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PolitikEuropa

NATO will weiterhin Dialog mit Moskau

7. Januar 2022

Die NATO warnt vor einer realen Kriegsgefahr in der Ukraine. Russland müsse sich zurückziehen und verhandeln, fordern die Außenminister. Nächste Woche gibt es eine Reihe direkter Kontakte. Aus Brüssel Bernd Riegert.

Belgien I Jens Stoltenberg I NATO
NATO-Generalsekretär Stoltenberg: Wir wollen Russland zuhörenBild: John Thys/AFP

Mit einer Sondersitzung per Videocall haben die Außenminister und Außenministerinnen der NATO die Gespräche mit der russischen Regierung in der kommenden Woche vorbereitet. Der Generalsekretär der NATO, Jens Stoltenberg, leitete die Sitzung mit den 30 zugeschalteten Ministern.

Er erklärte, es sei zumindest ein positives Signal, dass Russland jetzt bereit sei, an den Verhandlungstisch zu kommen, und zwar sowohl zum NATO-Russland-Rat am kommenden Mittwoch in Brüssel als auch zu bilateralen Gesprächen mit der US-Regierung in Genf am Montag und zu einem Treffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien am Donnerstag. "Das ist eine Gelegenheit für Russland zu zeigen, dass es ernsthaft an Dialog, Transparenz in militärischen Angelegenheiten und an internationalen Verpflichtungen interessiert ist", sagte Stoltenberg.

Die NATO sei immer bereit, sich die Sorgen und Bedenken Russlands anzuhören, sicherte der Generalsekretär Moskau zu. Die russische Regierung hatte vor Weihnachten einen Vertragsentwurf vorgelegt, in dem die NATO aufgefordert wird, Sicherheitsgarantien abzugeben, auf die Aufnahme neuer Mitglieder in Zukunft zu verzichten und Waffensysteme aus östlichen Mitgliedsstaaten abzuziehen. Die Außenministerinnen und Außenminister der NATO wiesen diese Forderungen geschlossen zurück. Das Prinzip, dass jedes Land in Europa der NATO auf eigenen Wunsch beitreten könne, bleibe unangetastet.

NATO: Russischer Aufmarsch hält an

Jens Stoltenberg forderte im Name der Allianz Russland auf, seine seit Monaten an der Grenze zur Ukraine "ungerechtfertigt" aufmarschierten Truppen abzuziehen. Die Ukraine und die NATO befürchten einen Angriff der russischen Armee. Präsident Wladimir Putin hat bestritten, dass Russland neue Invasionspläne habe. 2014 hatte Russland die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim besetzt und annektiert. Außerdem unterstützt Russland die prorussischen Separatisten in der Ostukraine in ihrem Kampf gegen Kiew. Auch dies wird von Moskau bestritten.

"Der Truppenaufmarsch geht unvermindert weiter", berichtete Jens Stoltenberg, der NATO-Chefdiplomat, am Freitag über die Lage in der Grenzregion. "Die Gefahr eines Konfliktes ist real." Die NATO sicherte der Ukraine noch einmal ihre volle Unterstützung zu. Sie wird in militärischer Ausrüstung und Beratern, aber nicht in NATO-Truppen vor Ort bestehen. "Die Ukraine ist ein enger Partner, aber sie wird nicht vom Beistandsversprechen abgedeckt, weil sie kein Mitglied ist. Das Beistandsversprechen im Falle eines Angriffs gilt für die 30 Mitglieder der NATO", stellte der Generalsekretär noch einmal klar.

Russische Fallschirmjäger auf dem Weg zum Manöver nahe der Ukraine (Archiv)Bild: AP Photo/picture alliance/dpa

Die NATO forderte Russland zum wiederholten Male auf, die Souveränität der Ukraine zu achten. Sollte die Diplomatie scheitern und Russland erneut einmarschieren, werde dies einen "hohen Preis" haben, sagte Jens Stoltenberg. Man wolle gegenüber Russland an einer zweigleisigen Strategie festhalten: Abschreckung und Dialog.

