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Politik

NATO will Ostflanke weiter verstärken

11. Februar 2022

Angesichts des russischen Truppenaufmarsches an der Grenze zur Ukraine will die NATO ihre Präsenz in der Schwarzmeerregion ausbauen. Dies betonte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei einem Besuch in Rumänien.

Rumänien Besuch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und Klaus Iohannis in Bukarest
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu Besuch auf einer rumänischen LuftwaffenbasisBild: Robert Ghement/EPA-EFE

Die Präsenz der NATO im östlichen Teil der Allianz werde fortlaufend verstärkt, sagte Jens Stoltenberg in Rumänien. "Wir haben auch die Bereitschaft der NATO-Reaktionskräfte erhöht. Diese Truppen befinden sich in ihren Heimatbasen, können aber bei Bedarf schnell überall in der Allianz verlegt werden." Das Bündnis ziehe aber auch eine längerfristige Anwesenheit in der Schwarzmeerregion in Betracht. Darüber hinaus erwäge man weitere längerfristige Anpassungen der Streitkräfte. Dies schließe die Gefechtsverbände im Südosten des Bündnisses ein, also in Rumänien und anderen Ländern der Region.

Der NATO-Generalsekretär beschrieb die Lage in der Ukraine-Krise erneut mit düsteren Worten. "Die Gefahr eines neuen bewaffneten Konflikts in Europa ist reell", sagte er in Rumänien mit Blick auf die mittlerweile mehr als 100.000 russischen Soldaten an der Grenze zur Ukraine. Stoltenberg äußerte sich an der Seite des rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis auf einem Militärflugplatz im Osten Rumäniens. In dem Land sind bereits 900 US-Soldaten stationiert. Die Vereinigten Staaten haben begonnen, etwa 1000 weitere Soldaten aus Deutschland nach Rumänien zu verlegen.

Der rumänische Präsident Klaus Iohannis (links) begrüßt NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg Bild: Robert Ghement/EPA-EFE

Der NATO-Generalsekretär betonte, die Anwesenheit der amerikanischen Truppen unterstreiche das Engagement der USA für die Sicherheit in Europa. Frankreich hat bereits angeboten, die Führungsrolle bei einer künftigen NATO-Mission in Rumänien zu übernehmen. Darüber soll bei einem Treffen der Verteidigungsminister nächste Woche gesprochen werden.

Mehr multinationale Kampftruppen

Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa hat die Allianz den Ausbau ihre Kräfte im östlichen Bündnisgebiet auch formell schon auf den Weg gebracht. Demnach billigten die 30 Mitgliedstaaten in dieser Woche in einem schriftlichen Beschlussverfahren einen entsprechenden Vorschlag der Militärs. Dieser zielt insbesondere darauf ab, zur Abschreckung Russlands auch in südwestlich der Ukraine gelegenen NATO-Ländern wie Rumänien multinationale Kampftruppen zu stationieren. Bislang gibt es die sogenannten Battlegroups nur in den baltischen Staaten Estland, Litauen und Lettland sowie in Polen. Neben Rumänien sollen auch die Slowakei und Bulgarien Standorte für multinationale NATO-Einheiten bereitstellen.

Angesichts der Ukraine-Krise schickte das NATO-Mitglied Spanien vier Kampfjets nach Bulgarien, das ebenfalls dem westlichen Bündnis angehört. Rund 130 Soldaten seien bereits auf dem Luftwaffenstützpunkt Graf Ignatiewo in Bulgarien eingetroffen, teilte die spanische Luftwaffe mit.  Die Eurofighter-Flugzeuge sollen die Luftüberwachung über dem Schwarzen Meer verstärken und notfalls russische Flugzeuge abfangen, berichtete die Zeitung "La Vanguardia". Im April sollen die vier Kampfflugzeuge in die baltischen Staaten verlegt werden.

Wie reagiert Moskau?

