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Säbelrasseln vor Genfer Gesprächen

Bernd Riegert16. April 2014

Die NATO will mehr Truppen nach Osten verlegen. Das Europäische Parlament verlangt Russlands Rückzug aus der Ukraine. Ernste Töne vor den Genfer Verhandlungen zur Entschärfung der Krise.

Europäisches Parlament in Straßburg
Bild: picture-alliance/dpa

Vor dem Vierer-Treffen der EU, der USA, der Ukraine und Russlands zum Konflikt um die Ukraine haben sowohl die NATO in Brüssel als auch das Europäische Parlament in Straßburg kräftige Begleitmusik angestimmt. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen forderte im NATO-Hauptquartier Russland auf, die Ukraine nicht weiter zu destabilisieren und zur Lösung der Krise beizutragen. "Wir haben eine Reihe von militärischen Maßnahmen beschlossen, um unsere gemeinsame Verteidigung auszubauen und die Stärke der alliierten Solidarität zu zeigen", teilte Rasmussen nach einer Sitzung der 28 Botschafter der NATO-Staaten mit.

Wie bereits Anfang April von den Außenministern festgelegt, wird die NATO in den nächsten Tagen zusätzliche Flugzeuge ins Baltikum verlegen, Marineverbände in der Ostsee verstärken und zusätzliche Ausbilder und Berater zur Vorbereitung von gemeinsamen Manövern nach Polen und Rumänien schicken. Die genaue Zahl der Truppen wollte Rasmussen nicht nennen. Kampfverbände werden nicht stationiert, hieß es von NATO-Diplomaten.

Solidarität zeigen: NATO-Generalsekretär RasmussenBild: Reuters

Über eine dauerhafte Verlegung von NATO-Einheiten in die östlichen Mitgliedsstaaten, die an Russland oder die Ukraine grenzen, sei noch nicht entschieden, so NATO-Generalsekretär Rasmussen. Das Bündnis will Russland vor den Vierer-Gesprächen in Genf vor allem Entschlossenheit signalisieren. Das hatte Anders Fogh Rasmussen auch schon bei einem Treffen mit den EU-Verteidigungsministern in Luxemburg am Dienstag klar gemacht.

Europäisches Parlament fordert Russland zum Einlenken auf

Während einer parallelen Debatte des Europäischen Parlaments zur Krise in der Ukraine betonte EU-Kommissar Stefan Füle, der für die Nachbarschaftspolitik zuständig ist, die EU sei bereit, in den nächsten Tagen Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verhängen, falls Moskau nicht einlenke.

Redner fast aller Fraktionen setzten viel Hoffnung in die Gespräche in Genf, an denen der russische, der amerikanische und der ukrainische Außenminister sowie die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton teilnehmen sollen. Der deutsche Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff (FDP) warnte in Straßburg aber auch vor zu viel Säbelrasseln: "In den dunkelsten Zeiten des Kalten Krieges hat es einen Dialog mit Moskau gegeben. Ich möchte deshalb nicht, dass wir alle Drähte nach Moskau kappen."

Er freue sich, dass es zu dem Treffen in Genf komme und erwarte, dass es dort zu Gesprächen komme. "Ob es Lösungen gibt, weiß ich nicht", sagte Lambsdorff im Straßburger Parlament. Reden müsse man mit Moskau auf jeden Fall weiter, denn es sei klar: " Frieden in Europa wird es niemals ohne oder gar gegen Russland geben, sondern immer nur mit Russland."

"Europa ist wankelmütig"

Die meisten Redner gingen davon aus, dass Russland die Übergriffe von prorussischen Aktivisten in der Ostukraine steuert und forderten, die EU müsse sich unabhängiger von Energie-Importen aus Russland machen. "Wir müssen eine europäische Energiegemeinschaft werden, denn der beste Weg ist, Präsident Putin zu sagen: Behalten Sie ihr Öl, behalten Sie ihr Gas!", rief Johannes van Baalen aus.

Russen dürfen sich nicht durchsetzen: Rebecca HarmsBild: picture-alliance/dpa

Der niederländische Liberale hält harte Signale an Moskau für angezeigt und war da mit NATO-Generalsekretär Rasmussen auf einer Linie: "Wir müssen in die NATO investieren, in unsere gemeinsame Verteidigung von Europa, der USA und Kanadas. Wer Frieden will, muss vorbereitet sein. Die NATO ist unser Schwerpunkt", sagte van Baalen.

Die grüne Abgeordnete Rebecca Harms, die selbst oft in die Ukraine gereist ist, forderte die EU auf, sich klarer hinter die Übergangsregierung in Kiew zu stellen. "Für den Einzelnen im Osten der Ukraine ist es schwer, sich zwischen der gefühlt großen Macht, die aus Moskau kommt, und dem Wankelmut der Europäer hinter der unerfahrenen Regierung in Kiew zu entscheiden. Diese Entscheidung haben wir den Leuten nicht leichter gemacht." Russland dürfe es nicht gelingen, durch seine Politik freie Präsidentschaftswahlen in der Ukraine zu verhindern, sagte Harms. Die Wahlen sind für den 25. Mai geplant. An dem Tag enden auch die Wahlen zum nächsten Europäischen Parlament.

"Russland hat das Recht einzugreifen"

Vereinzelt gab es im Europäischen Parlament aber auch pro-russische Stimmen. Der britische National-Konservative Andrew Brons, der keiner Fraktion angehört, wetterte gegen die angebliche Einmischung der EU in interne Angelegenheiten der Ukraine.

Prorussische Kräfte auf Panzern in der OstukraineBild: Reuters

Die Krim sei immer schon russisch gewesen, und darum sei die Annexion durch Russland auch nicht rechtswidrig. "Die Proteste in der Ukraine wurden von der Europäischen Union gesteuert, als sich Präsident Janukowitsch weigerte, das Handelsabkommen anzunehmen. Das war eine genau so große Einmischung in die Ukraine, und zwar mit weniger Berechtigung, als das, was Russland tut", so Brons.

"Es geht um den Frieden in ganz Europa"

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, der deutsche Abgeordnete Elmar Brok (CDU), wies diese Sicht der Krise zurück. Brok forderte Russland auf, einzulenken und bei dem Vierer-Gipfel in Genf konstruktiv an einer Entschärfung der Lage mitzuarbeiten: "Wenn Genf scheitert, dann sollten wir sagen, dass Russland das multilaterale Völkerrecht zerstört, das seit vielen Jahrzehnten Frieden geschaffen hat. Deswegen geht das weit über die Ukraine hinaus. Es geht um den zukünftigen Frieden in ganz Europa. Das muss klar sein und dem müssen wir uns widersetzen."

Obwohl es in der Auseinandersetzung mit Russland nach Auffassung nicht nur Elmar Broks um Krieg und Frieden in Europa gehen könnte, fand die Debatte in Straßburg wie so oft vor fast leeren Rängen statt. Zuvor hatte das Parlament des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren gedacht. Da waren die Bänke noch etwas stärker besetzt.

Parlament verabschiedet sich in den WahlkampfBild: Frederick Florin/AFP/Getty Images

Diese Debatte war, gefolgt von einem wahren Abstimmungsmarathon, die letzte Plenarsitzung des Parlaments in dieser Legislaturperiode. Die Abgeordneten brechen jetzt offiziell in den Wahlkampf auf. Vom 22. bis 25. Mai wird in der Europäischen Union das neue Parlament gewählt.

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