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NATO will smart werden

Christian F. Trippe19. September 2013

Mit dem Abzug aus Afghanistan muss sich das Militärbündnis auf Kernaufgaben besinnen. NATO-Länder geben immer weniger Geld für Verteidigung aus. Außerdem sucht die Allianz einen neuen Generalsekretär.

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Bis Ende Juli 2014 läuft die Amtszeit von Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Doch es könnte sein, dass er noch ein paar Monate dranhängen muss. Denn der nächste NATO-Gipfel, der den 'Neuen' wählt, soll wohl erst im Herbst 2014 einberufen werden - und nicht, wie ursprünglich geplant, im Frühjahr. Offiziell werden dafür 'Terminschwierigkeiten' der US-Regierung verantwortlich gemacht. Beobachter in Brüssel gehen aber davon aus, dass die Suche nach einem Rasmussen-Nachfolger ins Stocken geraten ist.

Sollte Rasmussen länger im Amt bleiben, so könnte er immerhin den Abzug aus Afghanistan abschließen. Denn Ende 2014 endet das Mandat der NATO-geführten Afghanistan-Schutztruppe ISAF, bis dahin sollen auch die letzten Einheiten der US-Kampftruppen abgezogen sein. Danach will sich das Militärbündnis zwar weiter in Afghanistan engagieren, aber nur noch im Rahmen einer vergleichsweise kleinen Ausbildungs- und Unterstützungsmission. Die Zeit der großen Einsätze geht für die NATO zu Ende, in Afghanistan und auf dem Balkan.

Eine US-Drohne auf dem Stützpunkt Victorville in KalifornienBild: picture alliance/dpa

Die NATO der Zukunft versteht sich als umfassende transatlantische Sicherheitsagentur mit Partnern in aller Welt, aber sie will "kein globaler Polizist werden", so Generalsekretär Rasmussen am Donnerstag (19.09.2013) in Brüssel. Die NATO wird sich in Zukunft wieder stärker auf ihre ureigenen Aufgaben konzentrieren, vor allem auf die Landesverteidigung. So will die Allianz Anfang November im Baltikum die Abwehr eines Angriffs auf das Bündnisgebiet üben. Rund 6000 Soldaten aus elf Ländern sind an dem Manöver beteiligt. Die Übung in Polen, Lettland, Litauen und Estland gilt schon jetzt als das größte Manöver seit Jahren. Dabei gehe es aber nicht um die Abwehr einer russischen Invasion, versicherte vor Kurzem der NATO-Oberbefehlshaber, US-General Philip Breedlove, bei einem Pressegespräch im Hauptquartier Brunssum.

Cyberkrieg statt Kampf gegen Taliban

Die drei baltischen Staaten sind allesamt ehemalige Sowjetrepubliken, die Anfang der 1990er Jahre ihre Unabhängigkeit von Moskau erlangten und sich anschließend konsequent nach Westen orientierten. Die Beziehungen zu Russland sind für alle drei Länder - heute Mitglied in der Europäischen Union und in der NATO - nach wie vor schwierig, manchmal angespannt. Militärisch gesehen kehrt die NATO mit der Großübung im Baltikum zu dem zurück, was ihr Sinn und Daseinszweck im Kalten Krieg war. Neu ist aber, dass diesmal russische Manöverbobachter die Übung begleiten. Und dass die transatlantische Allianz in ihrem militärischen Planspiel jetzt auch Bedrohungslagen und Angriffe aus dem Internet simuliert.

Kandidat für Rasmussen-Nachfolge: Polens Außenminister Radoslaw SikorskiBild: DW/R.Romaniec

Vorbereitungen auf den sogenannten "Cyberwar" zählen für Generalsekretär Rasmussen zum Konzept einer "modernen kollektiven Verteidigung". Um die Streitkräfte des Bündnisses zu modernisieren, fordert er von den Europäern mehr Investitionen - vor allem in Aufklärungsdrohnen, in Flugzeuge zur Betankung von Kampfjets und in seegestützte Radarsysteme. Nicht jedes NATO-Land müsse jedes Waffensystem selber entwickeln und beschaffen; vielmehr sei im Bündnis viel Geld zu sparen durch kluge Arbeitsteilung. Für dieses Konzept, das er "smart defence" nennt, warb Rasmussen erneut auf einer Veranstaltung der Carnegie-Stiftung in Brüssel.

Mehr Geld für Rüstung

Doch Rasmussen ging noch einen Schritt weiter. Als ehemaliger dänischer Regierungschef wisse er, wie unpopulär es sei, mitten in einer Wirtschaftskrise, in den Zeiten knapper Kassen und harter Kürzungen mehr Geld für die Rüstung zu fordern. Dennoch, wenn Europa in Zukunft politisch nicht an Gewicht verlieren wolle, müsse es auch mehr Geld für Verteidigung ausgeben, sobald die Konjunktur wieder anspringt.

Der Umbau der NATO und die Modernisierung der europäischen NATO-Armeen kosten Geld und politische Kraft. Wer immer Rasmussen nachfolgt, übernimmt eine Großorganisation im Übergang, die gemeinhin als schwerfällig und bürokratisch gilt und die sich nach Ende des Afghanistan-Einsatzes neu ausrichten muss.

Der ehemalige italienische Außenminister Franco Frattini traut sich den Job zu, das hat er bereits öffentlich gemacht. Außerdem werden dem belgischen Verteidigungsminister Pieter de Crem und dem polnischen Außenamtschef Radoslaw Sikorski Ambitionen nachgesagt. Und in Berlin kursiert das Gerücht, der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière könne nach Brüssel in den Sessel des NATO-Generalsekretärs wechseln. Doch die USA als Vormacht im Bündnis halten sich in der Kandidatenfrage bislang bedeckt. Beobachter glauben, dass in Washington noch nach weiteren Aspiranten Ausschau gehalten wird. Traditionell ist der NATO-Generalsekretär ein Europäer, der militärische Oberbefehlshaber ist dagegen immer ein US-General.

Der militärische Oberbefehlshaber der NATO kommt traditionell aus den USABild: picture-alliance/Photoshot
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