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PolitikEuropa

NATO will Ostflanke weiter stärken

29. November 2022

Beim NATO-Rat der Außenminister am Dienstag und Mittwoch in Bukarest geht es um mehr Hilfen für die Ukraine, die Abschreckung Russlands an der NATO-Ostflanke und einige praktische Probleme. Bernd Riegert berichtet.

Rumänien | Parlamentsgebäude in Bukarest
Palast des Parlaments in Bukarest: Trutziger Tagungsort der NATO. 2008 gab es hier ein Gipfeltreffen, damals noch mit Russlands Präsident Putin. Heute undenkbar.Bild: Bernd Riegert/DW

Es ist kein Zufall, dass sich die Außenministerinnen und Außenminister der 30 NATO-Staaten am Dienstag und Mittwoch in Rumänien treffen. Sie zeigen auf Einladung des rumänischen Außenministers Bogdan Aurescu Unterstützung für die Ostflanke der NATO und die Region am Schwarzen Meer, die seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine neuer Schwerpunkt der NATO-Aktivitäten ist. Im Frühjahr 2022 beschloss die Allianz, gegen die Bedrohung aus Russland vier neue Kampfgruppen (Battlegroups) in der Slowakei, Ungarn, Bulgarien und eben auch Rumänien aufzubauen. Seit 2017 gab es als Reaktion auf die russische Annexion der Krim im Jahr 2014 bereits Kampfgruppen in den drei baltischen Staaten und Polen. Die vier neuen Gruppen in Bataillonsstärke zwischen 900 und 1300 Personen sind im Aufbau begriffen. Mehrere NATO-Staaten, darunter Deutschland, stellen dauerhaft Truppen für die Kampfgruppen, andere rotieren und wechseln sich mit anderen Staaten ab.

NATO-Soldaten trainieren gemeinsam im Übungszentrum Cincu in Rumänien (Archiv)Bild: Baris Seckin/AA/picture alliance

Die Kampfkraft dieser kleinen Verbände ist begrenzt, wichtig ist aber der symbolische Wert. Denn, so NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, die multinationale Aufstellung spiegelt die Solidarität der NATO-Mitgliedsstaaten untereinander. "Als Antwort auf Russlands Krieg gegen die Ukraine setzen wir die Stärkung der Abschreckung und der Verteidigung im östlichen Teil des Bündnisses fort", sagte Stoltenbergs Sprecherin Oana Lungescu. Der NATO-Gipfel in Madrid im Sommer legte fest, dass die Kampfgruppen in Zukunft bis zur Stärke von Brigaden anwachsen könnten, das wären rund 5000 Personen.

Kampfgruppen und Strategie 

Erst am 15. November wurde die Solidarität der NATO an der Ostflanke auf die Probe gestellt. Nachdem eine Rakete in Polen unweit der ukrainischen Grenz zwei Menschen tötete, durchlebte die NATO nervenaufreibende Stunden, bis klar war, dass die Rakete wohl nicht von der russischen, sondern der ukrainischen Armee abgeschossen worden war. Ein Unfall, der jedoch die Frage aufwarf, was wäre wenn Russland wirklich NATO-Gebiet angriffe? Dann hätte die NATO entschlossen nach ihren Beistandsversprechen für alle Mitgliedsstaaten handeln müssen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg versuchte die Lage zu beruhigen, in dem er sagte, die NATO gehe im Moment nicht davon aus, dass Russland einen Angriff auf NATO-Verbündete plane. Trotzdem wird der Krieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin vor allem in den östlichen NATO-Staaten, im Baltikum und in Polen als nie dagewesene Bedrohung wahrgenommen. Über die Lageeinschätzung werden die Außenminister bei ihrem Treffen in Bukarest ebenfalls beraten.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg beim Truppenbesuch in Rumänien im FebruarBild: Robert Ghement/EPA-EFE

"Nicht nachlassen"

Gesprochen wird in Bukarest auch über weitere militärische Hilfe für die Ukraine, die im Moment vor allem Raketenabwehr und Munition braucht, um die russischen Angriffe auf zivile Infrastruktur abzuwehren. Polen hat eine Verstärkung seiner Luftabwehr durch Patriot-Raketen der Bundeswehr abgelehnt. Die Systeme sollten lieber gleich in die Ukraine gehen, meint Polens Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak, der das Angebot der deutschen Armee zunächst "interessant" genannt hatte. NATO-Generalsekretär Stoltenberg wird die Verbündeten erneut auffordern, in ihrer Unterstützung für die Ukraine nicht nachzulassen, auch wenn zuhause Energie und Lebensmittel teurer würden. Falls Russland sich durchsetze, würden autoritäre Regime in aller Welt lernen, "dass sie mit brutaler Gewalt bekommen, was sie wollen", sagte Jens Stoltenberg bei der Parlamentarischen Versammlung der NATO in Madrid vergangene Woche.

