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PolitikEuropa

NATO will transatlantische Kooperation beleben

Barbara Wesel
18. Februar 2021

Der NATO-Generalsekretär beschwört nach dem ersten Treffen mit dem neuen US-Verteidigungsminister Lloyd Austin ein neues Kapitel der Zusammenarbeit. Der Abzug aus Afghanistan soll erst zum richtigen Zeitpunkt erfolgen.

Mehrer Menschen stehen neben rauchenden Tanklastern im afghanischen Grenzgebiet
Etwa 500 Tankwagen wurden am 14. Februar bei der Explosion in Islam Qala zerstört Bild: DW/Shoaib Tanha

Es war das erste Treffen der NATO-Verteidigungsminister mit ihrem neuen Kollegen aus Washington. Und die Erleichterung über die Zusammenarbeit mit der neuen US-Administration schien Generalsekretär Jens Stoltenberg zu beflügeln. Man schlage "ein neues Kapitel mit den USA" auf angesichts globaler Herausforderungen, die niemand allein bewältigen könne. "Wir wollen das Bündnis zwischen den USA und Europa stärken."

Zurück zur transatlantischen Zusammenarbeit

Vier schwierige Jahre lang hatte Stoltenberg versucht, den Satz von der Gemeinsamkeit angesichts der neuen globalen Herausforderungen dem vorigen US-Präsidenten Donald Trump nahe zu bringen. Mit wechselndem Erfolg, schließlich hatte der bekennende Gegner des Multilateralismus die NATOfast gesprengt. Aber Stoltenberg obsiegte und konnte den Bruch verhindern oder jedenfalls seinen Teil dazu beitragen. Aber diese schwierige Phase seiner Amtszeit liegt nun hinter ihm.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg beschwört einen Neuanfang mit der Biden-Regierung Bild: NATO

Jetzt kann der Generalsekretär sich ohne diese Bedrohung im Nacken wieder mit der neuen strategischen Ausrichtung des Bündnisses befassen und vor allem den anstehenden NATO-Gipfel im Frühjahr vorbereiten. Er habe dafür ehrgeizige Vorschläge, kündigte Stoltenberg an und nannte in diesem Zusammenhang die Fähigkeiten zu Abschreckung und Verteidigung, die faire Lastenteilung und die transatlantische Zusammenarbeit bei der Innovation von Waffensystemen. Zugleich versprach er auch, die Nato wolle ethische Mindeststandards erarbeiten.

Insgesamt gehe es darum, "die NATO fit zu machen für die Zukunft" und dabei zählt der Generalsekretär die bekannten Szenarien auf: den Aufstieg von China und Russland als zunehmend aggressive Akteure. Gegenüber beiden Mächten müsse das Konzept erneuert werden: "Bisher befassen wir uns noch nicht mit der Machtverschiebung und den Folgen für die Sicherheit durch den Aufstieg Chinas."

Es bleibt das Thema Geld

Beim leidigen Thema der Verteidigungsausgaben in den Mitgliedsländern aber, Donald Trumps besonderem Steckenpferd, macht Stoltenberg Nachzüglern wie etwa Deutschland wenig Hoffnung: Das Zwei-Prozent-Ziel sei "auch für Biden wichtig, der als Vizepräsident 2014 mit Präsident Obama am NATO-Gipfel in Wales teilgenommen hatte", wo man dieses Ausgabenziel beschlossen habe.

Seitdem seien die Ausgaben des Bündnisses Jahr um Jahr gestiegen, insgesamt um 190 Milliarden Dollar, und neun Länder erfüllten inzwischen das Ziel, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Für demokratische und republikanische US-Regierungen sei die faire Lastenverteilung ein wichtiges Thema, erklärte Stoltenberg. "Das ist auch in unserem Sicherheitsinteresse, denn wir leben in einer gefährlicheren Welt."

Taliban-Vertreter versprachen bei den Friedensverhandlungen in Doha viel, halten aber fast nichts Bild: Ibraheem al Omari/REUTERS

Zusammen rein, zusammen raus

Über das Thema Afghanistan soll am Donnerstag noch intensiver diskutiert werden, aber die politische Marschrichtung ist bereits klar: "Die NATO wird nur abziehen, wenn der richtige Zeitpunkt da ist", lautet die neue Formel des Generalsekretärs. "Wir sind zusammen reingegangen, wir gehen zusammen raus", beschwört Jens Stoltenberg. Und der Abzug hänge "von Bedingungen ab". Bisher galt als Stichtag der 31.Mai, den die Trump-Regierung mit den Taliban vereinbart hatte.

Die Entscheidung über Bleiben oder Abziehen aber werde in enger Absprache mit den USA getroffen: "Wir bewerten zusammen die Lage, wir treffen zusammen Entscheidungen." Und wenn man die Anforderungen betrachtet, die Jens Stoltenberg dabei an die Taliban stellt, wird klar, dass der Zeitpunkt zum Rückzug aus seiner Sicht noch nicht gekommen ist.

"Die Taliban müssen ihre Verpflichtungen erfüllen, den Friedensprozess unterstützen und den Friedensvertrag (von Doha) umsetzen." Von Seiten der NATO müsse man jetzt den Friedensgesprächen neuen Schub geben. "Die Taliban müssen die Gewalt reduzieren, in gutem Glauben verhandeln und alte Verbindungen, wie etwa zu Al Kaida, beenden", fordert Stoltenberg darüber hinaus.

Die Taliban hatten bisher nach dem im vergangenen Jahr mit der Trump-Regierung geschlossenen Friedensvertrag zwar Angriffe auf NATO-Soldaten eingestellt, ihre Bombenattacken gegen die Zivilbevölkerung sowie die Mordanschläge auf Vertreter der afghanischen Zivilgesellschaft jedoch unvermindert fortgesetzt. 

Afghanistan brauche noch zwei Jahre, um militärisch auf eigenen Beinen zu stehen, erklärte der Sicherheitsberater der Regierung in Kabul, Hamdullah Mohib in einem Interview mit der "Times". "Wir erwarten, dass wir in den nächsten beiden Jahren selbständig werden, unsere Sicherheitsverantwortung selbst übernehmen können, auch wenn es keinen Frieden mit den Taliban gibt", erklärte Mohib. Man wolle die Erfolge der letzten 20 Jahre bewahren. Aber das hänge vom vorläufigen Verbleib der NATO-Truppen im Land ab.

Deutschland bereitet sich bereits auf die Verlängerung der Mission in Afghanistan vor, sei es auch nur, um einen geordneten Abzug zu gewährleisten. Der Schlüssel aber liegt in Washington. Die Biden-Administration muss die Frage beantworten, wie viel politisches Kapital sie noch in den Afghanistan-Einsatz investieren will und wie sie den anhaltenden Vormarsch der Taliban im Land politisch bewertet.

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