Der Beschluss der Alliierten soll am kommenden Mittwoch bei einem Treffen der Verteidigungsminister bestätigt werden. Dann wird auch die offizielle Ankündigung erfolgen. Die Umsetzung der Planungen könnte noch in diesem Frühjahr erfolgen. Mit Spannung wird nun erwartet, wie Russland auf die Entscheidung der NATO reagiert. Kritiker befürchten, dass die Entsendung zusätzlicher Bündnistruppen in Richtung Osten zu einer weiteren Verschärfung der aktuellen Ukraine-Krise führen könnte.

In NATO-Kreisen wird betont, dass der Ausbau der Truppenpräsenz an der Ostflanke ausschließlich als Reaktion auf das russische Verhalten erfolge. Als Beleg dafür gilt die Tatsache, dass bis zur Einverleibung der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland keinerlei multinationalen Truppen in Osteuropa stationiert waren.

Die aktuellen Beschlüsse sind eine Reaktion darauf, dass Russland in den vergangenen Monaten mehr als 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen hat. Dies schürt in der Ukraine wie im Westen die Furcht vor einem möglichen Großangriff Russlands auf das Nachbarland. Russland weist jegliche Angriffspläne zurück. Zugleich führt der Kreml an, sich von der westlichen Allianz bedroht zu fühlen.

Für zusätzliche Befürchtungen im Westen sorgt ein belarussisch-russisches Militärmanöver, das am Donnerstag nahe der ukrainischen Grenze in Belarus begonnen hat. Nach Angaben der USA hat Russland für die zehntägigen Militärübungen 30.000 Soldaten nach Belarus verlegt.

Am Nachmittag kam es zu einer Telefonschalte von Bundeskanzler Olaf Scholz mit US-Präsident Joe Biden, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dem britischen Premierminister Boris Johnson und weiteren Staats- und Regierungschefs sowie mit den Spitzen von NATO und EU. Scholz habe an einem "wichtigen Austausch zur sehr sehr ernsten sicherheitspolitischen Lage der Ukraine" teilgenommen, schrieb Regierungssprecher Steffen Hebestreit nach der Schalte auf Twitter. "Alle diplomatischen Bemühungen zielen darauf ab, Moskau zur De-Eskalation zu bewegen. Es gilt, einen Krieg in Europa zu verhindern."   

Keine Fortschritte beim Normandie-Format

Ein Ukraine-Treffen des sogenannten Normandie-Formats endete in der Nacht zum Freitag in Berlin ohne greifbares Ergebnis. Nach mehr als neunstündigen Verhandlungen der außenpolitischen Berater der Ukraine, Russlands, Deutschlands und Frankreichs zogen die deutsch-französischen Vermittler ein nüchternes Fazit. In "schwierigen Gesprächen" zwischen den Gesandten Russlands und der Ukraine seien "die unterschiedlichen Positionen und verschiedene Lösungsoptionen deutlich herausgearbeitet" worden.

Die außenpolitischen Berater der vier Länder beim Treffen im Normandie-Format in BerlinBild: picture alliance/photothek

Wie die Nachrichtenagentur AFP aus Verhandlungskreisen erfuhr, bestand die russische Seite darauf, dass Kiew sich schriftlich auf direkte Verhandlungen mit den pro-russischen Milizen im Osten der Ukraine festlege. Dies sei jedoch "die einzige rote Linie" für die ukrainische Seite gewesen, hieß es im Élysée-Palast in Paris.

Die russische Seite warf den Vermittlern anschließend vor, zu wenig Druck auf die ukrainische Regierung auszuüben. Die Regierung in Kiew unternehme alles, um ihre Verpflichtungen in dem Friedensplan für die Ostukraine nicht zu erfüllen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Ein weiteres Treffen soll nach den Sitzungen der sogenannten Trilateralen Kontaktgruppe im März stattfinden. Ihr gehören Vertreter Russlands, der Ukraine sowie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit für Europa (OSZE) an.

kle/sti (rtr, dpa, afp)