Lücken bei der Infrastruktur

In Rumänien führt die französische Armee die neue Kampfgruppe an, die in Cincu in der Region Siebenbürgen stationiert ist. Die rund 500 Franzosen haben in den letzten Monaten mit Einheiten aus Polen, den Niederlanden und den USA das Zusammenspiel geübt. In den letzten Tagen wurde das französische Luftabwehrsystem MAMBA in Rumänien getestet, das für kurze Reichweiten konzipiert ist. "Manöver wie diese stellen sicher, dass die NATO-Kräfte zusammen operieren können und bereit sind, auf Bedrohungen aus jeder Richtung zu antworten", sagte NATO-Sprecherin Oana Lungescu.

Französische Panzer auf dem Weg nach Rumänien. Der Transport war nicht einfach.Bild: Sgt Jerome Salles/Armee de Terre/Defense/EMACOM/AP/dpa/picture alliance

Der französische Oberst, der die Kampfgruppe führt, sagte bei einem Manöver im September, die wichtigste Aufgabe sei es im Moment, Lernziele festzulegen und für die künftige Art der Kriegsführung auszubilden. Dabei sind auch logistische Defizite aufgefallen, die nicht nur in Rumänien, sondern in vielen NATO-Staaten anzutreffen sind. Die französische Armee schaffte ihre Panzer für die Kampfgruppe nur mit Mühe und zeitlicher Verzögerung nach Rumänien. Es fehlte an geeigneten Transportwegen per Eisenbahn. Ein Transport auf der Straße wurde in Deutschland gestoppt, weil die Panzer vom Typ Leclerc laut Straßenverkehrsordnung zu schwer waren. Die Panzer konnten dann in Rumänien eine wichtige Brücke bei Cincu nicht passieren, weil diese die schweren Fahrzeuge nicht tragen konnte.

 

Truppe kämpft mit Widrigkeiten

Rumänien, das seit 2004 zur NATO gehört, hat nur ein relativ schlecht ausgebautes Straßennetz, was große Militärtransporte im Ernstfall einschränken würde. Rund ein Viertel der Straßen ist nicht asphaltiert. Nur sechs Prozent der Straßen sind Autobahnen. Die NATO und auch die Europäische Union haben Programme aufgelegt, um die militärische Mobilität überall im Bündnisgebiet zu verbessern. Die Bahnen brauchen mehr Waggons für schweres Gerät. Die Spurweite der Gleise im Baltikum folgt immer noch der russischen Norm. Sie müsste der schmaleren EU-Norm angepasst werden, was aber Milliarden an Euro verschlingen würde. Polen hat sich vorgenommen, bis 2034 neue Brücken, Autobahnen und 2000 Kilometer Schienenwege zu bauen, auch um die Verlegung von Truppen an die Ostgrenze zu erleichtern.

Die Niederlande gehören zu den Truppenstellern: Premier Mark Rutte besuchte seine Soldaten im Oktober in RumänienBild: Bart Maat/ANP/IMAGO

Praktische Probleme in Rumänien beklagen die französischen Truppen. Soldaten berichteten im Oktober in sozialen Medien von katastrophalen Unterkünften und schlechter Verpflegung. Von Rattenplagen, Müll und ungeheizten Zelten war die Rede. Gegenüber der französischen Investigativ-Plattform "Mediapart" erklärte der französische Generalstab beim Aufbau einer neuen Einheit, es gebe oft "rustikale Bedingungen" - auch acht Monate nach Beginn der Operation in Rumänien. Inzwischen sei Abhilfe geschaffen, heißt es aus dem rumänischen Verteidigungsministerium. Alle Anforderungen der Franzosen würden erfüllt.

Ärger gab es auch auf der NATO-Luftwaffenbasis bei Constanta. Dort ermittelt der rumänische Militärstaatsanwalt, weil Soldaten offenbar zusammen mit organisierten Banden Diesel und Kerosin im Wert von zwei Millionen Euro gestohlen haben sollen.

2008 in Bukarest: Wladimir Putin nahm am NATO-Gipfel teil und kritisierte Beitrittsversprechen für die Ukraine und Georgien scharfBild: AP

Spanien schickt Kampfjets

In Rumänien hat die NATO nicht nur eine Kampfgruppe neu stationiert, sondern auch die Luftverteidigung verstärkt. Spanien hat kurz vor dem Beginn des Außenminister-Treffens die zeitweise Verlegung von acht F-18 Kampfjets mit 130 Soldatinnen und Soldaten nach Rumänien angekündigt. Die USA unterhalten in Rumänien außerdem einen Teil des Raketenabwehrschildes, der ursprünglich gegen Angriffe aus dem Iran oder Nordkorea mit ballistischen Langstreckenraketen vorgesehen war. Jetzt wird laut NATO-Diplomaten in Brüssel geprüft, wie der Abwehrschild auch vor russischen Raketen schützen könnte.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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