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Politik

Nawalny und die Wahl 2018

Nick Connolly jc
27. Februar 2017

Russlands Oppositionsführer Alexej Nawalny hat sein Wahlkampfbüro in Jekaterinburg eröffnet. Trotz seiner jüngsten Verurteilung, setze er seine Kampagne für die Präsidentschaftswahl 2018 fort, sagt er der DW.

Russland Moskau Alexej Nawalny
Bild: picture-alliance/dpa/I. Sekretarev

Es ist eine Herausforderung, das Wahlkampfbüro von Alexej Nawalny zu finden. Ein paar Schritte von Jekaterinburgs Haupteinkaufsstraße entfernt, müssen Besucher ein paar düstere Hinterhöfe durchqueren, um schließlich auf gelangweilt aussehende Polizisten zu stoßen, die auf ihre Mobiltelefone starren. Eine Handvoll Kreml-freundliche Demonstranten schwenken ihre Fahnen, einige von ihnen tragen Kosaken-Trachten. In der Menge sind einige bekannte Gesichter aus Moskau zu sehen. Die meisten sind überzeugt davon, dass Alexej Nawalny ein amerikanischer Agent ist.

Das bescheidene Wahlkampfbüro des Oppositionsführers selbst liegt über einer dreigeschossigen Feuertreppe. Eine Stufe ist wacklinger als die andere - nur einer der Beweise dafür, dass Nawalnys Wahlkampfteam mit einem sehr kleinen Budget auskommen muss. Die durchschnittlichen Spenden eines Einzelnen liegen bei 1000 Rubel, umgerechnet 16 Euro, sagt sein Wahlkampfmanager. Eines bereitet ihm und seinem Team derzeit besonders große Sorge: Yandex Money, das russische Äquivalent von Paypal, könnte das Spendenkonto für Nawalnys Kampagne schließen. Yandex beruft sich dabei auf neue Regelungen, die eine Nutzung seiner Dienste für politische Zwecke untersagt. Ein politisch motivierter Schachzug, meint Nawalny.

Steht Nawalnys Name auf dem Wahlzettel?

Nawalny sitzt in seinem Wahlkampfbüro und beantwortet Fragen der Presse, genauer gesagt von liberal eingestellten Online-Medien. Denn für das russische Staatsfernsehen existiert Nawalny nur, wenn er zu Gericht muss - nur dann berichten sie über ihn. Was er gegen die Korruption im Land und die immer weiter schwindende Kaufkraft der Russen tun wolle, wird Nawalny gefragt. Besonders aber Fragen über seine Pläne zur Einführung eines Mindesteinkommens von 25.000 Rubeln (400 Euro) sind von großem Interesse für die anwesenden Journalisten. Ob Nawalny bei den Wahlen im März 2018 überhaupt auf dem Wahlzettel stehen wird, wird kaum thematisiert. Die meisten Journalisten scheinen, so wie er, einfach davon auszugehen - auch mit Bewährungsstrafe.

Am 8. Februar hatte ein Gericht in der Stadt Kirow Alexej Nawalny wegen Unterschlagung zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, die Strafe aber zur Bewährung ausgesetzt. Der Oppositionsführer soll 2009 in seiner Zeit als Berater eines Regionalgouverneurs den Direktor eines Staatsunternehmens dazu genötigt haben, Bauholz an seine eigene Unternehmensgruppe zu einem Preis zu verkaufen, der 16 Millionen Rubel (250.000 Euro) unter dem Marktwert lag.

Sie demonstrieren vor Nawalnys Wahlkampfbüro: Kreml-freundliche DemonstrantenBild: DW/N. Connolly

Mit dem Urteil 2017 folgte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft und bestätigte gleichzeitig eine Entscheidung im Prozess von 2013. Dieses Urteil war zwar vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg aufgehoben worden. Doch daraufhin ordnete das Oberste Gericht Russlands eine Neuauflage des Prozesses an, die aber mit demselben Urteil endete.

Nawalny hatte das Urteil scharf kritisiert. Die Staatsanwaltschaft habe versäumt, neue Beweise gegen ihn vorzulegen und er bezeichnet den Schuldspruch als ein "copy-paste" des ersten Urteils. Jetzt droht er, erneut den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen.