NATO-Russland-Rat wird tagen

NATO-Diplomaten bestritten, dass Russland durch seine Truppenbewegung die Allianz zum erst Verhandeln bewegt habe. "Die NATO hat Russland seit 2019 immer wieder aufgefordert, in den Dialog einzusteigen", versicherte Generalsekretär Stoltenberg. 2019 hatte zum letzten Mal der NATO-Russland-Rat getagt, ein gemeinsames Gremium, in dem vor allem praktische Fragen der militärischen Zusammenarbeit, Offenlegung von Manövern, Kommunikationswege im Krisenfall und die Vermeidung von militärischen Missverständnissen und Eskalationen besprochen wurden.

Da sich das Verhältnis zwischen Russland und den NATO-Staaten immer weiter verschlechtert hatte, hat sich die russische Regierung mittlerweile komplett aus dem NATO-Russland-Rat zurückgezogen und auch die Vertretung Russlands im NATO-Hauptquartier in Brüssel mehr oder weniger geschlossen. NATO-Generalsekretär Stoltenberg hofft, dass die Sitzung des NATO-Russland-Rates der "Anfang eines Prozesses ist".

Parallel dazu werde die NATO überprüfen, ob und wie Truppen an der Ostgrenze oder am Schwarzen Meer zusätzlich aufgestellt werden müssten, berichten Diplomaten. In der kommenden Woche sollen sich die Stabschefs der 30 NATO-Armeen mit der Frage beschäftigen.

Präsidenten Putin (li.) und Biden haben telefoniert, Montag treffen sich ihre Unterhändler in Genf (Montage)Bild: AFP

Die Gespräche am jetzigen Freitag dienten auch dazu, die europäischen Verbündeten in die strategischen Unterredungen zwischen den USA und Russland am kommenden Montag in Genf einzubeziehen. Es werde nicht über die Köpfe der 28 europäischen Verbündeten oder der Ukraine hinweg irgendetwas vereinbart werden, sicherten die USA zu. Gleichzeitig verlangt Washington aber Zusagen von den Europäern, notfalls harte Wirtschaftssanktionen mitzutragen, sollte Russland die Ukraine erneut angreifen. Am Montag wird auch die NATO-Ukraine-Kommission mit dem ukrainischen Außenminister Dymetro Kuleba in Brüssel tagen, um ihm Rücken zu stärken.

EU will an Dialog beteiligt werden

Der Außenbeauftragte der Europäischen Union, Josep Borrell, hatte sich beschwert, dass die EU nicht direkt in die Gespräche eingebunden sei. Die meisten EU-Staaten sind allerdings NATO-Mitglieder, so dass es hier natürlich Überschneidungen gibt. Bislang haben sich die EU-Staaten noch nicht auf konkrete zusätzliche Sanktionen gegen Russland geeinigt. Die EU-Kommission soll verschiedene Optionen vorlegen. Am kommenden Donnerstag wollen die EU-Außenminister bei ihrem schon länger anberaumten informellen Treffen im französischen Brest darüber sprechen.

Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, sagte mit Blick auf den Konflikt rund um die Ukraine: "Es wird keine Lösung ohne Europa geben." Von der Leyen ist zu Besuch in Paris beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der zurzeit auch den Vorsitz in der EU innehat. "Ich glaube, dass die EU einen Dialog mit Moskau führen muss", sagte Macron. "Dialog heißt aber nicht, Zugeständnisse machen." Macron kündigte an, in den nächsten Tagen mit dem russischen Präsidenten Putin telefonieren zu wollen. Frankreich und Deutschland versuchen gemeinsam, die Gespräche im sogenannten Normandie-Format wieder zu beleben. Russland und die Ukraine sollen unter französischer und deutscher Vermittlung über einen Waffenstillstand und eine Lösung für die Konflikte beraten. Das bisher letzte Treffen dieser Art fand vor zwei Jahren in Paris statt.

Die Außenminister der nordatlantischen Allianz haben am Freitag auch kurz über die Unruhen in Kasachstan gesprochen, wohin Russland Truppen entsandt hat. Die Lage sei Besorgnis erregend, so NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Die Gewalt müsse enden. Menschenrechte müssten eingehalten werden. Mit Blick auf den Ukraine-Konflikt wolle er nicht darüber spekulieren, ob die Ereignisse in Kasachstan "die Kalkulation in Moskau in irgendeiner Form beeinflussen können".

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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