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Politik

NATO: Was kommt nach Trump?

Teri Schultz
2. Januar 2021

Die NATO hofft im neuen Jahr vor allem auf eins: bessere transatlantische Beziehungen. DW-Reporterin Teri Schultz zeigt auf, was sich unter US-Präsident Joe Biden ändern wird.

Großbritannien Watford 2019 | Nato-Gipfel | Jens Stoltenberg & Donald Trump
Bild: Francisco Seco/AP Photo/picture alliance

Im Dezember 2019 feierte die NATO ihren 70. Geburtstag. Ein Fest in eher gedämpfter Stimmung. Statt eines großen Jubiläumsgipfels in London mit Staats- und Regierungschefs aus aller Welt entschied man sich für den kleinstmöglichen Rahmen: ein "Führungskräftetreffen".

Zuvor waren solche Gipfel, so sorgfältig sie auch im Vorfeld choreografiert worden waren, oft schiefgegangen - hatte US-Präsident Donald Trump die Treffen doch regelmäßig genutzt, um die Verbündeten zu diskreditieren oder seinem Ärger über vermeintliche Versäumnisse des Bündnisses freien Lauf zulassen. Stabilität und Solidarität konnten die Transatlantiker so, trotz aller Mühen, nicht signalisieren.

Angela Merkel (l.) und Donald Trump im Dezember 2019 beim Gipfel in EnglandBild: picture-alliance/AP Photo/E. Vucci

Biden ist an der Reihe

Doch nach den US-Präsidentschaftswahlen im November konnte selbst der sonst so um Neutralität bemühte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg seine heimliche Freude darüber nicht ganz verhehlen, den gewählten US-Präsidenten Joe Biden mit einzuladen, und nannte ihn einen "starken Unterstützer der transatlantischen Beziehungen".

Für die NATO könnte es sich als wichtig herausstellen, dass im Weißen Haus nun wieder ein etwas verlässlicherer Partner sitzt. Schließlich steht die Allianz vor extrem wichtigen Herausforderungen und kämpft international um Anerkennung. "Die NATO hat eine ziemlich wilde Achterbahn-Fahrt hinter sich", analysiert Paul Taylor vom Think-Tank "Friends for Europe" (dt.: "Freunde für Europa"). "Am Ende muss man sagen: Die NATO hat Donald Trump überlebt - allerdings nicht ganz unbeschadet. Sie hat sich verändert."

Mit Joe Biden verbinden viele in der NATO neue HoffnungenBild: Joshua Roberts/Getty Images/AFP

Nicht alles war schlecht

Ja, das Bündnis hat sich verändert, aber durchaus nicht nur zum Schlechten. Zwar hat Trump nicht, wie er immer wieder behauptet, dafür gesorgt, dass alle NATO-Partner prompt nach seinem Amtsantritt den Trend zu kleiner werdenden Verteidigungshaushalten umdrehten - denn das war bereits 2014 passiert.

Allerdings hat Trump wohl durchaus dafür gesorgt, dass sich die NATO-Staaten in den letzten Jahren stärker darum bemüht haben, das selbst gestellte Ziel der Allianz umzusetzen: nämlich zwei Prozent des nationalen Gesamthaushalts in die Verteidigung zu stecken. Das war Trumps ständiger Kritikpunkt an der NATO gewesen, und man darf davon ausgehen, dass viele NATO-Staaten schlicht genug davon hatten, ihm diese Angriffsfläche zu bieten. "Außerdem hat Trump dafür gesorgt, dass die NATO anfing, mit China zu sprechen", sagte Paul Taylor der DW. "Das wäre früher oder später zwar ohnehin irgendwann gekommen, stand bislang aber noch nicht auf der NATO-Agenda."

US-Truppenabzug: Schwere Hypothek

Einer Entscheidung Trumps dürfte die Allianz aber auch im Nachhinein kaum Positives abgewinnen können: dem plötzlichen und unkoordinierten Abzug der US-Truppen aus Afghanistan und dem Irak. Einsatzkräfte der NATO trainieren in beiden Ländern die Sicherheitskräfte und hoffen, dass sie bald selbst den Frieden in ihren Ländern sicherstellen können. Die Entscheidung zum US-Rückzug hatte die NATO kalt erwischt, ohne Rücksprache und Vorbereitung. Die Regierungen der NATO-Mitgliedsstaaten müssen jetzt sehen, wie sie die Trainings nun ohne die Unterstützung der US-Truppen weiterführen können.

