barack Obama vereinbart worden war und die bereits angelaufen ist. Als Antwort auf die russische Aggression in der Ukraine sollen vier multinationale Verbände mit je tausend Mann nach Polen und in die drei baltischen Staaten entsandt werden. Die Bundeswehr führt einen der Verbände.

Gerade im Baltikum geht die Angst vor einem russischen Einmarsch um - besonders, seit Trump die NATO-Bündnisverpflichtung relativiert hatte. Militärisch, das haben auch NATO-Experten eingestanden, wären Estland, Lettland und Litauen bei einem russischen Angriff nicht zu halten. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist inzwischen sichtlich bemüht, Zweifel am Grundsatz der kollektiven Verteidigung zu zerstreuen. Dieser sei "bedingungslos" und "absolut", so Stoltenberg in Brüssel.

Verteidigungsministerin von der Leyen und Litauens Präsidentin Grybauskaite mit Bundeswehrsoldaten in LitauenBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Deutschlands neuer Außenminister Sigmar Gabriel glaubt, Europa käme in "echte Bedrängnis", würden sich die USA vom alten Kontinent militärisch zurückziehen. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schreibt er: "Wendet Amerika sich ab, zwingt es Europa, das zu tun, was wir längst hätten tun sollen. Die Stärkung Europas ist die richtige Antwort."

Einige Dinge treibt Europa bereits voran, vor allem Deutschland. Die Bundeswehr will zum Beispiel zusammen mit Frankreich eine gemeinsame Lufttransportstaffel aufbauen. Gemeinsam mit Norwegen will Deutschland U-Boote und Raketen für die Marine entwickeln. Deutschland möchte sich außerdem einer multinationalen Tank- und Transportflugzeug-Flotte anschließen. Und das deutsche Heer will eng mit tschechischen und rumänischen Truppen zusammenarbeiten. "Das sind Beispiele dafür, wie die europäische Sicherheitsunion von unten wächst, stärker wird, stabiler wird und wie wir ein starker europäischer Pfeiler in der NATO sein können", sagte von der Leyen in Brüssel.

Ohne die USA geht es nicht

Welche weiteren Konsequenzen könnten die Europäer ziehen? Von mehr eigenen Verteidigungsanstrengungen ist seit langem die Rede. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will sogar eine europäische Armee. Roland Freudenstein hält das aber für im Moment völlig unrealistisch: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand bei gesundem Menschenverstand als Reaktion auf die Lage im transatlantischen Verhältnis sagt, die Europäer müssten sich selbst verteidigen, auch noch ohne die Briten. Das ist einfach nicht möglich."

Unersetzliche US-Amerikaner: NATO-Stützpunkt GeilenkirchenBild: picture-alliance/dpa/R. Weihrauch

Der CDU-Europapolitiker Michael Gahler hält eine ganze Reihe von gemeinsamen europäischen Projekten für sinnvoll: integrierte europäische Streitkräfte für bestimmte Missionen, mehr zentrale Planung und Beschaffung, mehr gemeinsame Rüstungsforschung. Doch anders als es der polnische Politiker Jarosław Kaczyński gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel in Warschau vor wenigen Tagen angeregt hatte, könne es nicht darum gehen, "dass wir eine europäische Atomstreitmacht aufbauen". 

Roland Freudenstein ist der Ansicht, die Europäer könnten sich ohne die USA nicht gegen Russland verteidigen. Es könne daher im Moment nur darum gehen, den europäischen Pfeiler der NATO zu stärken, ohne den US-amerikanischen zu schwächen: "Außerhalb der NATO sehe ich nicht, wie Europa seine Verteidigung organisieren soll."

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