Doch das kann dauern. Sobald seine Berufungsmittel erschöpft sind, hat der russische Oppositionsführer eine Vorstrafe. Und dann gilt er als vorbestraft und darf kein öffentliches Amt bekleiden.

Russlands Opposition ist zersplittert

"Ich habe das Recht, mich für die Wahl aufstellen zu lassen. Ich werde verlangen, dass ich daran teilnehmen kann, ich habe die Verfassung auf meiner Seite", sagt Nawalny im Gespräch mit der Deutschen Welle (DW). Nur Freiheitsstrafen, nicht aber Bewährungsstrafen könnten das Bürgerrecht an Wahlen teilzunehmen, aufheben. Auf die Frage, wie er entgegen seiner bisherigen Behandlung durch russische Gerichte sicherstellen wolle, dass sein Name 2018 tatsächlich auf den Wahlzetteln stehen werde, antwortet Nawalny, er setzte dabei auf den Druck der Öffentlichkeit. "2013 hat der Druck der Öffentlichkeit die Behörden dazu gebracht, mich aus dem Gefängnis zu entlassen, nur einen Tag nachdem sie mich zu fünf Jahren Haft verurteilt hatten." Auf welche Art dieser öffentliche Druck sich zeigen werde, konkretisiert Nawalny nicht. Aber er ist sich sicher, dass sein Name auf dem Wahlzettel stehen wird. 

Auch Kritik aus Teilen der russischen Opposition lässt Nawalny nicht gelten. Diese fürchtet, Nawalnys Teilnahme an der Wahl 2018 werde einen Wahlkampf legitimieren, der ihn als zu bekämpfende Person in den Mittelpunkt stellt und negative Auswirkungen haben - zum Beispiel auf die Finanzierung und möglicherweise sogar auf die Auszählung der Stimmen. "Meine Teilnahme legitimiert nichts dergleichen", sagt Nawalny und verweist darauf, dass es ihm vor allem darum geht, die Kandidatur eines möglicherweise Kreml-freundlichen Oppositionskandidaten zu verhindern.

Demokratie: Das Wort ist negativ besetzt 

Nawalny ist sich sicher, dass sein beständiger Einsatz für freie Wahlen, wirtschaftliche Freiheiten und gegen die Korruption sich am Ende beim Kampf um Wählerstimmen auszahlen wird. Wenn man die Bevölkerung nach dem idealen Regierungssystem fragen würden, beschrieben die meisten Russen das, was eine Demokratie ausmache, sagt er. Doch der Begriff sei in Russland sehr negativ besetzt, da er mit den chaotischen Zuständen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den 1990ern in Verbindung stehe.

Ob Nawalny die Russen überzeugen kann, dass freie Wahlen mit wettstreitenden Bewerbern nicht den Rückfall in eine Zeit der Unsicherheit und sinkender Lebensstands bedeuten, wird ausschlaggebend für den Erfolg seiner Kampagne sein. Der Kreml dagegen hatte mehr als ein Jahrzehnt Zeit, um eine Verbindung zwischen steigendem Wohlstand und einer durch Putin geprägten "Stabilität" zu schaffen. 

Nur wenige Stunden später strömen aus der ganzen Stadt Menschen in ein Einkaufszentrums, wo Nawalny zu neu registrierten Wahlkampffreiwilligen spricht. Auch einige Kreml-treue Demonstranten, die es zuvor nicht vor Nawalnys Wahlkampfbüro geschafft hatten, sind hier. Das Nawalny-Team teilt mit, sie hätten etwa 600 Freiwillige registriert. Viele Teilnehmer sagen der DW, es sei ihre erste Erfahrung als politische Aktivisten. Bezeichnenderweise haben alle erstmals von Nawalny und seiner Kampagne im Internet gehört.

Kremlbeobachter sagen, noch sei keine endgültige Entscheidung über Nawalnys Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr getroffen worden. Aber was auch immer am Ende geschieht, der nächste Schritt von Nawalnys politischer Evolution hängt von seiner Fähigkeit ab, die Welt jenseits des Internets zu erreichen und sich mit den rund 80 Prozent der Russen zu verbinden, die ihre Informationen aus dem Staatsfernsehen beziehen. 

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