US-Soldaten in AfghanistanBild: Brian Harris/Planet Pix/ZUMA/picture alliance

Alles in allem übernimmt Joe Biden von Trump eine angespannte Lage in der NATO. Und eine Lage, in der die Erwartungen der Partner an ihn und seine Regierung groß sind: Die Allianz hofft darauf, dass Biden die gemeinsamen Bemühungen unterstützt, die verschiedenen Lang- und Kurzzeitprojekte umzusetzen. Stoltenberg ist es ein besonderes Anliegen, die derzeitigen Sicherheitsprojekte konsequent anzugehen, zumal das letzte offizielle NATO-Strategie-Konzept, das die Bedrohungen, aber auch die Möglichkeiten der Allianz zusammenfasst, von 2010 datiert. Dies hat für Stoltenberg höchste Priorität. Zum einen, um Zusammenhalt und Innovation der Allianz zu stärken und um den französischen Präsidenten Emmanuel Macron Lügen zu strafen, der der NATO zuletzt "Hirntod" attestiert hatte.

70 Jahre NATO - Hirntot oder quicklebendig?

42:35

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"Reflexionsgruppe" hat viel Arbeit vor sich

Beauftragt damit, diesen Zusammenhalt zu schaffen, ist die "Reflexionsgruppe" der NATO unter Vorsitz des ehemaligen deutschen Innen- und Verteidigungsministers Thomas de Maizière sowie des amerikanischen Ex-Diplomaten A. Wess Mitchell. In ihrem neuen Report "Die NATO 2030: Vereint für eine neue Ära" analysiert die Gruppe, dass ein "aggressives" Russland der wohl größte militärische Gegner im kommenden Jahrzehnt werde, Senkrechtstarter China den Russen aber langfristig diese Rolle streitig machen werde.

Der Co-Vorsitzende Mitchell macht klar, dass der Aufstieg Chinas die "größte und einschneidendste Veränderung in der NATO-Strategie" nach sich ziehen müsse und dass die NATO mit diesem Aufstieg unbedingt rechnen müsse.

NATO raus aus Afghanistan?

Zunächst einmal muss die Allianz aber heißere Eisen anfassen. Beispielsweise gehen die Friedensgespräche zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban nur im Schneckentempo voran. Hier hat Stoltenberg angekündigt, man werde noch bis Februar 2021 abwarten und dann entscheiden, ob man das Engagement in Afghanistan weiterführen oder nach fast zwei Jahrzehnten beenden werde. Die NATO hatte ursprünglich zugesichert, so lange im Land zu bleiben, bis die Afghanen selbstständig in der Lage sein würden, für die Sicherheit im Land zu sorgen.

Doch selbst Trumps Botschafterin bei der NATO, Kay Bailey Hutchison, sagte der DW, dass sie die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sehe: "Wir verlangen jetzt, dass sich die afghanische Regierung und die Taliban zusammensetzen und einen wirklich langfristigen Frieden aushandeln, auf den sich das Volk verlassen kann. Das alles sehen wir derzeit nicht kommen."

Auch deutsche Bundeswehr-Soldaten sind in Afghanistan im Einsatz, wie hier 2011 in KundusBild: Maurizio Gambarini/dpa/picture alliance

Streit um die ominösen zwei Prozent

Was wohl auch in näherer Zukunft nicht abschließend beigelegt wird, ist der Streit um das berühmt-berüchtigte Zwei-Prozent-Ziel der NATO. Thomas de Maizière geht davon aus, dass es unter der Biden-Regierung sogar zu härteren Verhandlungen rund um das Thema kommen wird. Dem Think-Tank "Center for European Policy Analysis" sagte er: "Die Biden-Regierung wird uns gegenüber einen freundlicheren Ton anschlagen." Das wiederum würde für ernstere Verhandlungen sorgen, denn in der feindseligen Atmosphäre mit Trump sei es zu substantiellen Diskussionen nie gekommen. "Das macht es für uns, in Deutschland und Europa, zwar schwerer, aber ich begrüße das", so de Maizière.

Paul Taylor wiederum ist sich sicher, dass allein die Amtsübernahme von Biden nicht dazu führen wird, dass plötzlich alle Streitpunkte beigelegt sind. Verhandlungen würden hart werden, aber sie würden nicht mehr zwangsläufig Kämpfen ähneln: "Die Gespräche werden wieder auf der Grundlage geführt werden, dass wir alle starker sind, wenn wir zusammenhalten", so Taylor im DW-Gespräch. "Es wird wieder die Ansicht herrschen, dass Amerika gemeinsam mit seinen Partnern stärker ist als allein und dass die Partner stärker sind, wenn Amerika an ihrer Seite steht."

 

Aus dem Englischen adaptiert von Friedel Taube.

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