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Politik

NATO verurteilt Luftangriffe auf Idlib

28. Februar 2020

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach von "rücksichtslosen Luftangriffen des syrischen Regimes und Russlands". Beide Länder müssten ihre Offensive in Idlib stoppen, forderte der Chef des Verteidigungsbündnisses.

Blick auf die in der Provinz Idlib gelegene Stadt Sarakeb, die am Donnerstag von mit der Türkei verbündeten Rebellen zurückerobert wurde (Foto: Getty Images/A. Tammawi)
Blick auf die in der Provinz Idlib gelegene Stadt Sarakeb, die von mit der Türkei verbündeten Rebellen zurückerobert wurde Bild: Getty Images/A. Tammawi

Am Donnerstag waren bei einem Luftangriff in der Region Idlib mindestens 33 türkische Soldaten getötet und mehr als 30 verletzt worden. Ankara machte für den Tod der Soldaten die syrische Regierung verantwortlich und begann Vergeltungsangriffe. Zudem bat die Türkei kurzfristig um ein Treffen des Nordatlantikrats nach Artikel 4 des NATO-Vertrags. Dieser besagt, dass jeder Alliierte jederzeit um Beratungen bitten kann, wenn seiner Meinung nach "die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist". 

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, das Treffen sei "ein deutliches Zeichen der Solidarität mit der Türkei". Die Türkei sei ein geschätzter Alliierter der NATO. Die Bündnispartner überprüften regelmäßig, wie sie die Türkei weiter unterstützen könnten. Derzeit hat die NATO Flugabwehrsysteme an der türkischen Grenze zu Syrien stationiert und patrouilliert mit NATO-Flugzeuge im türkischen Luftraum. Die Türkei hat sich in Idlib mit mehreren Gruppen von Aufständischen verbündet und Tausende eigene Soldaten in das Nachbarland verlegt.

Der Nordatlantikrat ist das wichtigste Entscheidungsgremium der NATO. Er trifft sich in der Regel einmal pro Woche auf Ebene der Botschafter und etwa halbjährlich auf Ebene der Außen- und Verteidigungsminister. Es ist erst das sechste Mal seit der NATO-Gründung 1949, dass Artikel 4 ausgelöst wird.

Kritik aus Moskau

In dem Konflikt um die nordsyrische Provinz Idlib erhebt Russland Vorwürfe gegen die Türkei. Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, die getöteten türkischen Soldaten hätten sich zum Zeitpunkt des syrischen Luftangriffs an der Seite von "Kampfeinheiten terroristischer Gruppen" aufgehalten. Die Türkei habe die Anwesenheit seiner Streitkräfte in dem betroffenen Gebiet nicht mitgeteilt. Die türkischen Truppen "hätten sich dort nicht aufhalten dürfen", fügte das Ministerium hinzu. Russische Kampfflugzeuge seien in dem Gebiet nicht eingesetzt worden.

Gleichzeitig hieß es aus Moskau, Präsident Wladimir Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hätten in einem Telefonat über die Lage in Idlib beraten. Bei dem Gespräch sei es darum gegangen, wie die Vereinbarung für die Deeskalationszone in der Rebellenhochburg umgesetzt werden könne. 

Bundeskanzlerin sucht Dialog

Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte die "rücksichtslosen" Angriffe auf türkische Truppen im syrischen Idlib. In einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan forderte Merkel zudem "ein Ende der Offensivoperationen des syrischen Regimes und seiner Unterstützer", wie Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilte. Die Kanzlerin und Erdogan erörterten demnach in ihrem Telefonat die aktuelle Lage und das Geschehen in der nordwestsyrischen Provinz, auch mit Blick auf die humanitäre Lage der vertriebenen Menschen.

Beide seien sich einig gewesen, dass es "dringlich geboten" sei, einen erneuten Waffenstillstand zu vereinbaren und "baldmöglichst die hierzu erforderlichen politischen Gespräche aufzunehmen", betonte Seibert. Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron sowie Erdogan hatten angeboten, ein Vierertreffen mit Russlands Staatschef Wladimir Putin kommende Woche in Istanbul abzuhalten. Putins Antwort darauf steht laut Seibert aber noch aus.

"Hol uns zu dir!"

02:31

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AKP droht mit Grenzöffnung für Flüchtlinge 

Der Sprecher der türkischen Regierungspartei AKP, Ömer Celik, drohte unterdessen unverhohlen damit, den Millionen Flüchtlingen im Land die Grenzen zu öffnen, damit sie nach Westeuropa gelangen könnten. "Unsere Flüchtlingspolitik ist dieselbe, aber hier haben wir eine Situation. Wir können die Flüchtlinge nicht mehr halten", sagte er. In sozialen Medien kursierten Gerüchte, die Grenzen stünden bereits offen. In den vergangenen Jahren hatte die Türkei 3,7 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen.

Türkische Soldaten wenige Kilometer südöstlich der Stadt Idlib Bild: AFP/H. Kadour

Nach einem Telefonat mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu teilte der EU-Außenbeauftragten Josep Borrell mit, er habe von der Türkei eine "Zusicherung" erhalten, dass Ankara sich an seinen Teil des Flüchtlingspakts zwischen der EU und der Türkei halten wird. "Deeskalation bleibt der Schlüssel, um Herausforderungen vor Ort effektiv anzugehen", erklärte Borrell. "Menschliches Leid und der Verlust von Menschenleben müssen aufhören", forderte er.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres, die USA und westliche Verbündete verlangten am Rande einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats zu Syrien eine sofortige Feuerpause. Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte, Washington stehe zum NATO-Verbündeten Türkei und fordere einen sofortigen Stopp der verabscheuungswürdigen Offensive des Assad-Regimes, Russlands und der vom Iran unterstützten Streitkräfte. Die EU-Kommission rief ebenfalls zu einem Ende der Gewalt in Syrien auf. Dort herrsche "entsetzliches menschliches Leid", sagte EU-Kommissionssprecher Peter Stano. 

Blick auf ein Flüchtlingslager in der umkämpften Provinz Idlib Bild: picture-alliance/AA/H. Harrat

Idlib ist das letzte große Rebellengebiet in dem Bürgerkriegsland. Die Türkei unterstützt in dem Konflikt islamistische Rebellen. Eigentlich sollte in der Region eine Waffenruhe gelten. Im Rahmen eines mit dem Kreml in Moskau 2018 geschlossenen Abkommens hierzu hat Ankara zwölf Beobachterposten in Idlib errichtet. Im Dezember jedoch starteten die syrischen Streitkräfte mit Unterstützung Russlands, das als Assads Schutzmacht agiert, eine Offensive und rückten in den vergangenen Wochen immer weiter vor. Assad will auch die letzte Milizenhochburg wieder unter seine Kontrolle bringen. Erdogan ließ daraufhin weitere türkische Truppen in den Norden Syriens verlegen und drohte wiederholt mit einem Militäreinsatz, sollte sich das syrische Militär nicht zurückziehen.

Eine Million Menschen auf der Flucht

Bei Gefechten zwischen syrischen und türkischen Streitkräften waren bis zum Donnerstag innerhalb eines Monats bereits 20 türkische Soldaten in Idlib getötet worden.

In der Krisenregion sind fast eine Million Syrer auf der Flucht. Die Türkei hat die Grenze vor Wochen abgeriegelt. Den Menschen fehlt es bei den Minustemperaturen des Winters an Unterkünften, Nahrungsmitteln und Medikamenten.

haz/sam (rtr, ap, dpa, afp, NYT)

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